Februar 2014                           www.hermann-mensing.de          

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Sa.1.02.14 11:25

Um 10:48 wurde das Zimmer geräumt. Ich habe nun 93 Quadratmeter zur Verfügung. Ich werde sie durchforsten. In den nächsten Wochen wird einiges auf den Müll wandern, anderes werde ich aufpoliert in den Fokus rücken. Heute aber feiere ich die neue Zeit. Ab sofort gibt es keine Zwischenrufe mehr, ob qualifiziert oder nicht, nichts Liegengelassenes, keine offenen Türen, leider leider auch keine Geschichten mehr, großartige Geschichten, die werde ich sehr vermissen. Stattdessen nichts als Ruhe bis in alle Ewigkeit, das ist schrecklich und berauschend schön. Wird werden sehn, wie es sich anfühlt und ob's sich bezahlen lässt.


So 2.02.14 10:36

Schattenrisse an der Wand meines neuen alten Zimmers. Pflanzen. Eine Flasche. Ich werde ein luxuriöses Schlafzimmer daraus machen. Mit einem Sessel vorm Fenster, mit schönem Licht und Kunst an den Wänden. Ich habe es gerade vermessen und stelle mir einen Teppich vor. Handgeknüpft aus dem Orient, aus Seide vielleicht, mal sehn, was der Markt hergibt. Jetzt aber erst ein kleiner Ausritt mit dem neuen Auto. Es fährt sich wunderbar ruhig. Und ich will es bewegen. Ich habe noch keine Tour damit unternommen, aber die kommt bald, zum Meer.

13:24

komm doch, du napoleon schnitte,
schneid mich mitten durch die mitte,
lutsch mir zucker von der kruste,
lutsche mich ins unbewusste,
erst, wenn nichts mehr übrig bleibt,
fühl ich mich befreit.

schlag mir sahne aus der mango,
komm schon, tu, als wäre tango,
nimm die gabel, steche zu,
und dann hat die seele ruh



Mo 3.02.14 12 :57

Wenn sich in Fußgängerzonen Menschen aufeinander zubewegen, genügen in der Regel kleinste Signale, um einander nicht umzurempeln. Eine angedeutete Schulterdrehung, schon klappt der Verkehr. Heute früh, ich war auf dem Weg zur Stadtbücherei, klappte das erst nach mehrmaligem Richtungswechsel. Die Balkan-Bettler waren auch schon auf den Knien und hatten Hunger. Ich ignorierte sie, setze mich in mein Auto und fuhr davon. Dritter Tag meines neuen Lebens. Die Sonne scheint. Ich glaube, das Leben meint es gut mit mir.


Di 4.02.14 12:31

Vier Stationen habe ich abgefahren, um mich nach einem Teppich umzusehen. Einen Trödler, Möbel Staas, Roller und Teppich Kibek. Ich habe Teppiche gesehen, die man auf den Sondermüll bringen müsste. Es gab aber auch schöne, nur konnte ich die nicht bezahlen, vor allem den einen bei Teppich Kibek. Sollte also jemand einen schönen Teppich von der Größe 3 x 4 oder 2 x 3 haben, einfach Herrn M. anrufen oder ihm ein Foto schicken, vielleicht kommen wir ins Geschäft.

Im Übrigen leichter Horror Vacui in einer großen Wohnung allein mit der Vergangenheit, die mich anschweigt.

Mein neues Auto kostet weniger Steuern als das alte, weil weniger Hubraum und bessere Umweltklasse, und meine Vermieterin war bereit, meine Miete um 100 Euro zu verringern.

17:46

Dass Stille so umwerfend schön sein kann. Vorhin habe ich ein Regal ausgeräumt und drei Wäschekörbe voller Videos weggeworfen, gute dabei, Arthouse, Fellini, Woody Allen, fast alle selbst aufgenommen, aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eines angeschaut hätte. Die Restmülltonne war voll, also habe ich sie in die Gelbe Tonne gekippt.

Der Video Recorder funktionierte schon lange nicht mehr, den entsorge ich morgen. Und dann Hemden, Pullover und Hosen, im Keller die Hinterlassenschaft meiner Schwiegereltern, es gibt so viele Ecken, in die in den vergangenen dreißig Jahren etwas abgelegt und dann vergessen wurde. Überall werde ich meine Nase hineinstecken. Der Ballast muss fort, und wenn dann bald Frühling ist, habe ich eine neue Wohnung, die meine alte ist. Den Geist, der hier wohnt, miste ich nicht aus, der ist mir lieb, alles andere aber kommt weg. Und dann noch ein bisschen Farbe verstreichen, einen Teppich legen und Bilder aufhängen.

Jetzt aber zurück in die Stille. Die Sonne sinkt, der Himmel ist goldorange. Ich weiß noch nicht, wie ich den Abend verbringe. Mit Schreiben bestimmt nicht. Es liegt so viel Geschriebenes bei mir herum und nichts davon ist verkauft. Manchmal fürchte ich, dass es ewig da liegen wird, eh jemand etwas bemerkt, könnte aber auch sein, dass es noch zu Lebzeiten passiert.


Mi 5.02.14 9:45

Ein fahler Wald, nicht vertrauenswürdig, feuchtes Land, möglich dass Herbst ist, vielleicht später Winter, am Rand dieses Waldes Wiesen im Nebel, dennoch Menschen und Buden, wo es Bier gibt und Würstchen und ich Menschen erkenne, aber ihre Namen nicht weiß, bis auf ihren, denn mit ihr bin ich hier. Sie sagt, sie lebe mit einem anderen Mann. Ich sage, ich lebe mit einer anderen Frau. Der Himmel hängt tief und ist plötzlich voller Brausen, ohrenbetäubend der Lärm.

