April 2009                                      www.hermann-mensing.de      

mensing literatur
 

Bücher von Hermann Mensing bei: Amazon.de  

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Mi 1.04.09  9:17

Hätten Sie gedacht, dass alles so schnell geht? Gestern große Krise, heute schon erste Urteile. Schließlich haben wenige in ihre eigenen Taschen gewirtschaftet. Alles waren sich einig, in Den Haag wurde nicht lange verhandelt.

Natürlich hatte man humanistisch-moralisch-ethische Vorbehalte, aber Milliarden Menschen leiden unter der Gier dieser Wenigen, Existenzen brechen zusammen, Volkswirtschaften taumeln, das war nicht länger hinzunehmen, entweder jetzt oder nie, hieß es, und dann hatte man sie auch schon inhaftiert, ihre Vermögen eingezogen, Konten eingefroren und vor die Wahl gestellt: entweder sie machen es selbst oder wir machen es, tut uns Leid.

Einige machten es selbst. Bei den anderen machten es Profis.

Das Dumme ist: Jetzt sind sie tot und wer kennt sich noch aus mit den komplizierten Vorgängen der globalen Wirtschaft? Hätte man warten müssen?


Do 2.04.09   9:34

Da war natürlich ein Aprilscherz.

10:16

Kein Aprilscherz ist, dass ich jetzt Fenster putze.

17:31

Später dann Bügeltherapie.
Wies vier Hausfrauen ins therapeutische Bügeln ein.
Hatten gar nicht gewusst, wieviel Freude so eine gebügelte Unterhose machen kann.
Wollen jetzt immer kommen und zahlen sogar dafür.
Hat sich doch gelohnt, über die Jahre eine therapeutische Praxis für Alltagsarbeiten aufzubauen. Hielt schon Vorträge übers Fensterputzen in Amsterdam, London, Paris und Darup.

A prospo Darup.

Nach Ende meiner Therapiestunde fuhr ich Rad. Die Sonne schien kräftig, wenngleich ein nicht zu unterschätzender Wind aus Nord-Ost blies. Schaffte das Aa-Tal trotz schmerzender Knie, überquerte die Autobahn A 1 und aß in Gievenbeck ein Eis.

Schwein, der jetzt auch schon 53 ist, und dessen wirklicher Name mir nie einfällt, weil ich ihn seit Darup kenne und dort auch schon Schwein hieß (warum, weiß ich nicht) saß da und trank Cappuccino.

1975 gab es in Darup eine legendäre WG. Die Bewohner, hart vom westmünsterländischen Katholizismus und den damit einhergehenden Kränkungen gezeichnet, hatten sich auf einem alten Bauernhof niedergelassen, um mit Hilfe halluzinogener Drogen und/oder Alkohol den Teufel auzutreiben.

Schwein konstruierte und bediente die Lichtorgel. Ich war oft dort, um diese Rituale mit ohrenbetäubendem Schlagzeugspiel zu schreienden Gitarren zu untermalen, was sehr viel Freude bereitete. Noch heute spricht man in Darup davon.

Einmal fuhr ich sturzhagelvoll von Darup nach Schapdetten (ca. 15 Kilometer), weil jemand gesagt hatte, in der dort ansässigen (ebenfall legendären) Psychologen-WG fände ein Mittsommernachtsfest statt. Es fand tatsächlich statt, aber ich konnte mich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern. Allerdings stand mein Auto unversehrt auf dem Hof.

PS.
Habe immer noch Großes vor.


Fr 3.04.09   13:36

Es war gut. Es war schon gut, als ich losfuhr. Westfalen unter sinkender, stets größer, orange sich einfärbender Sonne, die Texturen des Landes, gewellt in der Beerlage, erstes Grün, das Leuchten der Osterglocken, Forsytien, aufgebrochene Erde, Lämmer, die mit ihren Mäulern zu den Zitzen ihrer Mütter vorstoßen, wobei ihre kurze Schwänze aufgeregt kreisen, kaum Verkehr, immer knapp an den Dörfern vorbei, da, wo ich fuhr.

Über die Grenze, dann ins Berlijn Café Enschede, wo das Peter Schillmöller Quartett mit einem Gast auftrat und so frisch, aufregend und voller Spannung Musik machte, wie ich sie lange nicht mehr von Jazzern gehört hatte. Dabei hatte ich mir, um den Bassisten ein wenig zu ärgern, mit Edding ein T-Shirt bemalt: Jazz is not dead, it just smells funny.

