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München

In den 60ern lief in den Kinos Zur Sache Schätzchen, ein Film, der in München spielte und suggerierte, München sei der Ort für Hippies und Gammler. Ich stellte mich an die Autobahn und fuhr hin. Natürlich ging ich will alle Klone der damaligen Gegenwart sofort zum Englischen Garten, denn dort wären sie alle, und tatsächlich, sie waren dort. Ich lernte innerhalb kurzer Zeit eine Frau kennen, die sich mir anschloss, wir lagen ein paar Tage im Englischen Garten herum. Wir gammelten, eine gewaltige Provokation, glaubten wir und genossen es, denn Deutschland war über die Maßen fleißig und verachtete Müßiggang. Dann schlug die Frau vor, zum Starnberger See zu tramnpen. Zwei Nächte schlief sie dort mit mir in einer Felshöhle, dann verschwand sie ohne ein Wort.

In den 80ern tourte ich einen Sommer lang als Trommler mit einer Rockabilly Band, den "Alley Cats", die später zu "Ace Cats" wurden. Götz Alsmann hatte mich vermittelt. Wir hatten zwei Sängerinnen, die Pettycoats trugen, spielten in Eckkkneipen und Hinterhofhallen vor Menschen, zu denen ich keinen Bezug hatte, und einmal spielten wir im Saal eines gutbürgerlichen Gasthofs am Münchener Stadtrand. Auf der Bühne Requisiten für ein Krippenspiel. Auf Stellwände waren bayerische Landschaften. Auch Hirschgeweihe hingen hier und da. Ich weiß, dass ich es seltsam fand, als die bayerischen Rockabillys eintrudelten. Verkleidet hielten sie sich trotzdem für äußerst originell, so wie ich mich auch cool fühlte. Ich hatte meine westfälischen Vorurteile, so hatten ihre bayerischen, aber ich konnte ihre Musik trommeln kann, und da werden sie wohl gedacht haben, so verkehrt kann er nicht, dieser Saupreuß. Nach dem Gig wollten wir in der Stadt etwas trinken. Und obwohl Ortskundige mit uns unterwegs waren, stellten wir fest, dass gegen 23 Uhr schon so gut wie alle Kneipen dicht waren. Schließlich landeten wir in einber trotzlosen Diskothek, wo wir nicht lange blieben, fuhren aus der Stadt und pennten bei irgendeinem Fan.

2010 war ich in verzweifelter Trauer. Eine enge Freundin unserer Familie und vor allem meiner verstorbenen Frau lebte schon seit Jahren in München. Ich besuchte sie. Wir redeten, wir wanderten, unterm Gipfelkreuz heulte ich Rotz und Wasser, wir zogen ein bisschen durch die Stadt, wir aßen hier etwas und da war etwas geschlossen, und den Puls der Stadt konnte ich nirgendwo fühlen, sodass mich bis heute nichts dorthin zieht. Großkopfert seien die Münchener, sagt man. Ich kann das nicht bestätigen. Ich weiß einfach nicht, wie sie sind, irgendwie sind sie bestimmt, jeder ist irgendwie, aber eines weiß ich: ich hasse ihren unvergleichlich guten Fußball, obwohl ich kein Fan bin, ich wünsche ihnen ständig Niederlagen und sie beschämen mich mit Siegen.

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