Dezember 2016                      www.hermann-mensing.de      

    

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Fr 2.12.16 10:26 dünne, hohe Bewölkung, sonnig, 8 Grad

Tag 23.204

Meinem Untermieter, den ich sehr ins Herz geschlossen habe, sind die Tage zu kurz, zu dunkel, zu kalt. Das ist kein Wunder, denn wo er herkommt scheint überwiegend die Sonne. Unser Klima, sagt er, mache ihn müde, worauf ich lächle und nur entgegnen kann, dass unsereins das schon ein ganzes Leben erträgt und dennoch nicht verrückt geworden ist.

Mein Untermieter ist Ingenieur wie sein Vater, sein Bruder und seine Schwester, ein maghrebinische Ingenieursdynastie, scheint es, die ich, wenn die Dinge laufen wie geplant, im Frühjahr 2017 besuchen werde, man hat mich eingeladen. Ich gelte als guter Gastgeber, den man Onkel nennt, was mir gefällt, denn es signalisiert Nähe. Vor vier Wochen konnte er kaum ein Wort sagen, heute spricht er in ganzen Sätzen, die zwar noch holpern und anstoßen, aber ich kann ihn verstehen, und bei dem Ehrgeiz, den er an den Tag legt, wird er das bald hinter sich gelassen haben.

Ich bin stolz auf ihn, ich schätze mich glücklich, dass ich ihn kennenlernen durfte, bedauere aber manchmal, dass seine Religion seine Essgewohnheiten so einschränkt. Zum Glück ist er kein Jude, denn deren Essgewohnheiten unterliegen noch weitreichenderen Einschränkungen. Er lebt vorwiegend von Spaghetti, weiß, wo er Hackfleisch vom hallal geschlachteten Rind kaufen kann, was in Münster kein Problem ist, es gibt hier viele Muslime. Fast alles, was er isst, würzt er mit Harissa. Hinzu kommt bestes Olivenöl, das er in zwei Literdosen mitgebracht hat. Es ist bald aufgebraucht, aber neues ist unterwegs, seine Mutter hat schon ein Paket auf den Weg gebracht.

Manchmal beneide ich ihn um sein fest umrissenes Weltbild, in dem er zu ruhen scheint, kein Alkohol, keine Drogen, eine enge Bindung zu seiner Familie, wie sie auch hier einmal galt, ich kann mich erinnern. Dazu gehört auch die Enthaltsamkeit vor der Ehe. Seit Anfang der Woche trainiert er mit dem örtlichen Fußballverein, er hatte mir erzählt, dass er zuhause 10 Jahre gespielt hat, und ich habe über den Sohn eines Nachbarn, der ebenfalls spielt, den Kontakt hergestellt. Sport ist eine mächtige Integrationsmaschine.

So läuft alles seinen Gang, während ich wie immer um diese Jahreszeit nur eines vermisse, meine Frau, die mir zur Seite steht, die mir hilft, Geschenke zu finden für die Söhne und Enkel, und die da ist, Tag und Nacht. Aber ich hab sie im Herzen.


So 4.12.16 23:32 schwacher Sternenhimmel -2 Grad

Tag 23.206

The Real Fullmooners haben getagt. Es war eine Konferenz, die gegen 2 Uhr endete. Eine der Improvisationen ging über 30 Minuten. Wer das hört, dem gehen die Ohren auf, oder er schaltet nach dreißig Sekunden ab. Wie alles ist das Geschmacksache. Ob sie spielen können, die alten Männer, von denen zwei schon in Rente sind? Man weiß es nicht. Man hofft jedesmal, man hofft und hofft, aber keiner der vier übt, alle sind Autodidakten und zehren von ihrer musikalischen Sozialisation, die im letzten Jahrhundert stattfand, was will man davon erwarten. Großen Radau? Ja, großen Radau. Pathetisch lyrisch großem Radau, den man auch Rock n Roll nennt oder Blues? Vielleicht. Besser wäre, es einfach Musik zu nennen, der sie die Treue halten, mehr ist es nicht, aber das ist sehr viel.