Nichts von diesem abgestandenen Geruch, der mir seit knapp einem dreiviertel Jahr zunehmend in die Nase gestiegen war. Stattdessen hohes Risiko bei Improvisationen. Erfrischend und tanzbar, wenngleich niemand tanzte. Das hat das Publikum dem Jazz gänzlich ausgetrieben. Früher, glaube ich jedenfalls, damals, als der Jazz noch ein Kind war, wurde getanzt.

Und dann lernte ich auch noch diesen Mann aus Groningen kennen, schmal, mittelgroß, dunkel gekleidet, eine Frisur, die ich Rock-a-billy Afficionados zuordnete. Ich hatte zu ihm gesagt, wie schön seine Schuhe wären, worauf sein Gesicht aufleuchtete und er mir erklärte, dass er die selbst gemacht habe. Er sei Schuhmacher und gerade damit beschäftigt, seinen Lebensmittelpunkt von Groningen nach Enschede zu verlegen. Wer weiß, vielleicht kann ich ihm mal ein paar Schuhe abkaufen, vorausgesetz, ich kann sie bezahlen.

Danach lange Nacht mit C., flacher Schlaf, ein wenig benommen noch, heute früh auf dem Weg zurück nach Münster. Zwei Maschinen Wäsche gewaschen und mich gefreut, dass das, was für mich Heimat bedeutet, von hier bis zur Nordsee reicht, nichts dazwischen ist mir fremd, wenngleich fremd genug, um jedesmal ein wenig zu staunen, wie anders es letztlich dann doch dort zugeht.


Sa 4.04.09   11:39

Unser Blumenbeet wurde zum schönsten Blumenbeet der Dorffeldstraße ernannt.
Ernten den geballten Neid der Nachbarn, was uns zutiefst befriedigt.
Endlich! Hatten Jahre darauf hingearbeitet.
Den Pokal (gepunztes Silber, einsachtzig hoch) stellen wir auf unseren Schrank.
Herrlich!




So 5.04.09   18:58

Der Mann trug eine Würgeschlange überm Arm und der rechten Schulter. Über der linken hing ein Fotoapparat. Er ging auf die Promenierenden an der Avenida Atlantica zu, legte ihnen die Schlange um den Hals und machte Fotos.
Das war seine Geschäftsidee: die Copacabana im Hintergrund, ein Mensch mit Würgeschlange davor.
Keine gute Idee, fand Hans. Er wehrte ab. Er wollte keine Würgeschlange um den Hals gelegt bekommen. Er wollte auch kein Foto mit einer Würgeschlange. Er wollte nichts, was mit Schlangen zu tun hat.
Er war kein Fakir.

Pop Life (Kapitel 17, S.108) (mehr davon hier)



Mo 6.04.09   12:41

Und dann rückten Paul und Steven mit diesem Plan heraus. Plötzlich schien es, als wollten sie die alte Dreisamkeit wieder aufleben lassen, vielleicht waren sie sich in den Wochen auf dem Amazonas auf die Nerven gegangen.
Tagein tagaus auf diesem Fluss, der an manchen Stellen so breit ist, dass man das Ufer kaum sieht. Tagaus tagein auf der Hut vor Moskitos, die bei Einbruch der Nacht zu Abertausenden über sie kamen, auf der Hut vor Dieben, vor Halsabschneidern, vor richtigen Halsabschneidern, nicht vor solchen, die nur so genannt werden, nein, vor Mördern, denn dieser Amazonas war wilder Westen, am Amazonas konnte sich jeder verstecken und hoffen, dass niemand ihn fand, jeder, der irgendetwas auf dem Kerbholz hatte, war hier untergetaucht, und jeder, der illegale Geschäfte machen wollte, machte sie hier.
Ja, vielleicht hatte sie all das in ihrem Beschluss bestärkt, Hans diesen Vorschlag zu machen.
Abends, sie hatten Sacco und Vanzetti im Kino gesehen, rückte Steven plötzlich damit heraus.
Was er davon halten würde, mit ihnen nach Afrika zu reisen?