Flugzeuge, ruft jemand oder rufen viele, und alle schauen zum Himmel. Aber man kann nichts sehen, man hört dieses Brüllen und dann hört man Einschläge, eine Explosion, und im gleichen Augenblick sieht man Feuer zum Himmel steigen, dann wieder Brüllen, zweimal, drei- oder viermal, alle sind aufgeregt, es ist doch kein Krieg, ruft jemand, Absturz, ein anderer, wie können denn vier Flugzeuge abstürzen. Man weiß es nicht, man ist ratlos und trinkt Bier, schon kommen Feuerwehren heran, Fahrzeuge wie aus alten Filmen, und wir beschließen, fortzugehen, denn man weiß nicht, was noch geschieht. Und während wir gehen, während nicht weit von uns links in den Wäldern und Wiesen Flammen lodern, Rauchpilze aufsteigen und Löscharbeiten vonstatten gehen, sagt sie, dass sie zurück zu mir wolle, dass sie mich liebe und immer geliebt habe, und ich sage, ich weiß, ich dich auch, aber das geht jetzt nicht mehr. Dann ist der Traum vorüber. Ich rolle mich von der einen, von ihrer Matratze, aus der die Träume aufsteigen, auf die andere, ich verfluche meine Katze, die an der Tür kratzt, ich stehe auf, schließe das Fenster und schlafe noch ein Stündchen.

18:32

Roter Daunensack, blauer Kinderwagen, Hightech mit wenigen Handgriffen zusammenklappbar, und mittendrin aufrecht, ein Kind mit Mütze und Schnuller. Es schaut sich um. Es wird nicht älter als anderthalb sein, mithin kennt es all die Dinge um sich noch nicht mit Namen. Namen, das wird es ahnen, gehören zu Dingen, aber welcher Name zu welchem Ding, das ist noch zu früh. Denn wie der Mensch denkt, wenn er noch keine Begriffe kennt, das ist ein bestaunenswertes Geheimnis.

Man sieht, dass er staunt, dass er neugierig ist, seine Augen gehen hierhin und dorthin und manchmal geht sein Kopf gleich mit. So ein kleiner Mensch braucht jede Menge Erläuterung, damit die Welt sich ihm aufschließt und er nicht ewig da hockt, sonst würde er ein Kaspar Hauser oder sonst etwas, wenngleich er natürlich ein Mensch bliebe. Ein Mensch ohne Worte. Einer vielleicht, der den Wind verstünde, so einer, Wind und Bäume und all die übrigen Geräusche, die nicht vom Menschen kommen. Aber er hat ja eine Mutter dabei, und eine Mutter hat Worte, und so kann ich nur hoffen, dass sie ihn mit Worten versorgt, wie sie ihm den Schnuller wieder reinsteckt, wenn er ihm aus dem Mund fällt und all die andere Dienste leistet, die Mütter leisten und Väter. Eine komplizierte Geschichte ist das mit dem Großwerden. Andere fallen aus dem Mutterleib auf die Erde, berappeln sich und sind Stunden später schon putzmunter unterwegs, aber wir, nein, nada niente, wir brauchen und brauchen. Ich bin jetzt im 65ten und noch längst nicht fertig. Ich werde erst fertig, wenn ich fertig bin, und ich nehme an, allen anderen geht es genauso, bis auf die Großmäuler natürlich, die sind schon viel früher fertig und werden dann natürlich sofort große Tiere, die sich hinter großen Taten verstecken und vorgeben, alles zu verstehen. Aber das ist eine andere Geschichte.


Do 6.02.14
17:59

Schwerer Lawinenabgang, bitte nicht stören.


Fr 7.02.14
9:46

Es muss dieses Zimmer sein, in dem ich vor fünf Jahren allein zurückblieb, aus dem ich auszog und nun wieder eingezogen bin. Es scheint voller Träume. Schon wenn mich hinlege, spüre ich, dass sie darauf warten, aufzusteigen. Keinen der Menschen, die heute nacht mit mir in unterwegs waren, kannte ich. Dennoch waren mir alle vertraut. Das Haus, in das wir kamen, ein großes viktorianisches Holzhaus mit Veranden und breiter Eingangstreppe und etwas heruntergekommen, war von Menschen bewohnt, die ich ebensowenig kannte, wie die, mit denen ich dort Unterschlupf fand.

Wir schienen auf der Durchreise. Dass wir in Amerika waren, ist unbestritten, wieso aber Amerika, verriet der Traum nicht, wie Träume ja nie irgendetwas verraten oder dann letztlich doch. Ich weiß nur nicht, was. Dass ich alt war in diesem Traum, und dass eine Frau mich begleitete, die Gastgeberin, viel jünger als ich und mit schulterlangem, braunen Haar, ist ebenso unbestritten. Die Frau hatte einen Freund. Wir wollten ein Fest feiern, irgendwo auf einer Lichtung, es sollte Musik geben und wir würden tanzen, aber dann kam die Polizei und unterband das. Unterwegs auf einer Landstraße demonstrierte der Freund der Frau, wie er mit den Schlangen, die es dort zahlreich gab, umging. Ich hatte eine, die am Wegrand lag, mit einer Wasserpistole bespritzt, woraufhin sie mich angriff. Armdick und etwa zwei Meter lang, aber nicht etwa schlängelnd, wie zu vermuten gewesen wäre, sondern wie ein Rammbock vorstoßend. Er zerhackte sie mit einem Beil in mehrere Teile. Dann kam ein alter Mann auf einem Rad und der Traum endete.

Bei knapp 10 Grad warte ich nun darauf, dass der Tag vergeht, denn heute abend lese ich in Nordhorn.


Sa 8.02.14 14:23

Oft benötigt man eine Weile, eh man Veränderungen begreifen kann. Die Tatsachen sprechen dagegen, dennoch bleibt ein gewisses Staunen, das eine Weile herumirrt, eh das System sagt, gut also, es stimmt, du lebst jetzt allein, du hast einen Benz für 500 Euro gekauft, er hat Winter- und Sommerreifen, benötigt 8 Liter im Schnitt (inkl. Stadt- und Überlandverkehr), er rollt entspannt durch die Welt und vermittelt ein gutes Gefühl.