Mi 7.12.16 13:33 hohe leichte Bewölkung 4 Grad

Tag 23.209



einerseits
die schöne braut
andererseits ihr smaragdgrünes kleid
einerseits
im hintergrund das tiefe rot
andererseits das wort
das niemand sich zu sagen traut

engel singen ihre letzte strophe
unsere katze ruht auf ihr
dieser weg ist nun der letzte
er führt fort von hier
fort auf unsere insel tief im westen
sie besiegelt und erklärt den gästen
das was war
war wunderbar


Mo 12.12.16

Tag 23214

da ich nicht weiss
was andere nicht wissen
kann ich nicht sagen
was andere nicht sagen
über das menschenverachten
das töten
die leere der herzen
und die geschlossenen augen


Di 13.12.16 trüb 6 Grad

Tag 23215

Eh man sich versieht, liegt man auf der Kühlerhaube eines grauen Opels und schaut in die weit aufgerissenen Augen des afrikanischen Fahrers. Ob die auch bleich werden vor Schreck? Kurzer Check, nein. Geht es mir gut? Ja. Aber der Kettenkasten ist mittig gebrochen. Noch eh der Fahrer aussteigt, kommt eine Frau fortgeschrittenen Alters und sagt, ja, ja, der hat ja auch ein Ding im Ohr. Das darf man in Deutschland gar nicht, das ist verboten. Er hat tatsächlich eine Freisprechanlage fürs Smartphone am rechten Ohr. Die Frau möchte jetzt sicher noch mehr sagen über Afrikaner, sie hat es auf der Zunge, aber ich wimmle sie ab. Alles gut, sage ich, denn das weiß ich schon, mir fehlt nichts. Kleines Unglück verhindert großes, denke ich. Der Fahrer des Wagens steigt aus. Er ist sehr erschrocken. Er entschuldigt sich. Dreißig Euro, sage ich, dann lassen wir das mit der Polizei. Dann kann ich ja weiterfahren, sagt die Frau. Ja, ja, sage ich. Der Fahrer entschuldigt sich noch einmal, er habe mich nicht gesehen. So etwas kommt vor. Er gibt mir dreißig Euro. Wir verabschieden uns, wir versichern uns unseres Glücks, ich fahre zur Fahrradwerkstatt und lasse mir einen neuen Kettenkasten anschrauben. Dreizehn Euro. Reingewinn 17. Das geht doch.


Do 15.12.16 leicht bewölkt8 Grad

Tag 23217

Da hinten das Meer, davor der Strand und die Menschen. Der Himmel bleich blau. Der Sand geharkt. Das Wasser erträglich. Mittendrin bauchhoch ein Mann, der gleich zu gestikulieren beginnt. Er winkt, denken alle, ein Opa, der einen Enkel heranwinkt, einer, der für ein Foto posiert, hier, schaut, der Opa, noch gut beieinander, im Sommer 2016 am Meer. In ein Album wird das Foto es nicht mehr schaffen, Alben gibt es kaum noch. Er wird auf einer Festplatte enden oder in einer Cloud neben hunderten und tausenden anderer Fotos. Denkt man, denkt einer vielleicht, der am Strand liegt und den Mann sieht, der gestikuliert. Aber dann, die wenigsten bemerken es, dann hört der Mann auf zu gestikulieren und hebt sich sehr langsam aus dem Wasser. Wenn man verrückt genug wäre, so etwas zu glauben, würde man sehen, wie er aufsteigt, wie an einem unsichtbaren Seil senkrecht emporgezogen, so steigt er auf, und jetzt weiß man nicht mehr, soll das wirklich ein Foto werden, oder sind vielleicht irgendwo Kameras versteckt, dreht man einen Film über einen Mann, der bauchhoch im Meer steht, gestikuliert und dann senkrecht zum Himmel steigt. Aber dafür bräuchte man einen Kran, aber hier ist nirgendwo ein Kran, hier sind nur das Meer, der Strand, die Menschen, der Himmel, der Sand, also was geht da vor?

Der Sommer 2016 war alles andere als biblisch, der Sommer war wie mehr oder weniger alle Sommer seit damals, als es noch derartige Erscheinungen gab, durchwachsen, und der Himmel ein Ort, an dem Vögel und Flugzeuge unterwegs sind, aber doch niemals Männer, zudem noch Männer, die ihren Zenit längst überschritten hatten, dieser Mann jedenfalls, der da gerade aufstieg, langsam, Zentimeter für Zentimeter, und jetzt, jedenfalls schien es so, bemerkten die Umstehenden, dass dort etwas vorging. Vielleicht hatten sie zunächst gedacht, der Mann habe vorher nur im Wasser gekniet, und wäre halt aufgestanden, aber damit war nicht zu erklären, wieso er jetzt schon fast auf der Wasseroberfläche stand und dann gleich darauf schon zwanzig Zentimeter darüber, um dann, ganz plötzlich, mit einem irrwitzigen Schwung aufzusteigen, so dass alle sich die Augen rieben und glaubten zu träumen.

