März 2018                      www.hermann-mensing.de      

mensing literatur 

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Do 1.03.18 sonnig, eiskalter Wind

der eiskalte märz
hat wetten geschlossen
auf herzschmerz (tralalaaa)
und sehnsucht nach dir (seufz)
das elende tier
das nächte zersiebt
keine schwäche vergibt
nicht rastet nicht will
sei jetzt still (fresse!!!)


Fr. 2.03.18 sonnig, kalt, wundervoll


Sa. 3.03.18 bewölkt, weniger kalt, aber noch immer Frost

Man soll nichts beschwören, aber der Stress des Einschlafens, verbunden mit dem von Herzpoltern begleiteten Warten darauf, ich könnte den Moment des Einschlafens erleben, ihn erinnern, am nächsten Morgen sagen, so war das, scheint überwunden. Ich habe weder Medikamente genommen, noch sonst irgendetwas getan, um das Einschlafen zu erleichtern. Ich hatte ein paar schlechte Nächte, ich hatte dann wieder gute, und sie waren immer dann gut, wenn sie neben mir schlief, so dass ich schon dachte, ich könne nie mehr allein schlafen. Ich habe probehalber das Bett gewechselt, weil die Einsamkeit in einem Doppelbett größer ist als in einem einfachen, aber verschwunden ist der Stress letztendlich von allein, wie wohl früher oder später alles von selbst verschwindet, wie es gekommen ist.

Das wirkliche Schlimme natürlich verschwindet nur durch den Tod, aber so weit bin ich noch nicht, ich fühle mich wohl, wie lange nicht mehr. Ob ich heute abend noch einmal Tango tanze, so wie ich gestern getanzt habe, wundervoll getanzt, ist noch nicht entschieden. Ich müsste vom Hauptbahnhof eine gute halbe Stunde gehen, um den Tanzsaal zu erreichen. Mit dem Rad fahre ich jedenfalls nicht. Dazu ist es mir noch zu kalt. Und faul bin ich auf ein bisschen. Gegessen habe ich, den Tag habe ich angenehm vertrödelt.

Dir geht es doch gut, hat die Nachbarin gesagt, aber ich habe darauf bestanden, dass ich es nicht leicht habe. Ich habe es nicht leicht, habe ich gesagt. Darauf konnten wir uns einigen. Wir haben es nicht leicht, auch wenn es uns gut geht. Und je mehr wir über uns und die Welt wissen, desto schwerer wird es, es leicht zu haben. Wenn der Tod nicht wäre, wer weiß, obwohl, der Tod ist tröstlich, das Sterben könnte unangenehm werden. Also. Liebe Schwerenöter out there, genießt das Leben, es ist schön, und jeden Augenblick kann es vorbei sein.


So 4.03.18 11:50 bewölkt, 4 Grad

An der Landstraße nach Osten ist linkerhand ein Eichenwäldchen, kaum größer als ein Schulhof. Ein von Buchsbaum gesäumter Weg führt hinein. Links und rechts Grillplätze, stehengelassene Gartenmöbel, das Skelett einer Kutsche, verwildert und dunkel, dann
ein Fachwerkhaus aus rotem Backstein, kaum älter als achtzig Jahre, ein Aufgang mit kleinem Vorbau und chinesischen Löwen links und rechts der untersten Treppenstufe, eine eichene Tür, die sich öffnet, und man steht im Flur, wo ein Kaminfeuer lodert. Ein großer Kamin mit dunklem Kaminsims. Großformatige Bilder an der Wand. Halbdunkel. Man tritt ins Wohnzimmer. Smaragdgrüne, textile Profiltapeten, ein Harmonium in der Ecke, ein Canapé, ein Tisch, Biedermeier und Fin de Siecle, Kerzenleuchter und Lampen, Kitsch, ein verstimmter Flügel, eine Schaufensterpuppe in engelhaftem Tüll, gemaltes in Öl.

Hier wohnt der Chef. Er hat geladen. Er will Input von seinen Untergebenen, die er zum Mindestlohn beschäftigt. Er hat eine lange, wechselvolle Geschichte. Millionen hat er schon investiert und wieder verloren. Und alles, was kostet, kostet ihn, während wir nur profitieren und Trinkgelder einstecken. Das ist das Lied, das er singt, während wir dünnen Kaffee trinken, Schaumküsse essen und salziges Knabberzeug. Wir sind fünf. Fünf Fahrer für seine drei Kutschen. Wenn wir uns entschlössen, nicht mehr für ihn zu fahren, bräche sein kleines Geschäft auf der Stelle zusammen, aber wir sagen nicht nein, wir lieben das Kutschen und tun es für Mindestlohn. Wir sind Helden. Man müsste uns verhauen.


