Juni 2016                      www.hermann-mensing.de      

    

mensing literatur
 

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zum letzten eintrag


Do 2.06.16 8:27

Als Schüler der vierten Klasse der Dr. Konrad Adenauer Grundschule in G. fragten, wie man Schriftsteller wird, sagte ich, das könne ich nicht genau sagen, aber bestimmt habe es mit Träumen zu tun. Man hat einen Traum, man träumt, was man werden möchte und manchmal wird man es. Wie es denn mit ihren Träumen bestellt sei? Ein Mädchen sagt, sie wolle Tierärztin werden, und wisse das, seit sie zwei Jahre alt sei. Ach!, sage ich. Erstaunlich. Tierärztin ist ein sehr beliebter Traum. Die Jungen wollen Fußballer, You-Tube-Star oder Beamter des SEK zu werden. Einer sagt Schönheitschirurg. Das hatte ich vorher noch nie gehört. Auch You-Tube Star war mir neu.


Sa 4.06.16 15:05

Ich bewege mich langsam, selbst das ist zu anstrengend.


So 5.06.16 17:29

Überall hat es gekracht, und viel Wasser ist vom Himmel gefallen, hier nicht, außer in kurzen Schauern. Dabei ist alles zu trocken und bräuchte dringend mehr, aber gesittet, nicht 80 Liter pro m2. Den Tag habe ich mit einem Bad im Kanal begonnen, nach dem Neujahrsschwimmen die Sommerpremiere. Kanalschwimmen ist Sommer. Der Kanal ist 10 Kilometer von meinem Wohnort entfernt, mit dem Rad etwa 40 Minuten. Aber wenn ich in Münster bin, so wie heute, sind es vom Bett bis zum Kanal kaum zehn Minuten. Wir waren die ersten im Wasser. Das Wasser war frisch und nicht so klar wie letztes Jahr. Ich schätze, das liegt an den Baustellen, sie verbreitern den Kanal ca. 500 Meter vom Badeplatz entfernt Richtung Schleusen. Ein Angler sitzt am Ufer. Er hat drei Angeln. Wir schwimmen zur Kanalmitte, um ihn nicht zu verärgern. Ich rufe ihr zu, dass die Angler immer mehr Angelrouten auswerfen, früher hätten sie es mit einer getan. Stimmt, sagt sie. Wenig weiter steht eine junge Frau im Bikini. Sie will ins Wasser, hat sich aber noch nicht entschieden. Noch skeptisch, frage ich, und sie sagt, ja, zudem schwämme dort eine tote Elster, da warte sie lieber, bis die weg sei. Wir schwimmen zurück. Sie geht ins Wasser. An der Badestelle beim Bennohaus spielen drei Kinder. Zwei springen vom Steg, nur der kleine mit dem längeren Haar sagt, das traue er sich nicht. Die Eltern sitzen auf den Treppenstufen. Beide sind stark tätowiert. Vom Ende seines Brustkorb abwärts steht Killin' in einer Arial ähnliche Type, waagerecht durchkreuzt von zwei parallelen, daumenbreiten schwarzen Streifen Wir trocknen uns ab und setzen uns. Der Mann sagt, passen Sie auf, da liegt Glas. Mist, sagt sie. Der Mann besorgt sich einen Besen vom Ruderverein und fegt das Glas weg.


Di 7.06.16 9:45

Gestern am Beach lustlos das Tanzen vertagt, stattdessen in den verglimmenden Abend nach Hause geradelt. Die Wiesen um den Aasee sind Partymeile geworden. Dort wird gegrillt, dort wummern Boxen, dort liegt am nächsten Morgen Müll. Heute auf dem Balkon gefrühstückt. Der Himmel ist blau. Ich könnte den Tag in einer Hängematte verbringen, aber das wäre meinem Projekt hinderlich. Das Projekt heißt: Don't give up. Nachdem ich gestern mit vielen Verlagen telefoniert habe, werde ich sie heute mit Gedichten bemustern. Was für ein Spaß wäre das, wenn ich einen Verleger fände: ein 67jähriger Autor, der mit Gedichten debütiert. Die Wahrscheinlichkeit ist mehr als gering, unabhängig vom Alter ist sie das bei Gedichten sowieso, dennoch muss es versucht werden.

22:32

ganz unbehelligt liegt madame auf einem sofa,
und auf ihr, unbehelligt, zwei drei kater später,
knattert auf der verlass'nen straße noch ein mofa
und unbehelligt sind auch irgendwo zwei väter.


