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Ashdot Jaakov Icchud

Mit einundzwanzig machte ich mich auf den Weg nach Israel. Bis Ancona war ich getrampt. Und wie das so ist: nicht einer meiner Fahrer hatte einen Hut getragen. Hutträger nahmen niemals Anhalter mit. Seit England hatte ich halb Europa auf diese Weise bereist. Nie hatte ein Hutträger für mich gehalten. Ich hasste Hutträger.
Von Ancona setzte ich nach Griechenland über. Plötzlich war ich von Stahlhelmen umgeben. Hutträger. Faschistische Hutträger. Die Militärjunta hatte das Land unter der Knute. Bloß nicht auffallen hier. Die langen Haare verstecken. Schnell nach Athen, von dort auf das nächste Schiff und über Rhodos und Zypern weiter nach Haifa.
Man erwartete mich in einem Kibbuz nahe der jordanischen Grenze am See Genezareth. Er hieß Ashdot Yaakov Icchud. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, als Deutscher in Israel zu sein. Ich war sicher, daß mein blondes Haar und meine blauen Augen mich kenntlich machen würden. Aber ich war nicht der einzige Kibbuzznik mit blondem Haar, und niemand kümmerte es, woher ich kam. Hauptsache, es machte mir nichts aus, früh um vier auf einem offenen Lastwagen zu den Bananenpflanzungen hinauszufahren, um sie von altem Laub zu befreien.
Die Plantage war in Sichtweite des Jordan. Bewaffnete Kibbuzznik patroullierten, während wir arbeiteten. Zwischen den großblättrigen Stauden war es schattig, doch ab neun wurde die Hitze unerträglich. Ich brauchte Schutz.
Die Einheimischen trugen weiße Baumwollhütchen: abgeflachte Trichter mit schmaler, nach unten weisender Krempe. An der Seite war eine kleine Tasche mit Reißverschluß. Als wir gegen Mittag von der Arbeit zurück waren, ging ich zur Materialausgabe der Kibbuzverwaltung und bat um so einen Hut. Die Verwalterin, eine alte polnische Jüdin, verschwand im Magazin, kam mit einem hellblauen zurück, setzte ihn mir auf und lachte ein zahnloses, schallendes Lachen.
"Wo kommst du her?" fragte sie dann. "Bist du Deutscher?" Ich nickte. "Und noch so jung!" sagte sie, strich mir übers Haar und machte sich wieder an ihre Arbeit.
Wochen später saß ich in einem Cafe in Eilat. Es lag neben dem Busdepot und war Treffpunkt junger Reisender. Ringsum war nichts als sonnendurchglühter, von Steinen durchsetzter Sand. Das rote Meer war einen Kilometer entfernt.
Eilat war ein trostloser Backofen.
In diesem Cafe beginnt der Anfang vom Ende meines Kibbuzhutes. Aus großen Boxen dröhnte Musik. Die jungen Israelis suchten Kontakt zu uns Europäern. Sie hatten einen Krieg hinter sich, während wir in Europa der Flower Power erlegen waren. Tagelang saß ich hier und rührte mich nicht. Dann, eines Nachmittags, kam ein plötzlicher Wind. Ein Wirbel aus der Wüste. Ein staubiger Quirler, der wie ein Nylonstrumpf aus dem Himmel hing und heran war, noch eh ich wußte, was da geschah.
Er packte meinen Hut und riß ihn mit sich fort.

 

 

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