14:04

Frühling. Kraniche.


Mo 5.03.18 12:38 sonnig, 9 Grad etwa

Wenn man beginnt, gibt es kein Zurück. Wenn man den Beginn scheut, ist es Verrat. Seit sie gestorben ist, habe ich dreimal begonnen. Drei Romane also in 9 Jahren. Den einen aber, der immer der nächste ist, den, der schon so lange wartet, den habe ich noch nicht geschrieben. Ich weiß auch nicht, ob ich ihn je schreibe. Aber ich weiß, dass ich morgen Geburtstag habe. Es steht in meinem Ausweis. 6. März 1949 steht da. Die Geburtstage in der Bismarckstraße waren freudlose Angelegenheiten. Meine späteren Geburtstage waren sehr unterschiedlich. Manche überbordend, vor anderen bin ich geflohen. Morgen werde ich mich still verhalten. Wer kommt, kommt. Wer nicht kommt, kommt nicht. Alles ist Verrat. Die menschliche Zivilisation: Verrat. Wo man hinschaut: Verrat. Wie schade. Wir hatten so viele Möglichkeiten.


Di 6.03.18 12:03 sonnig, 10 Grad

soll ich mir die kugel geben,
nein, das gäbe flecken neben...
sollte ich mich strangulieren,
nein, dann lieber masturbieren,
sollt' ich mich aufs gleisbett legen,
no, das gäb verspätung, und dann regen,
sollte ich's mit gift versuchen,
nein, dann lieber eine reise buchen,
gerne, nur - ich hab kein geld,
und nur geld zählt in der welt
sollt' ich also eine bank ausrauben,
hmm - das würd ich nie erlauben,
sollte ich mehr frauen schänden,
auch nicht, das würd' böse enden,
sollte ich denn wieder schreiben,
hilfe nein, dann besser doch entleiben,
ja zum teufel, was denn nun?
sich auf's sofa legen, ruh'n?
da würd' man doch bloß verranzen,
ahhh, jetzt weiß ich's, ich geh' tanzen!!!


22:07

Am 31.03 legen Stempel Mobilux und ich im Lieschen Müller auf. Es soll Vinyl sein, Vinyl ist cooler, und ich überlege natürlich, womit ich beginne. Ich glaube, ich weiß es: My life in the bush of ghosts von Brian Eno und David Byrne. Erste Nummer Seite 2 Qu'ran.


Mi 7.03.18 19:11

Bis vierzehn Uhr war es sonnig. Menschen am Kaffeestand im Schatten des Domes in T-shirts. Danach zog es zu, eine Stunde später regnete es. Warmer Regen. Am Sonntag sind Kraniche gezogen. Ich habe auch Kiebitze gesehen. Die Tauben üben Parabelflug. Alles bereitet sich vor. Ich hatte einen sehr schönen Geburtstag. Das siebzigste Jahr hat begonnen, und ich will es dokumentieren. Aber nicht hier. Hier tue ich das, was ich seit fast 18 Jahren tue. Ich vergeude meine Zeit, statt zielgerichtet und diszipliniert an Projekten zu arbeiten. Ich bin mein eigenes Projekt.


21:57

ein wort
ging vor die tür,
es regnete, es war dafür,
dass alle gleiche rechte hätten,
die guten und die gar nicht netten,
es wollte, dass das konsens wäre
dass leichte ebenso wie schwere,
dass große niemals mehr als kleine
dass dicke, dünne, mit und ohne beine,
dass idioten, schwarze, gelbe, weiße,
dass alle, die in der globalen scheiße
versuchten, bis zum morgengrau'n zu überleben
niemals den stolz verlören und sich neben
das nächste stellten und es achten
und alle immer über alle lachten
so hatte es die welt bestellt
doch dann wurde ein baum gefällt
das wort wurde erschlagen,
mehr wäre nicht zu sagen.


Do 8.03.18 22:17 regnerisch

Wurde klitschnass auf dem Weg in die Stadt. Hagel. Regen. Wind. Dennoch lachende Jogger. Wer draußen freiwillig unterwegs ist, weiß auch so ein Wetter zu schätzen.