Mit so einem Gefühl bin ich gestern bei üblem Wetter nach Niedersachsen gereist, habe in der Stadtbibliothek Nordhorn eine runde und sehr entspannte Lesung abgeliefert, in einem Viersternehotel übernachtet, dessen Personal aufmerksam und freundlich war, fand ausgezeichnet, dass vor jedem Zimmer ein kleiner Holzkasten mit hochschiebbarer Glasscheibe hing, darin Romane renommierter Autoren, bestellte gleich nach Ankunft Hummer- und Tomatensuppe aufs Zimmer, die ein Kellner auf einem kleinen Tisch herein rollte, ein Korb leckeres Brot war dabei und Butter und Dipp, das Zimmer war ruhig, ich war nicht allein, der Hotelblues blieb mir also erspart.

Man hatte mir, weil ich ein Autor bin und man ja nie weiß, ob der Mann nicht vielleicht doch irgendwie Ruhm auf sich geladen hat, das Gästebuch auf den Tisch gelegt und mich gebeten, etwas hinein zu schreiben, und das habe ich getan, nachdem ich gelesen hatte, wer vor mir schon etwas hineingeschrieben hatte. Rainer Calmund war da, eine Schauspielerin namens Sawatzky oder Sawitzky, Golden Earing waren auch da, irgendein Tittensternchen und und noch ein paar andere, von denen ich noch nie gehört hatte, und jetzt also ich, und was schreibe ich?

Herrgott von Bentheim, sprach das Schwein, lass mich ein Schwein in Nordhorn sein, schrieb ich, und auf die zweite Seite: Sie haben Stil. Wir auch. Das, fand ich, hob sich wohltuend von den übrigen, sich einschleimenden Einträgen ab.

Der Frühling lässt auf sich warten, wenngleich sich hier und da
an Büschen, deren Namen ich nicht kenne, erste Blätter ausfalten, auf manchen Feldern steht Wasser, die Flüsse sind bis an den Rand gefüllt, ich habe gut verdient und war nicht knauserig, jetzt bin ich wieder daheim, troll mich aufs Sofa und versuche zu begreifen.

PS. Hotel am Stadtring, Nordhorn.


So 9.02.14 11:22

Alle waren erstaunt, dass ich zwei Stunden im Schneidersitz auf der Erde hocken und vorlesen kann. Ich kann nichts dafür, ich hab das ja nicht geübt, ich kann es einfach, und ich finde es bequem auf dem Boden, aber die anwesenden Eltern sagten, ihre Knie würde das niemals mitmachen, dabei waren sie dreißig Jahre jünger als ich, und da war ich nun erstaunt, weil man ja gern von sich auf andere schließt, und so könnte man sagen, dass ich mir in Nordhorn einigen Ruhm als Schneidersitzer erworben habe.

12:50

Ich trage einen dicken Pullover, Wind heult ums Haus, kein böser Atem, eher ein verwirrter Luftholer zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten. Seit zwei Tagen schon ist er unterwegs und weiß nicht wohin, deckt keine Dächer ab, ist aber stetes Geräusch, damit man nicht vergisst, dass erst Februar ist.

Morgen fliegt die Vergangenheit auf den Müll. Ich werde die Familie meiner Frau entsorgen, Fotoalben, die seit über einem Jahrzehnt unbeachtet im Keller liegen, was sollte ich sonst damit tun? Warten, bis auch ich nur noch Gerüst bin ohne inneres Pochen? - Nein, weg damit, sonst türmt und türmt sich das alles, und an irgendwem bleibt es schließlich doch hängen. Eh die Krokusse zu blühen beginnen, muss das weg sein, auch mein erster Gedichtband, den ich mit eigenem Geld drucken und binden ließ, eine atemberaubend hohe Auflage hatte ich mir zugemutet, ich war optimistisch und jung, es werden noch über hundert Exemplare sein, die müssen auch weg. Scheiß auf die Vergangenheit, man kann nichts damit anfangen, außer, man beginnt zu heulen, das kann man natürlich, über nichts kann man besser Tränen vergießen, als über die Vergangenheit. Sie lenkt so mild von der Gegenwart ab, dieses korrupte Durcheinander, in dem nur überlebt, wer mitspielt.

Sonntag also, ich rolle mich weg und lese, ich träume davon, dass mir jemand Kaffee und Zigaretten bringt, träume davon, dass ich glücklich bin, aber ich glaube nicht einmal, dass ich's könnte, das Glücklichsein ist eine mir fremde Kunst, über die ich nicht nachdenken will. In meiner Familie jedenfalls, in dieser kleinen Straße im westlichen Münsterland, gab es kein Glück, nicht, dass ich mich daran erinnern könnte. Nutzt nichts, ist Vergangenheit, kann man nicht ändern, bringt Kaffee, bringt Zigaretten, bringt Kuchen.

22:48

einerseits war nichts verloren,
andererseits war alles tot,
und im himmel voller toren
aß man faules brot.

einerseits hing grabesstille,
andererseits schrie es alarm,
und im stillen hing ein wille
müde über meinem arm.

einerseits gelang das schöne,
andererseits ging alles schief,
und der nächste auf der bühne
tat, als ob er schlief.


Di 11.02.14 14:37

unterwegs -
ein schritt ist mir voraus,
tränen hängen aus den wolken -
wird vor einem alabasterhaus
eine frisch geföhnte frau gemolken.

schlendre,
und ein schatten weht davon
worte, die ich liebe, gehen fremd,
meine autobahn summt einen ton,
der die frau enthemmt.

warte,
auf den giebeln hocken verben,
und
enthemmtes wird zum substantiv,
haupt- und nebensätze, die den himmel färben,
fliegen ungewöhnlich tief.

ankunft,
niemand ist zuhause,
weltzufuhr ist ausgeräumt,
träges schütteln, bin, ich glaube
eher erschüttert als verträumt.


