Januar 2024                   www.hermann-mensing.de      

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Mo 1.01.24 12:07 grau

Vor ein paar Tagen las ich, dass man "In the air tonight" von Phil Collins um 23:54:30 starten müsse, um zu Mitternacht zu dem berühmten Schlagzeugfill zu gelangen. Möglich, dass alle unsere Uhren falsch liefen, jedenfall ballerte das Fill eine Minute zu früh los. Ich hatte die Tür zum Balkon weit geöffnet und den Verstärker auf maximale Lautstärke gestellt. Soviel zum Silvesterfeuerwerk, das auf meiner Straße im Vergleich zum Vorjahr sehr zurückhaltend ausfiel. Ansonsten noch leichte Achseninstabilität nach einem Abend mit leckerem Essen, Champagner und Backgammon.


18:44

Ich mag Feiertage nicht. Wenn sie vorbei sind, atme ich auf. Kaum aus dem Bett fühlte ich mich hundert Kilo leichter, ich schwebte fast, ich musste mich kurz festhalten, kneifen, feststellen, ja, es stimmt, ab sofort geht es aufwärts. In Ruhe gefrühstückt, nach Mittag mit der Aprilia über Land Richtung Schapdetten, durchs Stevertal, über den Rücken der Baumberge am Longinusturm vorbei, nunter ins Loch nach Billerbeck, von dort nach Laer und über Hohenholte zurück. Vorm Südhang der Baumberge regnete es sich ab, aber kaum auf dem Berg hörte es auf. Das Land zum Südosten düster, zum Nordosten aufgerissen, manchmal mit ein wenig Sonne. So war ich eine Stunde unterwegs und kreuzte das graue Westfalen, ein Sumpf. Kaum zuhause begann es zu gießen. Ich stimmte meinen Bass, was nicht ganz einfach ist, denn tiefe Frequenzen höre ich schlechter als hohe. Als er zu Police passte, saß ich in der Küche und versuchte, So lonely zu begleiten. Davon angespornt lud ich mir Weather Report Live in die Pipeline, setzte mich ans Klavier und improvisierte. Singlenotes meist, manmal den Bass in der linken, dann und wann einen Akkord, im Prinzip aber Harmonielehre, Tonhöhen identifizieren, dazu spielen. Jetzt gibt's Essen. Morgen geht es mit dem Roman weiter.


Di 2.01.24 14:29 grau feucht

Wieder einer dieser herzerwärmenden Januartage, die mich mit wohligem Grau empfangen, das an Marazzi Marmor erinnert. Die Luft ist seit Wochen hochprozentig mit H2O angereichert, ich sammle der Regen in Silberkannen, es ist reinstes Wasser, das ich für meinen Kaffee verwende, der Wind geht mäßig, für einen Suizid besteht kein Grund, wenngleich alle Voraussetzungen erfüllt sind. Die ersten 32 Seiten meines Romans "Das grüne Kleid" sind zwanzig Mal ausgedruckt und warten auf den Versand. Am 2. Februar fliege ich vom Flughafen Düsseldorf nach Palma de Mallorca, setze mich in ein Auto, kreuze die Insel und verbringe die erste Woche in Port Soller, die zweite in Porto Christo. Die Mandeln werden blühen, Orangen fallen von den Bäumen und die Sonne scheint. So anheimelnd ist dieser 2. Januar 2024, so großartig sind die Aussichten, dass man singen möchte und überlegt, wie man all das Wasser nach Afrika exportieren kann. Vielleicht sollte man Römer zu Rate ziehen, die verstehen etwas von Aquädukten.

17:39

Mein Drucker, häufig Grund für Verdruss, hat heute tadellos gearbeitet. Ich rechne ihm das hoch an.


Mi 3.01.24 17:08 Dauerregen

wolkenloch
schnell aufs rad
baumarkt fahrn
fahrrad raus
regen geht los
ankommen
regen hört auf
baumarkt hat's nicht
rad aufschließen los
regen fängt wieder an

Die Aa hat sich wieder beeindruckend ausgebreitet. Von der Brücke flussaufwärts steht auf auf einer Breite von 50-100 Metern das Wasser. Ansonsten Büro für die nächsten zwei Tage noch, denke ich. Der eine Verlag will's als PDF, der andere Papier, wieder andere wollen gar nichts. Aber ich komme voran. Das Jahr ist noch jung, wenn ich alle Angebote auf dem Weg habe, erhöht sich die Chance auf dreißig weitere Absagen. Bis auf die eine Zusage.