23:55

gute nacht




So 11.03.18 leicht bewölkt

Seit zwei Tagen herrscht Vorfrühling. Ich habe eine Biene gesehen und einen Zitronenfalter. Und Menschen, die auf nichts anderes gewartet haben. Wundervoll. Wir sind so vielfältig. So bunt. So dumm.

23:27

Als sie das Häuschen gebaut hat, war sie fünfzig. Da war der Weg noch ein Weg, und die Ecke, an der es steht, war eine ruhige Ecke. Das Häuschen ist ein einfacher Bungalow mit Eternitdach, aber es reichte, sie war Schneiderin, es bot Platz für sie und die Werkstatt. Sie war eine gute Schneiderin. Sie war fast berühmt, aber eben nur fast. Irgendwann wurde aus dem Weg, der immer noch Weg heißt, eine viel befahrene Straße, aus der Ecke, an der es steht, eine Ecke, an der manchmal Autos kollidieren, und sie wurde sie älter. Vor zehn, fünfzehn Jahren hat man ihr ein großes Gebäude vor das Wohnhzimmerfenster zum Westen gesetzt, mehrstöckig, grau. Seitdem steht ihr Häuschen im Schatten. Schon früh werden nebenan junge und alte Menschen von einer Trainerin angeschrien und springen zu dämlicher Musik auf der Stelle, statt spazieren zu gehen, oder sonst etwas zu tun. Die alte Frau konnte sich gegen den Bau dieses "Sportcenters" nicht wehren. Seit ein, zwei Wochen fällt mir auf, dass alles Leben aus diesem Häuschen gewichen ist. Früher sah ich sie dann und wann. Sie fegte Laub. Sie holte Post rein. Ein, zwei Jahre mag das her sein. Sie war sehr alt. Sicher bald 90. Noch früher sah ich sie manchmal im Dorf. Jetzt scheint sie tot. Eine Geschichte ist vorüber. Bald kräht kein Hahn mehr danach.


Mo 12.03.18 22:43

Es hatte geregnet. Es war mild. In der Stadt sangen Amseln. Überm Horizont lagen schwarze Wolkenbänke, darunter letztes Tagesleuchten. Auf dem See hielten
Möwen ihr Nachtpallaver. Alles ist im Werden. Auch, wenn ihr alle Bäume abschlagt, den Frühling werdet ihr nicht verhindern. Ich radelte. Ich genoß die Luft. Ich schaute. Ich fotografierte.





Di 13.03.18 8:54 bewölkt, regnerisch

Die ersten von mir zubereiteten Falafel fielen beim Braten auseinander. Ich hatte Mehl vergessen. Jetzt, bei den zweiten, komme ich der arabischen Sache geschmacklich schon näher, wobei es natürlich unterschiedlichsten Deutungen gibt, die israelische, die libanesische, die ägyptische, aber im Kern sind alle gleich. Kichererbsen mit verschiedenen Gewürzen (ich vergaß Kreuzkümmel), Petersilie, Zwiebeln, Knoblauch. Mein dritter Versuch wird erfolgreich, ich wette.


23:32

Manchmal verschwindet ein Wort für einige Zeit und kehrt dann plötzlich zurück. Man isst ein Brot mit .... Man wüsste, was drauf ist, hätte man es selbst gemacht, aber es wird einem angeboten, man nimmt es, man beißt hinein, man weiß, aha, das ist .... Genau. Nicht mehr lang, und ... wächst wieder in den Buchernwäldern ringsum, man kennt einige Stellen, aber es ist nicht Rukula. Rukula hat nicht diesen Knoblauchgeschmack, den hat nur .... Gut, denkt man, und versucht, an etwas anderes zu denken, schließlich ist .... etwas, das man nicht jederzeit verwendet und auch nicht ständig und überall kaufen kann, wenngleich es mittlerweile wahrscheinlich immer irgendeine Weltecke gibt, in der unter diesen und jenen Bedingungen ... angebaut werden kann, um es dann zu verkaufen, wie etwa letztens Weintrauben aus Indien.

Man ist ja einiges gewohnt, der Weltmarkt, denkt man, was da alles um den Globus verschickt wird. Kein Wunder, dass Logistic heutzutage so groß geschrieben wird. Man hätte, denkt man, während einem das Wort für ... noch immer nicht einfällt, man aber alle übrigen Worte aus dem FF hervorbringt, man hätte vielleicht doch besser Speditionskaufmann bleiben sollen, so wie Fränzchen, der in Chiassio gelandet ist und ein Häuschen im Tessin sein eigen nennt, wo es bestimmt auch ... gibt, aber das weiß man nicht genau, denn als man damals dort war, gab es Berge gegrilltes Fleisch, es gab Salat, aber ob ... dabei war - man glaubt, eher nicht.

