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werkstattbericht 5

Seit die Texter Werkstatt begonnen hat, scheint mittwochs die Sonne. Verlässlich wärmt sie den Raum, in dem wir uns treffen, wärmt und strahlt so sehr, dass es mich jedes Mal schmerzt, mit 14 Schülern, die anstrengende sechs Stunden hinter sich haben, weitere zwei Stunden im Haus verbringen zu müssen.

Heute aber war das anders. Heute haben wir unseren ersten Stadtgang gemacht.
Angekündigt hatte ich den schon beim ersten Mal, als ich darum bat, jeder möge sich einen Spiralblock zulegen. Nicht jeder hat das getan. Eine Rückmeldung, eine Notiz über das, was einem aufgefallen wäre in den Tagen zwischen den Werkstätten, ist leider noch nicht eingegangen.

Aber kommt Zeit, kommt Rat. Vielleicht bin ich nur ein wenig zu schnell in allem. Jedenfalls wundere ich mich, dass die Dinge, die mir geläufig erscheinen, den Schülern oft ganz und gar fremd sind.

Ein Stadtgang also?
Was sollen wir denn aufschreiben?
Schreibt, was ihr seht, lautete lapidar meine Antwort.
Ob das eine Hilfe war? Ich weiß nicht. Was sieht der Mensch?

Also los: wir verlassen die Schule zur Westseite.

In der Reihenfolge ihres Auftritts notiere ich eine junge Frau mit Sonnenbrille. Groß, dunkelblondes Haar. Aufrechter Gang. Ergäbe eine Geschichte: woher kommt sie, wohin geht sie, geben wir ihr einen Namen, was hat sie vor?

Ich sehe: einen Mann, kräftig, mittelgroß, schwarzhaarig, trägt eine grüne Gießkanne. Kommt aus seinem Garten? Ob eine Frau auf ihn wartet, wenn er ins Haus geht? Wenn ja, was sprechen sie miteinander? Worüber? Hat er alles richtig gemacht? Auch nicht die falschen Pflanzen gegossen?

Wir kommen an einem Haus vorbei, vor dem ein Umzugswagen steht. LKW-Vermietung X-tra steht drauf. Auf dem Grün zwischen Bürgersteig und Straße steht Sperrmüll, alte Teppiche und ein großer schwarzer Grill.

Also, liebe Texter, auch hier: die Welt ist voller Geschichten. Man zieht um. Schreibt eine Geschichte übers Umziehen. Sicher ist der ein oder andere von euch schon einmal umgezogen.

Weiter gehts: wir erreichen ein Mahnmal. Den Toten zum Gedächtnis, den Lebenden zur Mahnung, steht darauf. Die Texter verteilen sich. Meist bleiben die beieinander, die schon Freunde sind. Ich bin gespannt, was sie schreiben. Ob das Paar auf der Bank auftaucht? Der Junge mit dem schwarzen Hund? Das leere Cannabis-Tütchen, das ein Schüler findet.

Jede Menge Geschichten.

Die Aufgabe könnte auch heißen: ich sehe was, was du nicht siehst.

 

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