Pop Life (Kapitel 24, S. 214) (mehr davon hier)

19:45

Pop Life ist Buchtipp der Woche. (mehr)

Di 7.04.09   8:53

Gestern morgen stellte ich fest, dass Pop Life vom Amazon Verkaufsrang im Bereich 500.000 auf einen Platz um die 100.000 geklettert war, gegen Mittag stand es auf Rang 29.340, und ich dachte, da ist irgendetwas im Gange.

Am Nachmittag kam die Mail, dass ein Online-Portal das Buch zum Buchtipp der Woche gemacht hat. So etwas freut den Autor natürlich. Vielleicht sollte ich mich um so etwas gar nicht kümmern, aber ich finde mein Leben außerordentlich spannend und will informiert sein.

Heute früh bin ich wieder auf einen Rang um die 80.000 abgesackt.
Was das nun alles zu bedeuten hat, wieviele Bücher verkauft werden müssen, um derartige Bewegungen auszulösen, weiß ich nicht, vielleicht 5, 10, 20, 100?

Wie auch immer, gerade nun geht das Telefon und H. ruft mich an, um mir zu sagen, dass er Pop Life gekauft habe. Online natürlich, und dann fragt er, wieviel, glaubst du, habe ich dafür bezahlt? € 2,25 sage ich, und er sagt, nein, € 2,40 und ob mich das nicht ärgere? Natürlich ärgert mich das. Sein Exemplar war verschweißt, Absender ist eine Firma namens Planet Media in 77728 Oppenau, aber es gibt weder einen Ort gleichen Namens noch eine Firma.

Was das nun wieder für eine verdammte Sauerei ist, weiß ich auch nicht, aber ich kann es nicht ändern. Pop Life wird seinen Weg machen, da bin ich mir mittlerweile wieder so sicher, wie ich mir zu Anfang sicher war.

16:17

Shit happens.
Ich kann nicht behaupten, dass es mich überrascht hätte, vor gut vier Wochen begann das Problem mit dem D-Link-Adapter, der Rechner meldete sich ab, ich schrieb es dem Adapter zu, deinstallierte, installierte einen neuen, über meinen USB2-Hub gesteuerten D-Link-Adapter, aber früh versagte mein USB-Port endgültig.
Der Rechner fror ein. Diagnose korrekt, meinte der kühle Besitzer des Lapstore, und machte folgende Rechnung auf. Kostenvoranschlag € 50,-- wird bei Reparatur verrechnet, kostet 140 Euro, eigentlich zuviel für einen sieben Jahren alten, damals schon gebrauchten Rechner, finden Sie nicht. Ein neuer gebrauchter würde € 280 kosten.

Was blieb mir übrig?

Bin also jetzt im Besitz eine Thinkpad T-24, 2 USB2 Ports, 2 Gigabyte Ram, 80 Gigabyte Festplatte, und wie man sieht, ich habe mich schon so weit vorgearbeitet, dass ich mein Tagebuch updaten kann. Nur mit den E-Mails klappt es noch nicht, die T-Online-Software schlägt immer alles mögliche vor und macht sich breit, wo ich es nicht will, vor allem mit Features, die mich nicht interessieren.

Als nächstes wird Word installiert.

19:53

Undsoweiter undsoweiter. E-Mail Programm funktioniert.
Morgen die Adressbücher importieren und den übrigen Mist.
Ein Tag ohne Poesie ist ein verlorener Tag.


Mi 8.04.09 9:47

In jener Nacht aber, die sie wegen Übermüdung keinen Meter mehr weiter fahren konnten, auf diesem Parkplatz, umgeben von Wüste, die voll stand mit diesen meist zweiarmigen, mehr als mannshohen Kakteen, in jener Nacht war klar geworden, dass Tom mehr als nur nervös war.
Seit über einer Stunde schon war er da draußen.

Steven hörte die Schreie, die er bei wütenden Attacken ausstieß, er sah ihn nicht, aber er wusste, was er tat.
Die Kakteen konnten ein Lied davon singen. Er hackte ihnen die Arme ab, und wenn er so weitermachte, blieben nur kerzengerade, armlose Kakteen übrig. (...)
Steven fand die Wüste unheimlich, (...)

Pop Life (Kapitel 14, S. 84) (mehr davon hier)

14:02

Der Südeuropäer glaubt ja, dass Pasta die Krone der Kochkunst sei, er isst Pasta zu jeder Gelegenheit und in Kombinationen, auf die Erfinder dieser im Grunde sehr bäuerlichen Speise niemals gekommen wären.