Man könnte natürlich jetzt, wo man das Butterbrot in der Hand hält, fragen, was drauf sei, aber das wäre zu blöd, man fragt nicht, was auf einem Brot ist, das weiß man doch, also fragt man nicht. Basilikumpesto ist es jedenfalls nicht, dass es kein Basilikum ist, weiß man. Deduktion also, kein Rukola, kein Basilikum, es muss .... sein.

Zwei Tage später, man hat an tausend andere Dinge gedacht, man sitzt auf dem Rad, es ist gerade Frühling, innerhalb von zwei Tagen hat es einen Temperaturwechsel um fast 20 Grad gegeben, man wundert sich, dass man derartige Bocksprünge des Klimas wegsteckt, kein Kopfschmerz, kein Gliederschmerz, nur eine leichte Müdigkeit, man denkt an die Lesung, die man bald hat, zwei Lesungen, hach, denkt man, wenn es doch wieder wie früher wäre, wo man monatlich fünf, sechs, acht Lesungen hatte, vorbei, denkt man, man ist eben 69, und dann sagt eine innere Stimme: Bärlauch.



Sa. 17.03.18 9:25 bewölkt, windig und eiskalt

Die Frau ist kaum über zwanzig, trägt einen grauen Wollmantel mit Webpelzkragen, grüne Strümpfe, schwarze Lackstiefeletten mit Schleifen und goldenem Sohlenrand, sie hat braunes, schulterlanges Haar, einen sehr roten Mund, und ein eher rundes Gesicht. Sie hat Augenbrauen, von denen man nie weiß, sind sie angeklebt, tätowiert oder nachgezogen, sie sieht gut aus, später einmal wird sie dick werden, soviel ist klar. Auf dem Rücken trägt sie einen schwarzen Baumwollbeutel an schwarzen Kordeln hängend. Darauf ist die britische Krone abgebildet, weiß auf schwarzem Grund. Darunter steht: Queen of fucking almost everything. Hochdeutsch: Die Königin, die fast alles fickt? Hmm, denke ich, sollte man da jetzt mal nachfragen, oder weiß sie gar nicht, was auf ihrem Rucksack steht? Ist das ein Witz, den ich nicht begreifen kann, weil ich alt bin, Gegenwartshumor oder einfach nur total daneben? Oder bin ich total daneben, weil ich mir etwas dabei denke? Ist das Pop? Oder was, bitte, soll das?

13:30

Die korrekte Übersetzung von Queen of fucking almost everything lautet: "Königin von verdammt fast allem", oder, vulgärer "von verfickt fast allem". Das hätte ich wissen können, schließlich ist "fucking" eines der beliebtesten angelsächsischen Füllwörter, aber ich bin eben ein treudoofer Mensch, der jedes Wort beim Wort nimmt und staunt.


So 18.03.18 17:01 sonnig, gegen 7 Grad, aber eiskalter Wind

Gestern auf zwei Hochzeiten getanzt. Zunächst, um in der Ateliergemeinschaft Schulstraße Jan Klare mit einer experimentierenden Band zu hören, Trompete, Bart Marism, Bass, meist gestrichen, Wilbert de Joode, Cello, Elisabeth Coudoux und Jan Klare: Saxophon, Flöte, Bassklanirette. Danach auf der Geburtstagsfeier meiner Schwester. Alle dort werden langsam alt, ich kenne sie seit Jahrzehnten, einmal im Jahr sehe ich sie, und das Merkwürdigste ist, dass nur sie älter werden, ich nicht, nur sie kriegen Bäuche, während meiner schmilzt.

Am Vorabend stand zur vereinbarten Zeit an der Bushaltestelle, um in die Stadt zum Tango zu fahren, wurde dann aber von einer derartigen Lustlosig- und Müdigkeit überwältigt, dass ich schleunigst zurück ins Haus ging, mich auf mein Sofa legte und las. Es wird die Frühjahrsmüdigkeit sein. Mittwoch hatte ich zwei Lesungen in Saerbeck. Ich bin glücklich, wenn ich lese. Kinder scheinen mich zu lieben, ich liebe Kinder, darüber muss ich kein Wort mehr verlieren. Erstaunlich nur, dass ich nicht längst wieder eine Kindergeschichte begonnen habe.