Do 4.01.24 grau

glücklich
gräbt ein mann
ein loch
und versenkt
das militär
und weil' sich
so gut anfühlt
fliegt's kaptial
gleich hinterher

17:33

Büroarbeit. Schon über dreißig Verlage bemustert.


Sa 6.01.24 grau 16:05

Das Grau wird gewalttätig. Selbst Optimisten springen von Brücken in Hochwasser führende Flüsse, während die Pessimisten frohlocken, sie hatten es vorausgesagt und sehen keinen Grund, es den Optimisten nachzutun. Ich habe gute Nachrichten. Nachdem die ersten zwölf digital zu bemusternden Verlage mein Manuskript auf der Festplatte haben, erhielt ich gestern, einen Tage nach Abschicken, folgende Mail: Sehr geehrter Herr Mensing,
vielen Dank für Ihre Geduld für die Einsendung Ihres Manuskriptes und das damit bekundete Vertrauen in unsere Arbeit. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir gegenwärtig keine Möglichkeit sehen, Ihren Roman im Rahmen unseres Verlagsprogrammes zu veröffentlichen. Für Ihren weiteren schriftstellerischen Weg wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute! Das ist promptes Lektorat.

23:41

Das Einzige, was übrig bleibt, ist Alles.


So 7.01.24 13:30 gerade noch sonnig

Im Dorf kann man keine Briefmarken mehr kaufen, der Servicewunderland verweist auf das Internet, da bestellt und druckt man aus, schneidet zurecht und klebt sie auf Umschläge. Zwei Briefkästen gibt es noch, griesgrämige Veteranen einer versunkenen Zivilisation, die ein verstecktes Dasein führen und einmal pro Tag geleert werden. 31 mal habe ich die Flagge der Hoffnung gehisst, aber Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ein fast 75jähriger noch eine Chance hat, oder? Immerhin schien heute früh zum ersten Mal seit sechs Wochen die Sonne länger als eine Viertelstunde. Euphorisiert von diesem Phänomen kippte ich mir zwei Clappercenium aufrecht in der Pfanne gebraten (quoth Helge) in die linke Herzkammer, tütete Exposés und erste Kapitel ein und machte einen Spaziergang. Das Leben meint es gut mit mir. Alle Türen stehen offen. Noch 26 Tage bis Abflug. Airbus A 320, zwei Flügel, zwei Triebwerke, ein Ziel: Palma de Mallorca. Gleich mache ich mich auf den Weg zum Tango. Alors enfants...die traurigen Gedanken tanzen. Hier und da ein wenig Nähe. Pulverschnee in den Rillen der Dachpfannen gegenüber. Die schwarzen Brüder tanzen auf dem Wind.

22:46

sie schweben
arm in arm
vorbei am gestern
und schreiben eine episode mehr
von ungefähr
kommt eine leichtigkeit
und kräftig ist der wind vom meer
ganz nah ist immer kurz davor
und das davor ist hinterher
es tanzen königin und tor
ins licht und nichts ist schwer


Mo 8.01.24 23:35 sonnig

Die Heizung war kaputt. Ich ging in den Keller, startete sie neu, sie feuerte, aber die Pumpe schien nicht zu funktionieren. Ich rief den Notdienst. Ich war auf allerhand vorbereitet, auf den Wochenanfang, auf den blauen Himmel, die Sonne, den kalten Wind, aber auf und die Ernüchterung, die mich erfasst hatte, seit ich die Manuskripte heute früh in den fast bis an den Rand gefüllten Briefkasten steckte, nicht. Seit Oktober habe ich intensiv geschrieben, in den letzten drei Wochen redigiert und Büro gemacht, heute sollte das Schreiben weitergehen, aber ich hatte keine Lust. Also zog ich mich warm an und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Münster. Nicht, weil ich dort irgendetwas zu erledigen hatte, sondern des Gehens wegen. Die Flutflächen links und rechts der Aa sind wieder trockengefallen. In den letzten zwei Monaten war das hin- und hergegangen. 31 Kormorane saßen auf dem Steg des Segelboothafens. Der Aa-See muss ein gutes Revier sein. Hinter der Tormin Brücke hörte ich das ferne Hupen der mit ihren Treckern protestierenden Bauern. Ich sah einen Pullover, der mir gefiel, kaufte ihn aber nicht. SALE steht überall. Ich ging ins Marktcafé und las die Dorfzeitung. Die Stadt war nicht sehr bevölkert. Auf dem Weg zur Bushaltestelle traf ich jemand aus meiner Vergangenheit. Wir mögen uns. Wir sagten nicht viel. Ich dachte, mehr wird nicht passieren und fuhr heim. Die Heizung war noch immer kaputt. Ich startete sie wieder neu, danach funktionierte sie.