Mi 8.06.16 21:25

hummeln bestäuben rhododendren
der himmel singt ein blaues lied
ich bin von vorn und allen enden
nur der beobachter im zweiten glied


Fr. 10.06.16 9:45

schon wieder freitag
gestern war noch letztes jahr
jetzt mittag
und was sonst noch alles war
erfahren die
die in der falle sitzen
und täglich über mehrwert schwitzen
wenn sie den letzten ton georgelt haben
eh sie sich selbst begraben


Sa 11.06.16 12:23

Lisbeth Gruwez / Voetvolk

We're pretty fuckin' far from okay...

beschäftigt sich mit dem Zustand der Welt, mit uns und der Angst. Dieser Zustand ist Gegenwart, seit wir die Frucht vom Baum der Erkenntnis aßen, er ist also Teil von uns, aber da die Welt täglich komplexer wird und wir immer zahlreicher, rückt er mit Vehemenz in den Vordergrund unserer Wahrnehmungen. Angst. Angst vor Krankheit, Krieg, Angst vorm Fremden, Angst vorm Tod. Angst ist ein urzeitlicher Warnmelder, sie hat uns befähigt, zu überleben, hat aufgemerkt und gesagt, kämpfe, hau ab oder stell dich tot.

Das Licht verlischt, im vorderen Drittel der quadratischen, grauen Grundfläche der Bühne sitzen die Akteure auf Stühlen und bewegen sich nicht. Gruwez links, Vladyslav rechts. Auf der Hinterbühne zwei rechteckige, grüne, verschiebbare Elemente, die den Raum abschließen. Lange geschieht nichts. Gar nichts. Man schaut auf die Tänzer, in die noch kein Leben gefahren ist. Von fern hört man Geräusche, diffus erst, dann - langsam - lauter werdend - Atem.

Der Atem der Akteure, aus dem Maarten van Cauwenberghe das Sounddesign für diese Inszenierung gebaut hat. Die ersten Bewegungen, kaum wahrnehmbar. Ein Fuß, der in Zeitlupe seine Stellung ändert. Oberschenkel, die sich öffnen und schließen. Beine, die übereinandergeschlagen werden. Noch weiß man nicht, ob die Angst schon im Raum ist, oder noch außen vor, aber dann erhöht sich die Atemfrequenz, und man spürt, wie sie aufsteigt und den Raum füllt.

Die Tänzer reagieren. Sie wehren das nicht Sichtbare mit Händen ab, sie versuchen, wegzuducken, raufen sich das Haar, versuchen, herauszubekommen, was sie bedrängt und woher es kommt, aber das ist das Schlimme bei Angst, sie hat keine Richtung, sie kommt von überall und zerrt an den Tänzern, die zunehmend panisch werden, aber dann, zwei, dreimal, ist sie plötzlich fort, es herrscht Friede für Augenblicke, ein Freeze, um doppelt schlimm zurückzukehren.

Panische Attacken. Steht doch auf, denkt man nach einer Weile, rennt fort, denn jetzt ist die Angst überall, man spürt und man atmet sie, aber irgendetwas stimmt nicht, die Tänzer kommen nicht von den Stühlen fort, so sehr sie sich winden. Es muss noch schlimmer kommen, die Atemfrequenz nähert sich der Hyperventilation, und dann - endlich - schafft es erst der Tänzer, schließlich die Tänzerin, den Stuhl zu verlassen.

Ihre Schultern heben und senken sich. Die Stühle verschwinden und man weiß später nicht, wie sie verschwunden sind, denn man hatte zu tun, man war fokussiert auf die Tänzer. Sie verharren. Die Angst hat ihnen den Atem geraubt. Dann beginnen sie, den Rückraum der Bühne zu erforschen. Sie gehen aufeinander zu. Ihre Körper nähern sich einander. Langsam jetzt, ganz langsam, eine Hand findet die andere, manchmal stehen ihre Körper in 45 Grad Winkeln gegeneinandergelehnt, umeinander geschlungen, man weiß nicht, womit sie ringen, sie reißen an ihrer Kleidung, sie hoffen auf Frieden, aber man sieht, dass die Angst anstrengt, ihre Körper glänzen schweißnaß, Ekstase ergreift sie, Ekstase kann beides sein, Angst und Freude. Sie sind am Boden. Jede Bewegung ist rhythmisiert. Akkorde steigen auf, dann ist es vorbei. Don't worry, be happy.