In gewisser Höhe blieb der Mann stehen, es mögen fünfzig oder hundert Meter gewesen sein, wie ein Drachen hing er da, doch dann begann er, Kunststücke zu fliegen, jedenfalls sagten das später alle, die zugeschaut hatten. Die, die ihre Smartphones emporgerissen hatten, um das Ganze zu filmen, denn das tut der Mensch ja, wenn er am Strand ist, er inszeniert, bildet ab, faket, die staunten später nicht schlecht, denn ihre digitalen Zweitaugen hatten nichts von dem registrieren können, was die, die nur zugeschaut hatten, im Brustton der Überzeugung erzählen. Aber wie es so ist, ein Ereignis ohne Bilder ist kein Erzeignis, und da Männer nie und nimmer aus dem Meer aufsteigen und am Himmel Kunststücke vollführen können, wie alle behaupteten, ging man davon aus, dass es sich wohl um eine Massenhalluzination gehandelt haben müsse, so wie die Menschen in biblischen Zeiten eben auch in Massen halluziniert hatten und dabei beließ man es.

Die Zuschauer aber bombardierten die Medien mit Fragen. Sie hätten nicht halluziniert, sagten sie, Lügenpresse, riefen sie, dieses Wort war gerade modern und passte für jede Gelegenheit, denn die Welt war derart aus den Fugen geraten, dass sowohl das eine wie das andere ständig zur unumstößlichen Wahrheit erklärt werden konnte. Die Medien wehrten sich. Die Spezialisten gaben Kommentare ab. Massenhalluzinationen seien nichts Ungewöhnliches, bis schließlich die Zeichnungen mehrer Kinder auftauchten, und die zeigten das Meer, den blauen Himmel und am Himmel diesen kunstfliegenden Mann, der, das allerdings muss angemerkt werden, verschiedenfarbige Badehosen trug, einmal rot mit weißen Punkten, dann weiß mit roten Punkten, aber da nahmen es Kinder mit ihrer Fantasie nie so genau, denn wozu sollte Fantasie sonst gut sein, wenn sie nicht dürfte, was sie will, und so kann man abschließend sagen, dass dieser Sommer ein Sommer voller Wunder war, die nie aufgeklärt wurden.

13:41

Der Imbiss steht auf der Düne, sie ist gepflastert, versiegelt, verengt sich auf der einen Seite zu einem sandigen Weg zum Meer hinunter, auf der anderen öffnet sie sich zueinem Kreisverkehr und dem Reservat, das im Süden bis an die Ij und weit in den Norden reicht. Vor dem Imbiss stehen ein Chinese und eine dicke blonde Frau, beide mittelalt, beide sich lebhaft unterhaltend, beide mit einer Tüte Pommes in der Hand. Sie ziehen ein Stäbchen nach dem anderen heraus, tauchen sie in Mayonnaise, lecken sich nach dem Verzehr die Finger, nehmen ein neues, als der Mann in einem Zappa-T-Shirt und einer rot-weiß gepunkten Badehose auftaucht. Gerade noch hat er die Menschen verblüfft, als er am Himmel Kunststücke flog, was er für sein Leben gern tut, ihm aber nicht immer gelingt, denn manchmal, nicht selten, bricht die Kraft, von der er nicht einmal weiß, woher sie kommt, weil sie ja gegen jedes bekannte physikalische Gesetz verstößt, einfach ab, weshalb es es vorzieht, überm Wasser zu fliegen, denn da ist ein Absturz zwar auch nicht ganz ungefährlich, aber da der Mann in der weiß-rot gepunkteten Badehose gelernt hat, zu fallen, ist es bis jetzt immer alles glimpflich ausgegangen. Man muss sich halt strecken und aufpassen, dass man dem Wasser so wenig Aufschlagfläche bietet wie eben möglich. Sich lang machen, die Arme voraus, die Hände wie Spaten aneinandergelegt, die das Wasser beim Eintauchen aufreißen wie schwere Erde, dann geht es. Der Chinese blickt kurz auf, als der Mann sich setzt, die dicke blonde Frau kichert, sie findet dessen Badehose albern, alles in allem aber bleibt der Mann unerkannt, unbemerkt, er hat auch das lange geübt, die Anwesenheit unter vielen so einzurichten, dass er nicht auffällt. Er hat ein halbes Hähnchen vor sich, so ein Kunstflug macht hungrig, und er mag halbe Hähnchen sehr. Eine Mutter mit zwei Kindern nimmt am Nebentisch Platz nimmt. Die Mutter ist eine gute Mutter, zeitgenössische, vegan Mutter, und Pommes sind immer vegan. Sie weiß so gut wie alles über gesundes Essen, aber Pommes, das darf. Aber dann fangen die Kinder an, auf den Mann mit der rot-weiß gepunkten Badehose zu zeigen, und iiii zu rufen, denn Hähnchen sind nette Tiere, und Tiere, die isst man nicht, das hat die Mutter den Kindern beigebracht und das haben die Kinder sofort verstanden, denn erstens glauben sie, was ihre Mutter sagt, und zweitens gibt es kaum Kinder, die Tiere nicht lieben, zumal Hähnchen doch gackern und lebensfroh scharren, wie kann man also bloß Tiere essen. Der Mann in der weiß-rot gepunkteten Badehose kriegt mit, dass die Kinder etwas an seinem Hähnchen auszusetzen haben, und er überlegt, was zu tun ist, dann sagt er den Spruch, der ihn selbst n Erstaunen versetzt, und das Hähnchen, gerade noch knusprig gebraten, steht auf und flattert davon. Da sind die Kinder vor Staunen sprachlos.