Mi 12.02.14 13:50

Roman an den Lieblingsverleger geschickt. Gespannt. Heute abend tanzen. Nebenan tackern und bohren sie seit zwei Tagen. Nicht mal Miles Davis kommt dagegen an.


Do 13.02.14 00:21

Immer wieder hinterlässt die Zwiebel Eindruck bei Menschen, mehr noch aber die Linse, Erbse und Bohne. Daher wurden bei bilateralen Gesprächen in Washington und Kabul jetzt strategische Gesichtspunkte erörtert, die weiten Teilen der dort lebenden Menschen Mittel an die Hand geben sollen, sich ihrer vielfältigen Feinde resolut zu widersetzen.

13:58

Nichts ist vergessen, alles bleibt. Immer. (Chris 13.03.1953-17.06.2009)

18:20

Ich hatte einen schönen Tag. Habe bis vier in der früh Text korrigiert, bis halb zehn geschlafen, gefrühstückt, bis nachmittags Text zuende korrigiert, eingekauft, leckeres Essen zubereitet, mit M. über C. gesprochen, Blumen gekauft und höre jetzt Atom Heart Mother, seltsam verschwiemelt, als hätte es Pink Floyd nicht gereicht, Pop Stars zu sein. Nächster Programmpunkt: auf dem Sofa zusammenrollen und ein wenig dämmern.


Fr 14.02.14 10:24

Wer daran denkt und wer nicht, ist aufschlussreich. Danke an die, die daran gedacht haben und es mich wissen ließen. Das tat gut. .


So 16.02.14 14:06

I
ch war für ein paar Minuten an der Luft, die sehr frisch ist, weil ein ordentlicher Wind um die Ecken pfeift, aber in den Vorgärten macht sich Hoffnung breit. Winterlinge und Krokusse blühen, und die Menschen sind bereit zu Gesprächen. Gestern jedenfalls waren sie das, oder lag es an mir? Lag an dieser seltsamen Leichtigkeit, die mich umtrieb und mir zuraunte, dass nun alles anders würde, so wie es immer und jeden Tag anders wird, was ich immer wieder vergesse?

Möglich.

Als ich gegen acht erwachte, schien die Sonne ins Zimmer und zeichnete Schatten an die Wände. Vorm Fenster steht eine hohe Bananenstaude, und auf der Fensterbank ein Gewächs, das an Spargel erinnert, dünnfingriges Grün, das nach Licht greift und bei jedem Luftzug zittert. Schöne Schatten.

Mein altes Zimmer ist noch fast leer. Ich will versuchen, dass es so bleibt. Nur das Notwendigste hier, einen Platz für den Frühstückskaffee und die Zeitung unterm Fenster, mehr nicht. Früher war dies Schlaf- und Arbeitszimmer zugleich. Dazu
Küche, Wohnzimmer, zwei kleine Kinderzimmer, Bad, Toilette. Die Normfamilie: Mutter, Vater, zwei Söhne, gebrauchte Autos. Jetzt sind alle fort, und ich leiste mir den Luxus der Wohnung für mich allein. Einen Teppich habe ich schon gekauft, online. Ich konnte seinen Weg aus Malmö über Kopenhagen, Langenhagen und Nottuln verfolgen, zwei Tage bis dort, dann kam das Wochenende, bis montags schließlich in Transit im Beförderungsprotokoll stand. Ein paar Stunden später war er dann da.

Ein in Indien handgeknüfter Wollteppich, mit Siegel, das Kinderarbeit ausschließt, aber ob man's glaubt, anthrazit mit orangenen, grauen, hellblauen, türkisen, braunen und lila Elipsen. Blättern gleich. Er liegt auf uraltem, schäbigem PVC-Boden, da muss ich etwas tun und ich weiß auch schon was. Ich wüsste natürlich etwas viel besseres, aber ich muss jede Idee mit meinen Finanzen abgleichen. Da ist machbar, das nicht, sage ich.

Ich schlafe wieder im alten Bett und ertappe mich, dass ich meinen Arm ausstrecke, dieser ausgestreckte Arm, in dem sich Sehnsucht, Vorsicht und Furcht spannt, die Furcht vor Nähe und die Hoffnung auf Zuneigung, so liege ich da und die Vergangenheit ist so stark, dass ich mit ihr spreche. Dann greife ich mein Kissen und klopfe es, bis es sich richtig anfühlt.

Normalerweise bin ich um acht auf den Beinen, heute blieb ich bis Mittag liegen, ohne es recht zu bemerken. Den Samstagabend hatte ich vertanzt und zugeschaut, wie andere tanzten. Eine, die ich überhaupt nicht kannte und vierzig Jahre jünger war als ich, forderte mich auf. Ich glaube, sie wollte wissen, wie er sich anfühlt, mit einem so alten Tänzer zu tanzen. Es fühlte sich gut an.

Ich war mit einem großen Gefühl losgefahren war, mit einer Ruhe, die mich bestärkte, ich war guter Laune, denn ich weiß, dass ich das, was gerade beginnt und was ich als Abenteuer erlebe, meistern kann. Ich freue mich darauf, endlich zu wissen, wie das ist, das Leben allein, ich habe ja nie allein gelebt. (Zweckoptimismus?)

Im Frühling, sage ich mir, werde ich schon einiges geschafft haben.

Ich werfe im Augenblick viel auf den Müll. Ich will reinen Tisch, damit das, was übrig bleibt, die Überlebenden nicht über Gebühr belastet.