Do 11.01.24 13:18 grau

Das Grau, das nach drei Sonnentagen endlich zurück ist, wurde schon gestern als Hochnebel angekündigt. Wie soll man Wolken von Hochnebel unterscheiden, dachte ich, beides ist Grau, beides ist hoch. Ich wusste es nicht. Dann kam wieder dieser Verdacht. Die Herrschenden (Illuminaten, Amerikaner, Russen, der Islam, die jüdische Weltverschwörung oder wer auch immer) hatten Chemtrails ausgebracht, um die von den Wirrnissen der letzten drei Jahre ermüdeten, enttäuschten und großer Teile ihrer Kaufkraft beraubten Bürger einzunebeln. Aus sicherer Quelle weiß ich, dass sie diesen Hochnebel mit Kokain, Laudanum und Scheißegaltropfen anreichern, anders ist Verhalten der Bevölkerung nicht zu erklären. Hochagressives Autofahren, Verrohung der Sprache bei kleinsten Unregelmäßigkeiten, Unachtsamkeit an jeder Ecke, Vernachlässigung wohin man schaut, so oder so ähnlich reimt sich der Hochnebel in mir zusammen. Ein wenig verängstigt (hatte ich es denn nicht immer geahnt) nehme ich mein Sauerstoffgerät und inhaliere. Jetzt geht es mir besser. Ich unterzeichne noch schnell eine Petition gegen, eine für und eine für weiß ich nicht, so in meiner tiefen Menschlichkeit bestätigt lasse, ich es mir gut gehen, schniefe täglich Regenwald in Form von Tempos weg, starre auf Seite 33 von momentan 110 Seiten meines Romans und warte auf Erleuchtung. Ich weiß, da kann ich lange warten, aber was sind schon knapp 75 Jahre in einer von tiefem Humanismus geprägten Welt.


Fr 12.01.24 00:27

Auf dem Hinweg war mir in einer Kurve das Vorderrad nach links weggerutscht, aber ich konnte ausgleichen. Auf dem Heimweg durch die Stadt sah ich Streuwagen. Ich fuhr langsam. Ich folgte der Promenade bis zum See, vorbei am Möwenpick die Sentruper Straße Richtung Zoo. Immer noch keine Gefahr, jedenfalls schien es mir so. Im Scheinwerferlicht entgegenkommender Autos aufleuchtender leichter Nebel. Ich dachte, das ist Heimat. Ich war sehr verliebt. Lange Schatten tanzten mit Nebelshwaden links und rechts über die Felder. Auf der Autobahn üblicher Verkehr. Die zeitgenössische Limousine vermittelt unangemessenes Sicherheitsgefühl. Kaum 500 vorm Ziel dann eine Rechtskurve. Ich nahm sie langsam, vielleicht zu langsam, wer weiß. Das Rad rutschte links unter mir weg, ich landete auf dem Arsch, der sich für die nächsten 100 Meter wie aufgerissen anfühlte. Ich hatte Mühe, auf die Beine zu kommen, die Straße war spiegelglatt. Ich schob das Rad, von dem ich mir Stabilität fürs Gehen versprochen hatte, es glitt aber bei jeder Unebenheit zur Seite. Dummerweise trug ich Schuhe mit Ledersohlen, ich konnte nur schlurfen. Ich hätte schlindern können.