Di 20.12.16 21:07

Tag 23222

die sonne
hängt handbreit überm trägen meer
ein flugzeug ist im anflug
ein glas aperol spritz steht vor mir
menschen am wasser
möwen und dohlen
kaum laute
und schlaff hängende fahnen
unter einer ein mann
der das leben bei namen nennt
er hat von allem genug
er ist satt und darf sich zurücklehnen
den blauen himmel abmessen
der von hier um die erde geht
so dass anfang und ende eins werden
was ihn beruhigt
wenn auch nicht tröstet
denn trost findet sich nicht so leicht
immerhin ist er unbehelligt
hat wohnung und essen und monatlich geld
eine frau hat er auch
wer hätte das damals gedacht

 

Do 22.12.16 18:34

ich traf
meinen eigenen herrn
mit fünf oder sechs
er erschien
sagte guten tag
setzte sich zu mir
(die eltern stritten zwei zimmer weiter)
nahm den hut ab
legte ihn auf die bettdecke
schnippte mit den fingern und lüftete ihn
so kam ich zum vorschein
und winkte mir zu
seitdem bin ich mein eigener herr
und sage was ist und was nicht
auf der beerdigung heute
bot er mir eine an
und sagte
keine sorge
wir haben noch viel vor
aber der da
der macht's nicht mehr lange

20:23

Das blau lackierte Ruderboot ist zerstoßen. Es steht an einem abschüssigen Weg. Der Werg hat ausgefahrene, steinige Wagenspuren und in der Mitte Bewuchs. Ich steige ein. Ich habe kein Ruder. Das Boot beginnt bergab zu gleiten. Das Boot wird schnell. Ich halte es mittig. Es raspelt auf dem Kiel über den steinigen Boden. Mittig bleiben, denke ich, aber da ist es zu spät, es touchiert den Wegrand. Ich verlagere mein Gewicht, es schert zurück zur Mitte und wird immer schneller, schießt mitten ins Dorf und bleibt stehen. Dies ist das Dorf B. steht auf einem Schild, aber ich erkenne das Dorf nicht. Dies ist nie und nimmer das Dorf B., der Weg, den ich in hohem Tempo hinabgeglitten bin, muss der Falsche gewesen sein. Ich weiß nicht mehr, wie ich an dieses Ruderboot gekommen bin, das bessere Zeiten gesehen hat. Der Kiel ist jetzt aufgerauht und zersplittert, besser, man geht mit diesem Boot nicht mehr aufs Wasser, es würde lecken, bestimmt ist es leck und so schnell könnte man gar nicht schöpfen, jedenfalls nicht allein, man säße schon bald knietief im Wasser und gleich darauf wäre man versunken. Ob man sich bei dieser Kälte länge über Wasser hielte, ist fraglich. Das Ufer ist viel zu weit. Hat man also doch Glück gehabt, diesen Traumpfad zu finden, der ins Dorf B. führte, dass das Falsche ist, aber es gibt Schlimmeres.


Fr 23.12.16 10:16

Alle keifen, als hätten sie den Verstand verloren, dabei gilt es, Probleme zu lösen, nicht zu erfinden. Es gilt, kühlen Kopf zu bewahren, es gilt, den Rechtsstaat zu verteidigen gegen die Demagogen, es gilt, nichts übers Knie zu brechen, wie die Demagogen weltweit es vorschlagen mit "einfachen Lösungen". Für mich bleibt die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, eine der großen humanitären Entscheidungen unserer Geschichte. Sie ein Schlag gegen die menschenverachtenden Bestrebungen der Dschihadisten, die Welt zu zerteilen, ihr ihre Geschichte aufzuzwingen. Sie ist der Beweis, dass das dschhadistische Narrativ, der Westen hasse alle Muslime, falsch ist. Das bitte ich bei allem Entsetzen über terroristische Anschläge nicht aus den Augen zu verlieren. Daher meine Nominierung für Angela Merkel zum Friedensnobelpreis.