Aber so ist es, Pasta regiert die Welt, sollte Hans da von der Kartoffel schwärmen, sollte er der immer gleich, wenn auch anders geformten Grundkosistenz der Pasta die Vielfalt der südamerikanischen Knolle entgegenhalten, die durch Humboldt den Weg nach Preußen gefunden hatte, die Cilena, Linda, Nicola, Princess, die Selma, Laura, Leyla, Rosana oder Bamberger Hörnchen hießen?

Die würden schön gucken, die Tessiner, die fühlten sich wahrscheinlich vergackeiert, dass da jemand gegen ihre Pasta wettert, gegen die Polenta oder die Pizza, die ja auch nicht viel mehr ist als ein Fladenteig mit Auflage.

Nein, nein, es ist natürlich so, dass der Nordländer erst einmal beeindruckt ist von der Fülle einer zum Essen gedeckten südländischen Tafel.

Und natürlich findet es es grandios, dass es Wein gibt. Wein am hellichten Tag, er ist sowieso schon ein wenig angetütert von all dem Champagner auf dem Boot, schließlich schippert man ja schon eine ganze Weile herum mit Musik aus dem mitgebrachten Radiorekorder und da wird er doch nicht den Wein verschmähen und stattdessen birra bestellen.

Pop Life (Kapitel 19, S. 136/137) (mehr davon hier)


Do 9.04.09 9:01

Und dann, kurz bevor diese Welle anrollte, die er tatsächlich reiten wird, kurz vorher, fragt er sich, ob Deborah ihm diese Geschlechtskrankheit vielleicht aus Rache für den Holocaust an den Hals beziehungsweise an das andere Körperteil gehängt hatte, eine kleine, späte, persönliche Rache für etwas, das er nicht ändern konnte, ihm aber bis ans Ende seiner Tage anhängen würde.

Als er gerade zu glauben beginnt, so etwas würde eine Jüdin aus Queens nie tun, weil er abwägt, wie er Deborah kennengelernt hat und sie ihn, da, in den ersten Tagen seines neuen Lebens in New York, präziser: In der Kantine der Columbia University, in die er jeden Tag in der Hoffnung gepilgert war, etwas über den weiteren Verlauf seiner Reise in Erfahrungen bringen zu können, als er all diese Umstände abwägt, die letztlich dazu führen, Körperflüssigkeiten in größter Eile zu vermengen, kommt er zu dem Schluss, dass es sich hier nur um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt haben konnte, denn jemand, der Böses plant, singt nicht derart hohe Töne, nein, jemand, der so etwas Böses tut, täte das mit verchwiegenem, grimmigen Ernst, schließlich stünden hinter der Tat Millionen, die es zu rächen galt, und dabei singt man nicht, dabei zwitschert man nicht und ruft seltsame Namen, die tatsächlich wie Hans klingen mochten, ja, all das ging Hans durch den Kopf, und dann sah er sich plötzlich von dieser Welle emporgetragen, höher und höher empor und er ahnte, dass so eine Welle einiges anrichten konnte.

Pop Life (Kapitel 10, S. 49/50) (mehr davon hier)

17:45

Pop Life bewirbt sich um den Deutschen Buchpreis.

19:14

Hatte ich gesagt, dass das Leben aufregend und schön ist?

Ja.

Deshalb wird Herr M. am Abend vor der Kreuzigung einen kleinen Joint rauchen und ansonsten seinen Balkon genießen, der seit gestern mit einer formschönen Tschibo-Wetterstation (10 Euro, unter Menschen unwürdigen Bedingungen von unterdrückten, ausgebeuteten und entrechteten Arbeitern in China oder sonstwo hergestellt) ausgerüstet ist, die ihn ständig über die Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit informiert.

Ein wenig üben für seinen Auftritt am Sonntag in der Frauenstraße wird er auch müssen.
Obwohl - viele Dinge enstehen im Augenblick, daher nicht zu viel üben.
Nur soviel, dass man vorbereitet ist.

19:27

Es schellt. Ich gehe zur Tür, öffne. Vor mir steht eine junge Frau (Albanien, Kosovo, Roma), sagt "Entschuldigung" und hält mir eine kleine Kladde entgegen. Sie ist geöffnet. Auf der Innenseite des Umschlages ist das Foto eines Kindes, darüber steht in Großbuchstaben "Tumor" und darunter noch etwas, das ich nicht gelesen habe. Sie schaut mich nur an. Ich sage. "Tut mir Leid, ich kenne Sie nicht. Ich gebe niemandem an der Tür." "Entschuldigung", sagt sie, dreht ab und schellt beim Nachbarn Joachim.