Schöner Sonntag, sage ich mir, zumal sich gestern abend plötzlich der Namen eines Romans einstellte, über den ich vor zwei oder drei Jahren zum erstenmal nachgedacht hatte. Ich weiß, dass es immer so anfängt. Ich bin auf der Spur, was kann man Schöneres sagen über das Leben allein. Alte Männer könnte der Roman heißen. Es geht um das Leben mit Rock n' Roll. Er wird in Makedonien spielen, in der Stadthalle Coesfeld, vorm Festspielhaus in Recklinghausen, in Hamburg und im Stevertal. Ein Jaguar E wird durch ein Kapitel rollen, Udo Lindenberg wird auftreten, ein Millionär wird einen Grammy für ein Programm erhalten, das er entwickelt hat, eine Brotfabrik in Witten an der Ruhr wird Schauplatz, wo sie den Protagonisten Obama nennen, in einem Archiv der Archäologen wird ein großer, paukenbäuchiger Mann sitzen und über sein Leben verzweifeln, ein Schrebegarten wird in Szene gesetzt, es wird Zimmer voller Lötkolben und Platinen geben, verschiedene Katzen, Wohngemeinschaften, Liebe und promiskuitiver Schwachsinn feiern Feste, von einem Jazzfestival in San Sebastian wird die Rede sein und noch von vielem anderen, von dem ich jetzt noch nichts weiß.


Mo 17.02.14 13:06

Fußleisten sind gestrichen und trocknen ab, gleich kommt die große Rolle, mit der ich die Wände neue streiche.


Mi 19.02.14 9:11

Gestern in einem Anfall jugendlicher Euphorie sieben Pakete Laminatpaneele gekauft, billiger als der PVC-Boden, den ich eigentlich hatte kaufen wollen, zudem geruchsfrei, aber wie verlegt man so etwas. Ich hatte das noch nie getan. Mein Plan, den Grantler H., der seit dreißig Jahren arbeitslos und zurückgezogen in kleinen Hütten hier und dort lebt, einzuspannen, da er ein Allrounder in handwerklichen Tätigkeiten ist, schlug fehl. H. will nicht arbeiten. H. will sein HartzIV plus Mietzuschuss, mehr will er nicht.

Also machte ich mich an die Arbeit. Gleich bei der zweiten Reihe wurde es kritisch, denn es galt, einen Versatz zu sägen. Ich zahlte Lehrgeld. Der zweite Versuch gelang. Nach der dritten Reihe wurde die Dinge deutlicher, jetzt war klar, dass ich die Paneele, waren sie erst einmal ineinander geschoben, mit leichtem Druck, einem Hammer und einer Holzvorlage, die ich parallel an die Paneele legte, noch dichter zusammenschieben konnte.

Gegen Abend hatte ich etwa die Hälfte verlegt. Heute mache ich den Rest, dann werde ich Viertelleisten anbringen, eine Gehrungslade habe ich mir vom Nachbarn ausgeliehen, dumm ist nur, dass ich keinen kleinen Hammer besitze. Meine Hämmer sind dick und schwer, die eignen sich für das Einschlagen kleiner Stifte in die Leisten nicht besonders, aber da werde ich bei den Nachbarn schon einen auftreiben können. Es ist noch viel zu tun, aber heute abend wird es geschafft sein. Erstaunlich: Blut ist noch keines geflossen. Ich bin sogar ein bisschen stolz, dass ich auf plötzlich mit handwerklicher Sorgfalt infiziert so etwas in Angriff genommen habe.

12:21

Kaffeepause. Die letzte Reihe wird problematisch. Ich muss jede Paneele auf ganzer Länge zusägen, um sie vor der Wand verlegen zu können. Das ist mit einer Stichsäge gar nicht so einfach. Außerdem muss ich die alten Viertelleisten von der Wand reißen. Aber gemach. Es wird schon geben. Die leichten Unebenheiten im Boden nehme ich hin, das wird sich, hoffe ich, festtreten. Spiel hat das Laminat auch, und so ist die Hoffnung nicht unbegründet, dass ich in zwei, drei Stunden fertig bin.

Interessant ist, wieviel Zeit ich damit verbringe, Werkzeuge, die ich gerade noch in der Hand hielt und dann weggelegt hatte, wiederzufinden, denn ich kann mich nicht mit mir darauf einigen, sie immer an einem bestimmten Platz abzulegen. Einzig mit dem Bleistift ist mir das gelungen. Die große rote Schere, die mit Sicherheit im Raum ist, habe ich seit gestern nicht mehr gesehen.

14:09

Jetzt Viertelleisten mit der Gehrungslade schneiden. Hab den Trick noch nicht raus. Melde mich später. Rechts/links sägen, rechts/rechts oder wie?

15:54

Was man alles zu hören bekommt, wenn man fragt. Besser, man fragt nicht. Die in den Raum gestellten Fragen beunruhigen nur. Hat das Laminat genügend Spiel? Es arbeitet ja. Nun - wenn es Holz wäre, würde es arbeiten, aber es ist kein Holz, es ist Pappe, vielleicht Pappe mit Sägespänen, wer weiß das schon, und so bleibt die Hoffnung, dass es nicht arbeitet. Dennoch, Spiel hat es. Jetzt werde ich's festtreten, aber die Viertelleisten schlage ich heut nicht mehr an. Die sollen mich bis morgen am Arsch lecken. Ich mache jetzt erst mal sauber.


23:00

Zwei Stürze, zwei Wunden. Einmal fiel ich beim Sägen einer Paneele von einem kleinen Tisch, auf dem ich kniete, um sie zu fixieren, denn ich muss improvisieren. Mir fehlt das richtige Werkzeug. Ich habe keine Kreissäge, die wie durch Butter schneidet, ohne die Paneele an den Ränder aufzureißen, wie das die geliehene Stichsäge von Zeit zu Zeit tat.

Darauf konzentriert, einen möglichst geraden Schnitt hinzukriegen, rückte ich ein wenig nach hinten, fiel und schlug mir an der Heizung eine etwa fünf Zentimeter lange Platzwunde in den linken Unterarm. Kein Blut, ein großes Plaster reichte. Später, mein Nachbar Nazmir und ich diskutierten den Gebrauch der Gerlade, saß ich am Boden, wollte aufstehen und stolperte ich über den Rand des Bettrahmens, den ich der Länge nach hochkant an die Wand gelehnt hatte (160x200), fiel mit ihm rücklings und schrammte mir das linke Schienbein auf zwanzig Zentimeter, aber auch das war nicht schlimm. Also zwei Mal Glück gehabt heute, das Zimmer fast fertig, der schon fast verloren geglaubte Freund hat sich gemeldet, das alles fühlt sich gut an.