Vier Vorhänge für die Tänzer, und jetzt, ganz zu Ende, gestatte ich mir ein Adjektiv: großartig. Das kann jeder sagen, aber erst, wenn er es selbst gesehen hat. Heute Abend, Samstag, 11.06.2016 um 20:00 Uhr im Pumpenhaus Münster.


So 12.06.16
12:26

Die Staubmäuse haben verschiedene Größen. Meine Mutter und ich ignorieren die kleinen, wir heben nur große auf. Die sind wirklich groß, man kann sie vor sich hertragen, und das Besondere ist, dass sie faltbar sind, oder besser, ausfaltbar wie große Fallschirme, deren einzelne Bahnen verschiedenfarbig sind, solche Staubmäuse finde Mutti überall, aber sie kommentiert das nicht, nein, es ist eher so, dass sie sie mit großem Interesse bestaunt, mich herbeiruft oder ich sie, und wir uns Mühe geben, sie beim Ausfalten nicht zu zerstören, denn so eine Staubmaus ist fragil, man muss vorsichtig sein. Dann ist es plötzlich 8:15, ich rolle mich aus dem Bett, wanke zur Toilette, und auf dem Rückweg sehe ich eine Staubmaus vorm Bett, aber die gerade mal daumengroß und nicht bunt.


Mi 15.06.16
17:00

Man schweigt.
Man hatte Antworten erwartet.
Stattdessen wurde alles noch verworrener.
Man näht sich den Mund zu.
Man träufelt sich heißen Wachs ins Ohr.
Man wird nie wieder sprechen.
Man will nie mehr hören.


Do 16.06.16 10:56

F. ist Mitte Dreißig, aus meiner Perspektive ist das noch jung, er kommt aus dem Kosovo, lebt seit einem Jahr in Deutschland, ist Muslim, der den Ramadan nicht praktiziert, hat eine Frau, die raucht, eine dreijährige Tochter und einen sechs Monate alten Sohn. Man lebt vom Sozialamt. F. ist ein netter Kerl, wie man so sagt, der Autos reparieren, Fliesen legen und Zimmer tapezieren kann, nur Deutsch kann er nicht. Er kann fragend schauen, wenn ich ihm etwas erkläre, aber er begreift so gut wie nichts, und da frage ich mich, wie das gehen soll mit ihm in der Republik. Die Zeiten, in denen Jobs auch für weniger Qualifizierte auf der Straße lagen, sind längst vorbei, heute versteht man oft nicht einmal mehr die Anforderungsprofile der Firmen und Konzerne, oder wussten Sie, dass Facility Manager nichts weiter als Hausmeister bedeutet? Also, da ist dieser junge Mensch, der Kosovo hat harte Zeiten hinter sich, aber auch die Bundesrepublik muss sehen, dass sie rumkommt, alles kostet, alles geht kaputt, die Interessenlobby sowohl der Industrie als auch der internationalen Politik zerrt an allen Ecken und Enden, und da sind diese Entwurzelten, die vor Kriegen und wirtschaftlichem Kollaps, vor Korruption und Willkür hierher gekommen sind. Wir stecken sie in Unterkünfte und Maßnahmen, gut gemeinte Maßnahmen, ich sehe sie einmal die Woche, Männer zwischen zwanzig und fünfzig, die (in diesem Falle) von einem Ethnologen in Gebräuche und Sprache der "Eingeborenen" eingeweiht werden, und frage mich, wozu das gut sein soll? Diese Menschen haben viele tausende Kilomter mit nichts als dem, was sie tragen konnten, hinter sich gebracht, sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um zu überleben, sie müssen also mit vielen Wassern gewaschen sein, aber wollen sie wirklich hier leben und arbeiten und Kinder großziehen? Sollen wir sie auf ein Leben in der Obhut der Sozialämter vorbereiten, oder eher auf ein Leben, dass danach trachtet, die politischen Verhältnisse ihrer Herkunftsländer zu stabilisieren, damit sie eines Tages zurückkehren können?