Was der gemacht hat, weiß ich nicht.


Fr 10.04.09 9:33

Hans war derjenige, der mit geweiteten Augen hinausstarrte in diese fremde Welt, die manchmal dichter Dschungel war, dann steiniges Hochplateau, dampfendes, verregnetes Land ohne Licht weit und breit, bis auf die tanzenden Scheinwerfer des Busses, die von drahtigen, kettenrauchenden Männern gesteuert wurden, die auf Che Guevara und Jesus setzten, und so lange das half, sollte es ihm recht sein.

Nicht eine Minute Schlaf war ihm auf solchen Fahrten vergönnt, bis auf diesen Nachmittag auf dem Weg zur guatemaltekischen Grenze, da musste er eingeschlafen sein, denn er wusste noch genau, dass ihm plötzlich ein Schrei in die Gehörgänge fuhr, ein so ekstatischer, langanhaltender Schrei, dass er glaubte, die Guerillera habe den Bus überfallen, dann wieder meinte er, dass dieser Schrei Teil eines Traumes sein, den er nicht lesen konnte, er wurde hin- und hergeworfen, und als er schließlich die Augen öffnete, wurde klar, weshalb der Schrei immer noch anhielt, es war Samstag und irgendwo wurde Fußball gespielt, irgendwo war ein Tor gefallen und der Radiosprecher schrie, schrie und schrie.

Und wenn sie dann irgendwo ankamen, wenn die Nerven blank lagen, wurde vieles gesagt, aber das Wichtigste wurde verschwiegen. Immer wurde das Wichtigste verschwiegen, ganz gleich, wo man landete, es blieb nichts als Oberfläche, und das war zu wenig, fand Hans.

Konnten sie sich an die beängstigende Fahrt über Schotterstraßen in ein trichterförmiges Tal erinnern, auf dessen Grund ein Dorf war, eine erbärmliche Ansammlung von Lehmhütten? Wussten sie noch, wie der Bus hupend die letzten zweihundert Meter wie brems- und führerlos auf das Zentrum dieses Dorfes zustürzte, hier und da tauchten schattenhaft Menschen auf und unter, Gesichter im Schein von Gaslaternen, ferne Musik aus Lautsprechern, und dann dieser Schreck, dieses grenzenlose Erstaunen über ein Kreuz mitten im Dorf: der Gekreuzigte auf dem zentralen Platz, ein Schwarzer, un negro.

Pop Life (Kapitel 25, S. 227/228) (mehr davon hier)


10:10

Bruno (aka Paul) schreibt zu meinem Roman:

hallo lieber Hermann
mit monate ferschpaetung.......fielen dank fuer das schoehne buch.
Gut hast Du das gemacht. Jetzt weiss ich warum Du immer am schreiben warst.
Ich habe es noch nicht fertig gelesen.
Wollte eigentlich zuerst fertig werden und dann mailen aber, finde es so toll.........

Du wirst es nicht glauben aber, dieses ist das erste und einzige Buch das ich je gelesen habe, da ich nicht beeinflusst werden wollte.
Dies kommt von der Bibel, die ich als Kind immer lesen sollte, aber ferweigert habe.

Komm doch wider mal forbei.
Unser gaestezimmer ist nach ostern wider frei.
saluti
bruno

John (aka Steven) schreibt:

Hi there kraut,
that's the problem with Germans, so bloody impatient.
anyway, I lent Pop Life to a very good german girlfriend and .... very well written, liked it very much and, her words, not mine: I was the nicest character... god knows how she worked that out !!
It's now with another german friend after which I will attempt to read it.
well done Herman von Vonnegut!
Tschuss
Jon

15:24

Amazon Verkaufsränge schwanken die Börsenkurse.
Pop Life lag heute früh bei 140.000, augenblicklich liegt es bei 6.665.

Im Übrigen ist Sommer.

Ich bin über Land geradelt und habe gesehen, wie eine Krähe aus einem Baum aufflog, einen Zweig im Schnabel, der ihre Körperlänge überragte. Aber irgendetwas stimmte nicht mit diesem Zweig. Im Flug griff sie mit der linken Kralle danach, hielt ihn und setzte zur Landung in einem Feld an. Dort konnte ich nur erkennen, dass sie den Zweig bearbeitet.