Do 20.02.14 10:19

Es gibt immer den Tag danach. Da sitzt man, schaut sich sein Werk an, ist zufrieden und stellt fest, dass die gesamte Wohnung eigentlich grundrenoviert werden müsste. Schließlich hocke ich seit 30 Jahren hier und brüte Geschichten aus, habe ein glückliches, turbulentes Leben mit meiner Frau hinter mir, habe zwei Kinder großgezogen, zwei mutige Jungs, die ihre Pläne verfolgen, frühstücke, schaue in den von der Sonne gebleichten Morgen, nebenan wird noch immer geklopft, geschleift und geschlagen, da sind Profis am Werk, da bleibt nichts, wie es war, hier aber steht die Zeit, hat sich in jeden Zentimeter gefräst und fragt, wie's nun weitergeht mit Herrn M.

Heute passiert erst einmal gar nichts, denkt er, denn seine Muskulatur zeigt Ermüdungserscheinungen. Das Strecken beim Streichen, das Herumkriechen am Boden, zwei spektakuläre, gleichwohl glimpflich verlaufene Stürze, das alles muss er erst einmal wegstecken. Sauna, denkt Herr M., Sie könnten in die Sauna fahren, aber mit den Wunden vielleicht besser nicht, außerdem sind diese schwitzenden Nackten nicht gerade das, was er sehen möchte. Auf's Rad, denkt er, raus an die frische Luft, in die Stadt, sie bräuchten eine neue Hose. Auf's Sofa, denkt er, Arno Schmidt lesen, aber noch ist nichts entschieden, und so begnügt er sich mit einem Blick auf seinen Benz vor der Tür, der ihm noch immer das Gefühl eines Besserverdienenden suggeriert. Was so ein banaler Stern auf dem Kühler alles anrichten kann, erstaunlich. Dann reckt er sich, die Nacht fällt langsam von ihm ab, er hat nicht besonders gut geschlafen, noch lange hat er versucht sich vorzustellen, wie denn diese Viertelleisten auf Gehrung gesägt werden müssen, aber sein räumliches Vorstellungsvermögen ist eingeschränkt, da ist er ein bisschen unterbelichtet, aber schließlich kann er nicht alles können. Vielleicht erst einmal ein wenig Büro, denkt er dann, Künstlersozialkasse anrufen, hören, wie das mit der Rente wird, so Sachen. Ja, so Sachen, denkt er und hängt schon in einer Warteschleife mit Wiener Blut.


21:25

Wunderbarer Mittagsschlaf heute nachmittag, als ich von meiner Radtour in die Stadt zurück war. Hatte Max Post gebracht, mit der Barmer über meinen zukünftigen Versicherungsstatus gesprochen, den Kugelblitz im Laden besucht und abgesprochen, dass wir morgen endlich wieder gemeinsam tanzen, denn wir sind gut und wir wissen es, aber sie hat wenig Zeit. Dann kam ich bei Terzi vorbei, ein Laden, in dem ich immer gern Jeans gekauft habe, nicht zuletzt wegen der afrikanischen Verkäuferin, die auf Nachfrage Tipps hatte und herzlich war, so dass ich mir in diesem Laden, in dem Hip Hopper kaufen, nie alt vorkam. Herr Terzi stand betrübt herum. Ich hatte nicht gewusst, dass er seinen Laden aufgibt, ich wollte eine Jeans kaufen, ich hätte auch eine gekauft, selbst South Pole kostete nur noch fünfzehn Euro, aber ich fand keine passende.

Dann zu Oxfam. Dort sehe ich einen schwarzblauen Anzug, Größe 54, Seide und feinste Wolle für 20 Euro. Ich ziehe ihn an. Ich sehe gut aus. Aber - ist das nicht zu ernst? Trägt man so etwas nicht nur zu Beerdigungen und Hochzeiten, oder kann ich darin schlampen, ihm die Leichtigkeit zurückgeben, die ja auch in der Welt ist. Ich stelle mich vor den großen Spiegel und bin begeistert, gäbe es da nicht diesen Einwand und die damit verbundene Frage, ob ich das mit so einem Anzug schaffe, oder ob er mich schafft. Ich frage eine kleine Frau meines Alters, die schon mehrere Kleidungsstücke überm Arm trägt, was sie von dem Anzug hält. Ein feiner Stoff, sagt sie, die Hose passt, die Jacke ist ein wenig zu groß. Vielleicht kann man das ändern lassen, sage ich, obwohl ich oversize mag, seit David Byrne mag ich weite Anzüge. Ach, sagt sie, bei den Änderungsschneidern weiß man nie, ob die was können. Und zu ernst, ist der nicht zu ernst? Nein, lässig, sagt sie. Hmm, sage ich und erzähle ihr, was ich mir bei Oxfam schon alles gekauft habe, das ich mir anderswo nie hätte leisten können. Sie lacht. Ich lasse den Anzug hängen. Aber morgen fahre ich hin und hole ihn mir.


Fr 21.02.14 9:35

Ganz klare Strukturen heute. In die Stadt fahren, Anzug kaufen, weiter zum Baumarkt, Viertelleisten kaufen, nach Hause, Viertelleisten anschlagen, stolz zurücklehnen, mittags auf den Mark, Fisch kaufen, heute abend kleines Essen, Anzug anziehen und mit dem Kugelblitz tanzen.

20:49

Bislang verlief alles nach Plan. Jetzt noch ein wenig Körperpflege, der Mensch neigt zu Gestank.