23:12

den ganzen tag habe ich gewartet, nichts ist passiert. viele, die heute atmeten, sind tot. andere sind längst begraben. ich warte weiter. sie hören weiter auf zu atmen. was soll ich machen?


Sa 24.12.16 14:28

das jahr ist abgesessen und verbraucht
es hat sich's schwer gemacht
es hat von vielem vieles ausgehaucht
es hat den globus neu vermessen
und über's maß gestaucht

paar tage noch
man betet hofft
man baut sich auf
mit schönem ist man gern auf du
bei schlechtem macht man beide augen


das jahr ist abgemessen und verbraucht
es hat sich's schwer gemacht
es hat von vieles vieles vieles ausgehaucht
es hat den globus ausgemessen
und über das gesunde maß gestaucht
paar tage noch
man betet hofft
man baut sich auf
das schöne will man gern vererben
dem schlechten gönnt man keinen neuen lauf


So 25.12.16 23:03

gastmusik

der eine sagt mir
dass er hier zu hause ist
und dass ihn johnny legend nervt
der nächste hat mit outkast
ein sehr schweres brett gesägt
die herren aus havanna machens wett
massive attack
vor jahren wochen nur im kreis gehört
kommen zurück und sind sofort zuhause
was steely dann nie schafft
weil gar nichts daran stört
warum geht love raises it's ugly head

von living color ungehört an mir vorbei
und max romeo hab ich auch nicht mitgekriegt
ich weiß noch
dass ich johnny liebling anbot
und nicht auf gegenliebe stieß
gustav war auch nix
worauf ich es ließ


Mo 26.12.16 13:14 sonnig 10 Grad

Gerade habe ich ihn davon abgehalten, Mon Cherie zu essen. Das ist Alkohol drin, habe ich gesagt, und er hat vor Schreck die Hände erhoben. Gott ist viel größer als Alkohol, habe ich noch gesagt, aber das hat er nicht verstanden, oder nicht verstehen wollen, denn sein Gott hat Regeln, die er einhalten muss, sonst fühlt er sich schlecht. Als ich mit zwölf oder dreizehn aufhörte, vorm Schlafen: Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm zu beten, machte mir das anfangs auch Angst. Das tut es schon lange nicht mehr, denn Gott und ich auf Du, und er verzeiht alles.


Mi 28.12.16 14:17 bewölkt 7 Grad

Wenn es schön ist, will ich nicht, dass es aufhört, also verwöhne das Schöne, es ist noch eitler als ich. Als es einmal von Jetzt auf Gleich gehen wollte, reichte ein Witz. Ich wiederhole ihn nicht, weil das Schöne am liebsten schreckliche Witze hört, es braucht geradezu schreckliche Witze, um noch heller strahlen zu können. Ich erzählte ihm also einen, den ich höchsten zwei Menschen erzählen kann, weil die nicht gleich die Hände überm Kopf zusammenschlagen, denn es liebt simple plottwists über dicke Nasen und querstehende Vaginen anderer Volksgruppen unterschiedlichster Pigmentierung. Gern auch über die absurden Dinge, an die wir glauben. Nun könnte man meinen, ein Witz verwöhne niemanden, aber ich verbürge mich, es funktioniert. Allerdings kann auch das Gegenteil eintreten. Wenn nämlich das Schöne derart vergrätzt ist, wie nur Schönes vergrätzt sein kann, hilft nichts. Wenn es weder reden noch hören geschweige Blicke wechseln will, und das über Tage, wenn ich es nicht einmal mehr zwischen den Damastbettbezügen finde, wo es sonst gern liegt, wird es zappenduster. Solche Tage sind verloren. Bilder verlieren ihre Strahlkraft, Musik klingt nach sinnlos aneinandergereihten Tönen, ich häng mich aber nicht gleich weg, weil ich weiß, dass es besser wird, ganz gleich, wie beschissen es ist. Allerdings weiß ich nie, wann. Ich weiß aber, dass es von Jetzt auf Gleich passieren kann, manchmal braucht es nur einen Witz. Danach ist alles zurück. Danach kann ich wieder frei atme und richtig küssen, danach weiß ich,, wie schön es ist, wenn es schön ist wie jetzt.


ca. 1978
in der Goldenen Krone während einer Katamaran Tour

ich hatte diese krankheit schon immer.


Sa 31.12.16 11:59 diesig 0 Grad

Ich habe überlebt und hoffe, es weiter zu tun. Alles Gute.