Dienstag habe ich M. im Garten geholfen. Langsam beginnt die Saison. Ich tauge zu schweren Arbeiten. Ich tu das gern. Heute bewege ich mich keinen Meter. Vorhin, ich lag auf dem Sofa und war wohl eingeschlafen, riss mich das Telefon aus den Träumen. Ich goß mir einen Teller heißer Suppe über den Pullover, und noch in der Küche war ich nicht wirklich erwacht, und begriff erst sehr zögernd, dass ich besagten Pullover gar nicht trug und alles nur geträumt hatte. Der Neffe lud mich auf ein Konzert der Band Triosence heute abend, aber ich will nicht mehr vor die Tür, mir hat schon der kurze Weg zum Bäcker gereicht, dieser schneidende Wind, brrrrrr.

Ein paar gute Fotos sind mir gelungen, gestern abend, und ständig denke ich darüber nach, aufzurüsten, mir eine Systemkamera zu kaufen, in die ich verschiedene Objektive schrauben kann. Vorgestern übrigens habe ich mir ein neues Audio-Interface zugelegt, nachdem mein altes M-Audio sich standhaft weigerte, mit Cubase und meinem System zu kooperieren. Es erkenne die Hardware nicht, behauptete es. Am Morgen war eine Mail gekommen, in der ich gefragt wurde, ob ich im April in Rheda Wiedenbrück lesen wolle. Natürlich wollte ich, und so fiel es mir leicht, das neue Interface zu kaufen. Gestern war der Klavierstimmer im Haus. Jetzt klingt das Klavier wieder.

Sonntag. Bestimmt hat meine Schwester noch Reste des leckeren Buffets von gestern, aber sie wohnt zu weit weg, sonst würde ich vielleicht mit einer Tuppadose dort vorbeifahren und mir etwas holen. Leckerstes gab es. Allerleckerstes. Wobei mir klar wird, dass ich heute auch noch etwas essen möchte. Aber was?






Mo 20.03.18 23:24

Beim Aufwachen grauer Himmel und weißes Land. Gegen Mittag war der Himmel blau, der Schnee war geschmolzen, aber es war immer noch kalt. Ich habe den ganzen Tag mit Cubase7 und den komplexen Strukturen dieses Programmes verbracht, Dinge über das Routen von Kanälen gelernt, Fehler gemacht und ausgebügelt, neue Fehler und alte und wie nebenher die ersten sechs Minuten von "Verschiedene Zimmer, verschiedene Räume" aufgenommen, ein Hörspiel, eher der Versuch eines Hörspieles. Wir werden sehen.


Di 21.03.18 bewölkt, 4 - 5 Grad

Das Fasten, als vorösterliche Übung bei Christen bekannt, die ich mir als disziplinarische Maßnahme verordnet habe, um zu sehen, was geschieht, wenn man mit Gewohnheiten bricht, funktioniert nach wie vor. Nur mit den Süßigkeiten läuft es nicht glatt. Vor etwa vierzehn Tagen habe ich auf dem Wochenmarkt ein zur Hälfte mit Schokolade überzogenes Dinkelmürbteigplätzchen gesehen und konnte nicht widerstehen. Zu meinem Geburtstag habe ich Wein getrunken. Kein Ganja bis jetzt. Alles fühlt sich Bestens an. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist der Zustand der Welt. Die Schreihälse haben Konjunktur. Ich kann es nicht mehr sehen und nicht mehr hören.


Mo 26.093.18 sonnig, etwa 10 Grad

Herr M. hat ein neues Projekt in Angriff genommen. Es heißt: Frauen und Männer sind doof und passen nicht zueinander. Dieses Projekt beweist eindrücklich, dass Herr M. über tiefe Einsichten verfügt, die anderen verschlossen bleiben. Es beweist auch, dass er die Pubertät nie verlassen hat. Er wird sie auch nie verlassen. Er ist nicht zu retten. Das macht ihm aber überhaupt nichts. Er findet das gut. Außerdem sitzt er an einem Hörspiel. Und staunt, welche Probleme plötzlich in sein Leben treten, von denen er vorher nicht die geringste Ahnung hatte. Aber er wird sie schon lösen. Eines nach dem anderen.