Sa 22.02.14 16:44

Testosteron

Ich hatte auf die Lücke gewartet, um mit meinem Rad die Hauptstraße überqueren zu können, dann war sie da, ich war schon fast auf der gegenüberliegenden Seite, als dieser silbergraue Benz heran schoss und mir die Lichthupe gab. Ein junger Mann am Steuer. Coesfelder Kennzeichen (Chaoten ohne Ende). Ich retournierte den Mittelfinger. Reifen quietschten, nach fünfzig Metern stand der Wagen, er sprang heraus und schrie mir Flüche nach. Ich fuhr weiter und stellte mir vor, wie ich ihm die Fresse poliere. Er blutete sehr.

Im Baumarkt dann Heizungslack und Unterlegscheiben gekauft, denn seit das Laminat liegt, lässt sich die Tür meines Schlafzimmer nicht ohne Schleifgeräusch schließen. Mit den Unterlegscheiben lief die Tür unten problemlos, dafür stockte sie oben. Ich erklärte meinem Nachbarn das Problem. Er meinte, mit einem Bandschleifer ließe sich das erledigen, er habe einen. Wie schön, wenn man Nachbarn hat, die hochwertige Boschprodukte im Keller haben. Ich fuhr drei- viermal mit dem Schleifer über die entsprechenden Stellen, wobei die Maschine einen Zug entwickelte, dass sie mir fast aus der Hand rannte. Aber nun ist auch das getan, die Tür schließt, das reicht für heute.


So 23.02.14 13:00

In allen Weltreligionen gibt es eine geheime Formel. Ein Mantra, gehütet wie ein Schatz, denn es führt den Meditierenden ins Glück oder in den Wahn. Heute wird Herr M. nach Jahrzehnten der mühsamen Recherche das Geheimnis lüften. Es lautet: gerippte Heizkörper streichen, gerippte Heizkörper streichen, geripp...

18:27

Ich habe Nymphomaniacs von Lars vonTrier noch nicht gesehen, aber was ich bisher darüber gelesen habe, klang wie Porno für Intellektuelle. Dann doch lieber Your Porn?

18:48

ich sitze,
ich träume,
die beine gekreuzt,
die seele,
die jahre,
die tasse mit kaltem kaffee,
das neue zimmer,
die hoffnung auf klarheit,
der dichter,
der alles
und nichts kann.

das nachttuch im wind.

das leben,
das alphabet,
die lieben,
die liebe,
das alphabet,
dann und wann wahrheit,
ein schluck wein,

die musik im raum.

es könnte gelingen.

20:53

In Wirklichkeit habe ich den Coesfelder von der Autobahnbrücke geworfen.

Mo 24.02.13 9:56

Das neue Zimmer.





10:41

Zwei Platzwunden, die Gehrungen bis auf eine so la la, viel geflucht und beschworen, unterm Bett den Abschluss verpfuscht, aber ich staune. Jetzt wird der Rest der Wohnung dran glauben müssen. Ich checke gerade Messeware, lasse mir Muster kommen, und wenn die mir gefallen, kommen der Flur und die beiden Kinderzimmer unters Messer. Das passt zum neuen Leben. Mir gefällt das. Wenn alles fertig ist, ist der Frühling da, und ich kann wieder Romane schreiben.

16:34

Heute mit Vertreterinnen des Literarischen Coloquiums Berlin über die anstehende Literatour gesprochen. Die Konditionen sind gut, ich schreibe über meinen Korridor von hier bis zum Meer. Begleiten wird mich der Fotograf Roman Mensing, mit dem ich weder verwandt noch verschwägert bin, wir beiden verstehen uns gut, das wird Spaß machen.



Di 25.02.14 22:03

Ein Zimmer ist fertig und mein linkes Handgelenk schmerzt.
Das Hämmern ist ihm nicht bekommen. Deshalb habe ich mir einen Stretchverband gekauft. Er ist beige und hässlich. Vom Zivildienst kannte ich noch den Trick, wie man ihn bindet, ohne die Blutzufuhr zu unterbrechen. Ich benötige ein paar Versuche, jetzt sitzt er. Erstaunt war ich über den Preis. Ich hatte mit maximal fünf Euro gerechnet, aber er kostete 15,90. Vielleicht hätte ich besser in eine moderne Manschette investiert, aber ich fürchte, die ist nicht unter fünfzig Euro zu haben.

M. hatte mir geraten, heute nichts zu tun, um das Gelenk zu schonen, stattdessen habe ich die uralten Teppichfliesen im Wohnzimmer einer Grundreinigung unterzogen. Intensives Staubsaugen mit schmaler Düse, die ich durch jede Rille des Ziegenhaargewebes zog, anschließendes Einsprühen mit Reinigungsschaum und einarbeiten desselben mit der Bürste, zwei, drei Stunden warten, absaugen. Die Hälfte ist geschafft, den Rest mache ich morgen. Klare Vorhaben, kein Grübeln über Prosa, Zeitunglesen und Schlummern zwischendurch, gutes Grundgefühl. Ich komme zu mir. Das wird aufregend. Am Ende werde ich womöglich erwachsen.


Mi 26.02.14 11:05

Zu meiner Wohnung gehören zwei Keller, ein kleiner voll mit Nachgelassenem von Eltern und Schwiegereltern und ein größerer für mein Schlagzeug und die Manuskripte der frühen Jahre, als ich noch keinen Computer besaß. Morgen ist Sperrmüll. Ich habe mich über die Eltern und Schwiegereltern hergemacht. Habe den in Jugenstilmanier bemalten Paravent rausgetragen, Opa Fritzens Werk, die Bretter eines Regals, das über die letzten vierzig Jahre da und dort aufgebaut war, Kartons mit Schulheften und Büchern, das Tigerkissen, die alte Camping-Gaz Lampe, der ich nie über den Weg getraut habe, Töpfe und Pinsel, Koffer, typische Sechziger-Jahre Koffer aus Skai, einem Lederimitat. Was die wohl gesehen haben, dachte ich, und dann fiel mir ein, wie schwer ich es damals fand, mich von meinem Rucksack zu trennen, der mit mir durch die Welt gereist war, und dass es noch immer Augenblicke gibt, in denen ich ihm nachtrauere.