Sa 13.01.24 22:0 grau, was sonst

Session in Coerde. Beste Bedingungen, und zum ersten Mal in Wunschbesetzung: Bass, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug, Trompete. Gestandene Männer mit Kindern, Häusern, Erfolgen und Misserfolgen. Bis auf einen alle im Rentenalter, aber der arbeitet dran, burnout und momentan 30% Behinderung, mit dem Ziel, 50% zu erreichen. Der Bassist hat alle Clubtoiletten Deutschlands gesehen, der Gitarrist Jahre zwanzig Jahre Psychoanalyse und Psychopharmaka hinter sich, der Keyboarder war für den Grammy Lifetime Award in Electronics nominiert, der Schlagzeuger schreibt und schreibt. Vom ersten bis zum letzten Ton groovte es, vier Herzen im Beat. Der Gitarrist hat einen Sack voll eigener Lieder, Leadsheats für alle, er ist eigenwillig und will eine Band. Ich will sie auch. Der Keyboarder und der Trumpeter ebenso. Der Bassist hat noch ein achtjähriges Kind, eine 90jährige Mutter, und ist, da er schon alle Clubtoiletten kennt, nicht mehr so scharf drauf, Bandequipment in ein Auto zu laden und irgendwohin zu fahren. Aber wir werden ihn umstimmen, denn er weiß, mit wem er es am Schlagzeug zu tun hat, und ich weiß, dass ihm gefällt, was ich spiele. Wir sind tight und brauchen nur einen Blick. Vier Stunden haben wir Musik gemacht. Bei den alten Männern, mit denen ich 13 Jahre unter Ausschluß jeder Öffentlichkeit Musik gemacht habe, war die Kapelle schon high, es es losging. Nüchtern ist schön. Proben ist schön. Da sollte ein Break sein, sagt einer, und dann fängt man von vorn an und spielt ihn. Ich bin glücklich, dass sich eine Band anbahnt. Unsere erste Session haben wir zu Dritt gespielt: Gitarre, Schlagzeug, Trompeter. Da war schon klar, das könnte was werden. Jetzt sind wir zu fünft, und die Zukunft strahlt.


So 14.01.24 20:59 grau, was sonst

Der Tag begann mit einer Schusswunde. Er ist zwar noch nicht zuende, aber sie blutet noch.

21:00

heut war's
als hätte alle welt beschlossen
die traurigsten gedanken aufs parkett zu bringen
ein ringen um den besten platz im neuen jahr
die luft war schwer von all den dingen
die nicht zu lösen sind
und trotzdem wahr


Mo 15.01.24 13:54 bisschen Schnee, immerhin heller

Schöner Tag sagen, wenn die Wunden bluten. Gerade deshalb Schöner Tag. Gut ausgeruht gegen halb zehn in die Hosen, die Küche aufgeräumt, gefrühstückt, das Salz vom Weinfleck vorm Sofa aufgesaugt, im Dorf von der Bayerin mit Grüß Gott empfangen, bisschen was gekauft, nach Hause gegangen, Idee gehabt. Expose und 20 Seiten von "Mitten im Geschwätz" eingetütet. Klavier gespielt. Improvisation über Cis Fis Bb mit Halbtonschritten rauf und runter. Reicht eigentlich für heute.

15:30

schnee treibt
und zündet die erinnerung
an meinen rodelberg im park
geschätzter höhenunterschied 5 meter
den schlitten vor den bauch
zehn schritte anlauf und dann druff
und wenn es gut war
schaffte ich es bis zum denkmal
ein bus zwei spatzen
fliegen meine futtersäule an
und noch mehr treiben
bringt mir berge
jetzt bin ich hackl schorsch


Di 16.01.24 12:52 fifty shades of grey, Schnee liegt in der Luft

Die Tuba ist das Instrument des Jahres. Ein volltönendes Blech, gestern im Hot Jazz von einem kräftigen Sachsen geblasen. Cantaloupe, Chicken und Well you needn't schlug er vor, aber so richtig in Schwung kamen wir nicht, das Blech schien mir schwerfällig, ich weiß nicht, ob es am Instrument lag, am Spieler oder an mir, am Bassisten jedenfalls lag es nicht. Auf der Heimfahrt dichtes Schneetreiben. Heute bisschen Büro. Heute Abend Oldie-Band-Probe.