Fr 17.06.16 15:30

Chris 13.02.1953 - 17.06.2009

das schönste kleid
reicht nicht
das schönste kleid
muss schöner sein
schöner
noch schöner
ich sah es
es strahlte
ich wusste
sie wird es tragen
wenn alles überstanden ist
jetzt ist es überstanden.
aber anders
als erhofft


Sa 18.06.17 12:29

Fünfzig Meter Hainbuchenhecke werden es gewesen sein, der ich gestern mit einer elektrischen Heckenschere zu Leibe gerückt bin. Anschließend schmerzen die Oberarme und die Hände sind so taub, dass man kaum ein Glas halten kann. Heute tut der ganze Körper weh. Das ist nicht gut, denn in wenigen Stunden treffen die alten Männer aufeinander, um Musik zu machen. Bis dahin folge ich einem strikten Regenerationsprogramm. Heiße Wanne. Entspannungsübungen. Ruhe. Wir werden sehen.


So 19.06.16 14:20

Die alten Männer, die sich gestern die Nacht mit Rock 'n Roll um die Ohren schlugen, sind schon so alt, dass sie noch wissen, dass Wohnzimmer, die "guten Stuben", selten bewohnt wurden, und in Sesseln manchmal Väter saßen, die nichts mehr zu sagen hatten. Die alten Männer sind so alt, dass sie die Traumata, von denen heute jeder spricht, der sich einmal erschrocken hat, noch aus erster Hand von den Väter kennengelernt haben, die nicht einmal wussten, was Traumata sind. So alt also sind diese Männer, die den Rock 'n Roll mit der Muttermilch aufgesogen haben und immer noch spielen, aber sie sind nicht zu alt, um der Zukunft ins Auge zu blicken. Herr M. etwa, der gerade in einen Tesla S. steigt, den Herr S. (der einzige der alten Männer, der es zu materiellem Wohlstand gebracht hat) seit geraumer Zeit fährt. Er läßt sich kurz einweisen, staunt, dass das große Display beim Rückwärtsfahren zeigt, wohin sich der Wagen bewegen wird, ganz genau ist das abzusehen, eine virtuelle Spur ist in das Abbild gerechnet. Abstände vorn und hinten, links und rechts, soviel kann Herr M. gar nicht auf einmal wahrnehmen, und jetzt fährt er erst einmal langsam und vorsichtig über die Waldweg zur Hauptstraße, um dort in drei Sekunden von null auf 100 zu beschleunigen. Lautlos. Unmittelbar. Das, das weiß Herr M. augenblicklich, ist die Zukunft, die in der Gegenwart angekommen ist, und er ist froh, dass er sie kennenlernen durfte. Nimm mal die Hände vom Steuer, sagt Herr S. noch, denn das kann so ein Tesla auch, allein fahren.


Mo 20.06.16 1407

Sie darauf hinzuweisen, dass es ab morgen wieder zügig weihnachtet, ist müßig, Ihnen aber etwas über Ü 40 Parties zu erzählen, nicht, denn die versprechen Spaß bis ins Alter, während der Hinweis auf Weihnachten eher verdrießlich stimmt. Ü 40 also, in Räumen, die sehr niedrig sind. Auf zwei Tanzflächen bewegen sich Menschen beiderlei Geschlechts zu Rockmusik. Alle schwitzen. Die einen können es, die anderen nicht, allen ist Einsamkeit ins Gesicht geschrieben, denn obwohl diese Party dafür gemacht ist, dass Alleinstehende sich näherkommen, bleibt die Frage, wie das gehen sollen, wenn man es nicht einmal fertig bringt, miteinander zu tanzen. Und so tanzen und tanzen sie ihre mehr oder weniger gelungen Choreographien, geredet wird kaum, man würde eh kein Wort verstehen, und dann sind sie ganz verblüfft, als plötzlich ein Paar unter ihnen auftaucht, das zur gleichen Musik tanzt, gemeinsam.

22:28

jeden tag
wiegt es ein bisschen schwerer
ohne unterlass
wird volles leerer
jeder augenblick
trägt einen trauerkloß
was ist los
was ist das bloß
jeder tag
verlässt die bühne
und mit unbewegter miene
tanzt er tango mit der leere
jedem kommt er in die quere

Do 23.06.16 11:08

Die Toten geistern herum, alle, die um diese Jahreszeit gegangen sind, Mutter, Vater, Tante, sie. Ob oder ob überhaupt und wenn ja wie man darüber sprechen kann, wer weiß - wer weiß, ob man schweigen kann. Ich weiß nur, dass es einen Ort gibt, der einmal Zentrum allen Lebens war, jetzt aber ist er eine Eremitage. Der diensthabende Eremit schlägt die Zeitung auf und auch dort ist überall Tod. Er schüttelt sich und macht weiter, denn jene Toten haben mit ihm nichts zu tun, doch im Grunde seines Herzen weiß er, dass alle mit ihm verwandt sind, und dass die Schuld, die auf seiner und aller Schultern lastet, kaum noch zu tragen ist. Wer kann helfen?