Gleich wird der Teppich abgesaugt. Es muss Zeiten gegeben haben, in denen Geld im Hause M. war, wahrscheinlich, als ich für das Radio gearbeitet habe, denn die Teppichfliesen sind das Beste, was im letzten Jahrtausend zu haben war. Heute kostet so ein Quadratmeter fünfzig Euro. Das Handgelenk schmerzt noch, alles Grobe ist getan, als nächstes werde ich den Flur vermessen und mit der Recherche nach geeignetem Teppichboden beginnen. Strapazierfähig, schön, nicht zu teuer.


Do 27.02.14 9:35

Baumärkte sind größer als Fußballplätze, zu bestaunen gibt es dort viele Dinge, noch bestaunenswerter aber als die Dinge an sich ist die Logistik, die hinter solchen Unternehmen steht, die von der kleinsten Schraube bis zur Baumaschine alles führen oder innnerhalb weniger Tage liefern können. Dort also schaute ich mich um.

M. war mit mir unterwegs, und es war abzusehen, dass sie im Gartencenter den Verstand verlieren und sich Saatgut kaufen würde, so wie sie das vor Wochen in einem anderen Gartencenter an einem Sonntagsmittag auch schon getan hatte, hier ein Tütchen und da noch eines, alles blüht und sieht prächtig aus, aber eh es so weit ist, muss die Saat vorgezogen werden, und das tut sie in kleinen Schalen und Töpfen auf ihrem Balkon.

Ich sah Teppichboden, der mir gefiel, er liegt zwei Meter breit, ich werde etwa 18 Quadratmeter benötigen, um den Flur auszulegen, an sich kein großes Problem, wären da nicht all die Versätze um die Türen herum. Aber ich werde es versuchen. Ich werde systematisch vorgehen, ich werde zunächst die Viertelstäbe abmontieren, ich werde genau vermessen, und dann ab in den Baumarkt.

19:10

Ein Teppichmesser ist geradezu prädestiniert, sich butterweich in Finger, Oberschenkel oder sonstwo zu schneiden. Man kann sich sogar seines Teils in größter Nebensächlichkeit
entledigen. Trotzdem ist nichts passiert, danke. Nur der übliche Tepppichverschnitt, kaum Flüche, keine gravierenden Unregelmäßigkeiten. Den kleinen Pfusch, der jede Arbeit erst interessant macht, werde ich morgen mit Viertelstäben vertuschen. An den Abschlüssen unter den Türen muss ich noch ein wenig feilen, zwei Quadratmeter Teppich sind noch zu verlegen, ich muss hier und da streichen, dann hat es sich mit dem Renovieren, und ich bin bereit für den Frühling, für das Leben danach und davor, je nachdem, wie man's sieht.

Mein Auto ist mir noch immer ein wenig unheimlich. Ich fahre es gern, aber ich lausche hinein. Etwas so Günstiges muss doch einen Haken haben, denke ich, dabei habe nur noch nicht kapiert, dass ich Glück hatte. Ich habe Glück, und ich habe es, weil ich weiß, was Unglück ist. Ich fühle mich wohl in meinem neuen Leben. Nach 65 Jahren kann ich tun und lassen was ich will. So ein Luxus ist nicht zu bezahlen. Man kann ihn nicht kaufen. Er ist ein Geschenk.


Fr 28.02.14 10:04

Der Fachmann im Baumarkt freute sich, dass ich meinen Laienstatus freimütig zugab, schließlich sind Baumärkte Orte für Laien, die immer etwas zu tun haben, und wenn nicht, die Initiative ergreifen, um etwas zu tun zu haben. Wir diskutierten, wie man den Boden mit möglichst wenig Verschnitt verarbeiten könne und einigten uns auf ein acht Meter langes und zwei Meter breit liegendes Stück, ein ca. zwei Quadratmeter großes für die Ecke zur Toilette und ein ein Meter breites für die Versätze zu den Zimmertüren.

Fast fertig weiß ich jetzt, wie man Laminat verlegt, Teppichböden und Gehrungen schneidet, wobei das Wort Gehrung erst seit Beginn der Arbeiten Eingang in meinen Wortschatz gefunden hat. Seinen etymologischen Hintergrund kenne ich nicht, da muss ich mal forschen. Nach dem Einkauf tat ich, was mehr oder weniger alle tun, die eingekauft haben, und noch nicht recht wissen, wie der Einkauf fachgerecht zu verarbeiten ist. Angstfraß, dachte ich, ging zum Imbisswagen vorm Eingang des Baumarktes, in dem eine mollige Frau Mitte 30 ums Überleben kämpfte und bestellte eine extralange Krakauer.


11:45

Die Kommode neben der Wohnungstür ist uralt, voller Gebrauchsspuren, aber ich mag sie. Sie hat einen Aufsatz, der bis auf die Vorderseite rundum läuft, etwa 5 Zentimeter hoch. Als ich sie gestern umstellte, brach ein Stückchen von der hinteren rechten Ecke ab. Ich legte es irgendwohin und machte mich auf die Suche nach einem Kleber. Ich hatte ihn vor nicht allzulanger Zeit gesehen, konnte ihn aber nirgendwo finden. Als ich ihn Stunden später doch fand, war das abgebrochene Stück nicht mehr da und hält sich noch immer versteckt.
File under: unerklärte Phänomene.

By the way: ich bin fertig. Viertelleisten anschlagen und farblich nachbessern werde ich Anfang nächster Woche. Es reicht erst einmal. Ich muss ruhen.

14:57

Proudly presenting...





Zur Belohnung:
Grenalottenborstel an Rennstauch mit feinen Gemsbalken.
Dazu geholchtes Pressferch in Walgmark.
Als Dessert: Framschboisgizeh.
Der Wein: 2009 Rattenhammer Gailtrom.