Mi 17.01.24 18:00 grau

In meiner Küche hängt ein Vailant Wassererhitzer. Seit 1984 wurde er dreimal erneuert. Er hatte immer das gleiche Problem. Einer der Drehregler, mit dem ich die Zufuhr für Wasserhitzung und seine Ableitung regulieren konnte, funktionierte nicht mehr. Zuerst war er schwergängig, dann ganz kaputt. Das Ventil wurde nie ganz dicht. Jedes Mal war ein Fachmann gekommen und hatte gesagt, das nutzt nix, der ist kaputt, da muss ein neuer hin. Mein gegenwärtiger Vailant hat schon seit geraumer Zeit das gleiche Problem. Ich habe ihn regelmäßig entkalkt, aber es half nicht. Heute früh habe ich den Drehknopf abgeschraubt. Es kommt dann ein Messingventil zum Vorschein, aus dem ein etwa ein Zentimeter langer, geriffelter Stift ragt. Auf diesem Stift sitzt ein Plastikhütchen, ebenfalls außen geriffelt, das sich in den abgenommenen Drehknopf einpasst, und, wenn alles gut ist, die Drehbewegung auf den Stift überträgt und so das Ventil reguliert. Ich zog es ab, weil ich dachte, vielleicht komme ich der Sache so näher. Aber das Hütchen zerbrach, und mit der Zange ließ sich der Stift nicht drehen. Da hatte ich den Salat, wie vor vier Jahren. Ich steckte das zerbrochene Hütchen und den Drehknopf ein und fuhr zu einer Sanitärhandlung um die Ecke. Jemand hörte mich an, sagte Moment, verschwand, kam mit einem Hütchen zurück, glich ab, sagte, ja, der muss passen, auf dem Stift ist eine Nut, da müssen Sie ihn ansetzen, und dann erst den Drehknopf aufschieben. Ich tat wie geheißen, und jetzt funktioniert es wieder. Was bekommen Sie? fragte ich. Er winkte ab. So ein kaum daumennagelgroßes Plastikhütchen hat mir 190 Euro für einen Neukauf erspart. Und der Fachmann, der mir vor vier Jahren einen neuen Wassererhitzer anschraubte, hat mich beschissen oder war kein Fachmann. Um halb zehn hatte ich also die erste große Tat hinter mir, begann mit der Arbeit, sprach mit meiner Lebensgefährtin, die Wellen legten sich, es geht weiter. Ab morgen auf Seite 110.


Do 18.01.24 13:31 sonnig und kalt

Kleine Landpartie. Schneereste. Hier und da glatte Stellen. Die Sonne bringt Frühlingssehnen.


21:29

Ganz Münster hasst die AFD hatten sie auf die Hauswand der Post am Domplatz projiziert. Wir haben eine Weile vorm Marktcafé sitzend mit einem Bier protestiert. Hass ist krass, Lieber ist krasser! Dann haben wir uns unter die Menge gemischt. Wir standen dicht an dicht. Es ging weder vor noch zurück. Überall Menschen. 12000 liest man. Gutes Gefühl. Wir riefen "Nazis raus". Im Chanon jetzt, meinte ein junger Mann. "Ganz Münster hasst die AFD" aus voller Kehler, man schreit ja sonst nie. Ganz Deutschland hasst du AFD wäre noch besser. Ihr mit allen Mitteln des Rechtsstaates das Wasser abgraben, Geldhähne schließen, Konten einfrieren, und soziale Reformen auf den Weg bringen, die den Menschen, die heute nicht demonstrierten, Menschen, die sich abgehängt fühlen, Bedingungen garantieren, die ihre verletzte Ehre wieder aufrichtet. Aber schleunigst.


So 21.01.24 14:00 bleigrau

Bleigrau nach zwei Sonnentagen. Ruhig bleiben. Lieder singen, Klavier spielen, mich über Else freuen, die das Vogelhaus nutzt, wo sie doch lieber am Boden herumhüpft und sucht. Ruhig bleiben. Ich kann's sowieso nicht ändern. Die letzten zwei Tage habe ich mit Licht Schatten von Daniel Kehlmann verbracht. 480 Seiten, die man so wegliest. Eine interessante deutsche Geschichte, sauber recherchiert, man staunt, professionell erzählt und sehr unterhaltsam, aber Lichter steckt er mir nicht auf. Ich stehe auf Romane, für die ich Monate brauche. Für Mallorca stecke ich Ulli Isses ein. Da komme ich auf einer Seite aus dem Staunen nicht raus. Manchmal genügt schon ein Satz. So bin ich über die Jahrzehnte bis Seite 76 gekommen. Eine Suppe steht auf dem Herd, die braucht noch Stunden. Zwei Stückchen Flockensahne warten. Die Küche ist warm und gemütlich. Es geht mir gut. Alles Lüge?