19:09

Mit den Physikern und Philosophen teile ich die Überzeugung, dass das, was ich den Alltag nenne, die Realität, Illusion ist. Man kann sie assoziierend mit allem Denkbaren füllen, das ändert nichts. Welche Illusion aber die schönere ist, die mit, oder die ohne Zusatzstoffe, ist noch nicht raus. Ich neige dazu, sie mit Zusatzstoffen schöner zu finden. Wobei bedacht ist, dass ich in jedem Fall weiß, dass ich halluziniere.


Mi 28.03.18 11:02 trüb, 7 - 8 Grad

Das Programm (Cubase 7.5) macht seltsame Dinge. Ich scrolle mich durch Onlineforen, verstehe kaum, worüber dort in Fachchinesisch verhandelt wird, begreife nach einem Tag hektischer Betriebsamkeit und einer unruhigen Nacht dennoch, dass die Grundpfeiler des Programmes sowohl richtig installiert als auch konfiguriert sind. Es muss einen Haken geben, irgendwo gibt es einen Haken, den man versehentlich anklickt oder eben nicht anklickt. Zum Glück kenne ich den Erfinder des Programms, wir haben zusammen gewohnt, wir spielen in einer Band, wir sind fast Freunde. Karl, sage ich, du musst mich retten, und erkläre ihm mein Problem. Er rät, Teamviewer herunterzuladen, dann könne er von Hamburg aus in mein System, nachschauen. Zwei, drei Tage vergehen, die seltsamen Dinge, die das Programm tut, umgehe ich mit einem Trick, aber das ist nicht Sinn der Sache, es soll ohne Tricks funktionieren, und so kam gestern der Tag, an dem Karl und ich uns über Teamviewer verbanden. Sein (mein Cursor) saust durch mein (sein) Programm., Er stellt fest, dass alles so ist, wie es sein soll, es kann sich das Problem nicht erklären, er schließt, dass es dann wohl die neu erworbene Hardware sein müsse, das Audio-Interface, ein Kurzschluss vielleicht, und als wir schon dabei sind, uns zu verabschieden und uns auf unsere Session in zwei Wochen zu freuen, sagt Karl plötzlich, da fällt mir etwas ein. Er klickt auf Geräte, dann auf Einstellungen, auf den Steinberg Reiter oben links und sagt, das ist es. Da ist das Häkchen, das da nicht sein sollte. Enable Loops, steht da. Da ich mit Loops arbeite, hatte ich es wohl angeklickt, aber es hat eine ganz andere Funktion, es ist für die Freaks, die streamen, sagt Karl. Ich weiß, was streamen bedeutet, aber nicht in diesem Zusammenhang. Egal. Das Problem ist jetzt aus der Welt, und ich arbeite weiter am Hörspiel.

22:23

Als hätte ich nicht schon immer "aufgelegt". Jahrzehnte lang war ich der DJ meiner Frau. Sie konnte nicht ohne meine Musik leben. Oder sie fand sie furchtbar und hat stillgehalten. Wir hatten Lieblingsplatten. Ich habe ihr Cassetten gemixt. Es gab Platten, die ich nicht auflegen durfte, weil sie mit Geschichte verknüpft waren, die begraben bleiben sollte. Augenblick bin ich damit beschäftigt, meinen ersten DJ Job im Lieschen Müller am Samstag vorzubereiten. Ich suche Platten aus. Es soll Vinyl sein. CD ist bäää. Der Bekannte, mit dem ich auflege, der mich überhaupt eingeladen hat und bereit ist, seine karge Gage mit mir zu teilen, versichert mir, dass wir gegen Ende des Gigs betrunken sein werden. Ich bin gespannt. Aber erzählen wollte ich, dass ich vor einer halben Stunde auf eine Platte von Robbie Robertson stieß, ehemals bei The Band. Meine Frau liebte diese Platte und den Sänger so sehr, dass ich eifersüchtig wurde. Die Platte ist gut, kein Zweifel, aber ich nehme sie nicht mit ins Lieschen Müller. Komischer Name, oder? Die jungen Menschen scheinen das Biedermeier mit Möblierung der Fünfziger neu zu beleben. Ich habe in den letzten zweieinhalb Stunden etwa sechzig Platten aus der Hülle gezogen, auf den Teller gelegt, den Arm irgendwo niedersinken lassen und auf der Stelle entschieden, ob ich sie mitnehme oder nicht. Bin halb durch's Regal. Morgen mache ich weiter.