23:06




Seit über einer dreiviertel Stunde Wetterleuchten am Horizont von Südwest bis Nordwest, zunächst lautlos, jetzt ein einziges Rollen. Es scheint Richtung Nordwesten vorbeizuziehen, sollte es dennoch herkommen, wird es ungemütlich. Werde vorm Schlafengehen alles Jalousien herunterlassen. Früher lagen wir bei Gewittern mit den Kindern gern auf dem Bauch vor der geöffneten Balkontür, zuschauen und gruseln. Wunderbar war das. Aber vor dem, was da gerade ankommt, fürchte ich mich ein bisschen.


So 26.06.16 16:03

Der freie Markt ist mächtig, das wissen alle, die Keynes gelesen haben, aber was ohne dessen Mechanismen bei der im Wasserturm Gronau angekündigten Lesung des unbedeutenden Schriftstellers M. geschehen wäre, weiß niemand - Massenpanik, Jubel, man mag es sich nicht ausmalen, aber wie gesagt, der freie Markt existiert und so kamen 5 Zuhörer. In Worten: FÜMPF. Zwei ehemalige Nachbarn, M., die Tochter der Loktomotivführers H. und R., Tochter des Lehrers L., beide in den Siebzigern, der mit M. 1955 eingeschulte anglophile Beatlesversteher B., und G., Mitschüler der Realschule. Die allerdings gerieten derart außer Rand und Band, dass sie M. vier Romane abkauften. Danach saß man noch beim Griechen, dann fuhr man heim. Heute fand man M. vergnügt im Bett, denn er hatte sich vorgestern Luxuslattenroste gekauft und schon nach einer Nacht festgestellt, dass er zum ersten Mal seit 67 Jahren schmerzfrei erwacht war. Da kann ihn der freie Markt gern mal, er ist sowieso alt, man darf ihn entsorgen.


Di 28.06.16 10:06

Manchmal beginnt ein Tag, und man glaubt, man könne wieder sehen, nachdem man wochenlang alles gesehen, aber nichts wahrgenommen hatte, als hätte ein Schleier die Welt verhüllt, eine unsichtbare Barriere das Herz abgeschirmt, aber dann kommt ein Kindergartenkind um die Ecke. Es hat den Zapfen eines Nadelbaumes in der Hand, vielleicht auch etwas ganz anderes, man erkennt es nicht, jedenfalls ist es nicht größer als ein Fingerhut, braun und läuft spitz zu. Das Kind sagt: "Papa, das ist ein Dino-Zahn." Sein Vater sagt: "Nein, Gabriel, das ist es sicher nicht." Dann schaut das Kind mich an und sagt: "Das ist ein Dinozahn." Und ich, glücklich, Teil der Welt zu sein und als solcher wahrgenommen zu werden, antworte: "Booooooh, echt?" und das Kind sagt ganz ernst: "Ja."

13:33

Der Haubentaucher liegt tief im Wasser, auf den ersten Blick sieht man oft nur seinen langen, zierlichen Hals und die Haube, aber jetzt schwimmt eine Wasserratte auf ihn zu, jedenfalls denke ich, dass es eine ist, vielleicht auch ein Nutria, ich weiß es nicht. Der Haubentaucher schaut woanders hin, und erst, als die Wasserratte auf einen Meter heran ist, schreit er laut auf und flieht rennend übers Wasser, während die Wasserratte abtaucht. Will sie ihn an den Füßen packen und herunterziehen? Ich weiß nicht, ob Wasserratten so etwas tun, aber die Reaktion des Haubentauchers lässt so etwas vermuten. Nachdem er fünf, sechs Meter gerannt ist, stoppt er. Von der Wasserratte ist nichts mehr zu sehen.


Mi 29.06.16 18:16

ich kaufte mir ein ruhelos
und rubble seitdem unentwegt
was ist mit dieser ruhe bloß
dass sie mich so bewegt
dass sie mich greift und treibt und drängt
dass sie mein herz verstört
dass sie die träume immer höher hängt
und falsche schwüre schwört.