Mi 24.01.24 21:36

Windig und feucht. Gestern war ich kurz vor der Tür, heute nicht. Ich stecke mitten im Roman, die Zeit fliegt nur so weg. Jetzt ist Feierabend. Vielleicht streame ich noch n Film, lesen kann ich nicht mehr und morgen ist wieder Roman. Bis zum Abflug am übernächsten Freitag ist Roman und dann hoffentlich Frühling.


Fr 26.01.24 00:13

Kleine Tour gegen Mittag, Stehlampe gekauft, Cappuccino in der Sonne getrunken, entspannter Plausch über Motorradfahren mit dem Mann neben mir, dann heim und am Roman gearbeitet. Es wird. Wir sind auf Seite 136.


Sa 27.01.24 17:41 strahlender Tag

Geruhsames Frühstück, mit dem Rad durch die Alvingheidenach nach Tilbeck, Cappuccino und Kuchen, zurück durch den Brock, an der Burg Hülshoff vorbei, die Bücher der letzten Monate ins Regal geräumt, die CD's ebenso, bisschen geputzt und versucht, einen Adobe Auftrag zu stornieren. Sollte einfach sein, ist es aber nicht.


Mo 29.01. 2413:44 strahlend

Die Frage, was man anzieht, wenn man am 2.02.24 bei Temperaturen um Null Grad gegen halb drei in den Zug steigt, nach Düsseldorf fährt, zwei Stunden am Airport rumhängt, den Flieger boarded und zwei Stunden zwanzig später im Vorfrühlung landet bei 15 und 20 Grad, ist noch nicht entschieden. Wahrscheinlich ist die Zwiebel die Lösung. Die Aufregung steigt. Mit den Göttern wurde schon Rücksprache gehalten. Sie werden tun, was sie tun können.


Di 30.01.24 12:38 mild, bewölkt

Gestern feinst Musik gemacht. Nach fast 15 Jahren freier Rock-Improvisation lerne ich Formen spielen, A und B Teile, Bridges, Refrains. Vom Jazz bin ich das gewohnt, beim Rock taste ich mich langsam heran. Vom Trommeln und Reisefieber bin ich ein wenig erschöpft. Der Hinflug ist online eingecheckt. Gearbeitet wird bis zum Abflug nicht mehr. Es fehlt die Konzentration und der Wille. Stattdessen: langsam durchs Haus putzen, Sachen zurechtlegen, spazieren gehen, Rad fahren. Den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Mehr kann man nicht tun. Aber wohin mit dem Gras?

22:21

ja
das große haus
hat risse ja
das große haus
stürzt bald
ja
sag niemand nicht
er wisse
nichts er sei zu kalt


Mi 31.01.24 14:30 bewölkt

Schlecht geschlafen. Müde. Hoffen, dass der angekündigte Streik nicht unseren Abflug verzögert. Im Prinzip bin ich für einen weltweiten Streik, alle sollen die Arbeit niederlegen und erst wieder aufnehmen, wenn das Kapital entmachtet ist, aber für die Zeit von Freitagfrüh bis Freitagmittag bitte ich darum, unseren Abflug nicht unnötig zu verzögern. Ansonsten: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.


18:20

Der Roman stagniert auf Seite 140. Das klingt erst einmal gar nicht schlecht, denn ich bin seit Ende Oktober dabei. Zwischendurch habe ich einen alten Roman auf Vordermann gebracht. Der neue bringt mich an Grenzen. Manchmal verhöhnt er mich. Sieg oder Niederlage, sagt er. Mit Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung hat das nichts zu tun. Ich bin derjenige, der scheitert oder nicht. Ich hab ihn mir eingebrockt. Einen Roman über jemanden, der nicht mehr schreibt, ist nicht einfach. Die letzten Tage rochen nach Scheitern. Davor gab es eine Woche, da flog ich mit Laurence Sterne und James Joyce. Nun fliege ich aber erst einmal auf die Insel, Der Rechner bleibt zuhause. Das PDF vom Roman, das ich mir zum Lesen aufs Tablett laden wollte, lade ich nicht hoch. Ich will weg. Ich sitze herum wie Falschgeld. Nichts klingt richtig. Weder das Klavier noch das Schlagzeug. Ich brauche Aufheiterung. Ich hoffe, die Sonne wird dazu beitragen. Die Wettervorhersagen sind gut.