 

Sa 11.04.09 00:42

Ich werde versuchen, alles, was kommt, unter sportlichen Aspekten zu betrachten.
Auch, und vor allem, wenn es nicht kommt. Einfach wird das nicht, aber das Alter hilft.

9:22

Gestern habe ich die beiden Amazon-Billigangebote für Pop Life, von denen ich schon sprach, vom Markt gekauft. Jetzt kostet das Buch wieder das, was es kostet, und in der Überschrift steht nicht mehr: Pop Life Hermann Mensing 69 Angebote ab € 2,40. Ich fand das unverschämt.

10:18

Ich öffne meinem Postboten. Er weiß, wie ich heiße, ich kenne seinen Namen nicht, habe ihn nie gefragt. Ich sage zu ihm "endlich wieder ein richtiger Postbote", denn in den letzten vierzehn Tage hatte eine zivil gekleidete Hilfskraft die Post achtlos durch den Zeitungsschlitz geschoben. "Ach Herr Mensing", sagt mein Postbote, "in vier Wochen bin ich ganz hier weg." "Weg?" sage ich entsetzt. "Sie glauben das ja nicht", sagt er, "ich bin jetzt fast zwanzig Jahre hier, und da holen sie mich vom Rad und versetzen mich nach Handorf, Pakete ausfahren, und die Bezirke hier werden mit 400 Euro Kräften besetzt."

So ein Scheiße.

10:59

Die sollten mal nach Afrika kommen, dachte Steven, die überlebten keine Woche da, die nicht - diese Europäer. Die wissen ja noch nicht mal, wie man über einen Preis feilscht, die zahlen, was man ihnen sagt, und haben schon verloren.

Die Gedanken in Stevens Kopf drehten sich schneller und schneller, und schließlich dachte er, okay, dann frier ich mir eben die Eier ab, macht ja nix, werden eh nicht mehr gebraucht, also, was soll's, die Jungs wird es freuen.

Er schleuderte ein verächtliches "listen, mates, I do it" gegen den halbrunden Felsprospekt, der beilte sich "uit uit" zurückzuwerfen, dann hatte Steven sich auch schon ausgezogen und warf sich kopfüber in das eisige Wasser.

Das bekam ihm nicht.
Er hatte sich wohl überchätzt, und wären Paul und Hans nicht sofort hinterher, wer weiß, vielleicht wäre er einfach auf dem Wasser liegen geblieben, das Gesicht nach unten, und hätte sich so in die Reihe der Opfer eingefügt.

Als hätte es nicht schon genügend Opfer gegeben.

Hans und Paul zerrten ihn ans Ufer, Hans, der Erfahrung hatte und sich erinnerte, bracht ihn in die stabile Seitenlage, man rieb sein Gesicht mit Schnee, man schlug ihm leicht links und rechts auf die Wangen, Stevens Augenlider flatterten, ein verächtliches Lachen verzog sein Gesicht, aber das war wohl noch ein Lachen aus einer anderen Welt, sie rubbelten Steven trocken, sie sahen zu, dass sie ihn wieder anzogen, und kaum war das geschafft, kotzte Steven den Gletschersee voll, dass es eine Pracht war.

Kaum war er damit fertig, verlangte er, dass sie jetzt sofort zurück in Charlies Hütte gingen, sich aufwärmten, eine Kleinigkeit äßen und dann weitertränken.

Pop Life (Kapitel 23, S. 203/204) (mehr davon hier)

13:37


Werde da Ukulele spielen, die Djembe prügeln, Texte lesen und zu Loops Texte singsangen. Bin gespannt, wie das ausgeht.

19:25

Auf meinem alten Rechner waren noch Dateien, die es zu transferieren galt. Dabei überschrieb ich die aktuelle Version eines neuen Romans mit einer älteren, nur 14 Seiten starken Version. Nun fehlt mir ein Kapitel. Ich weiß zwar, was drin stand, aber so werde ich es nicht wieder hinbekommen. Bleibt also nichts, als das 3. Kapitel neu zu entwerfen.


So 12.04.09  10:00



Mo 13.04.09   1:19

Draußen hat es noch 18 Grad, und ich habe ich den ganzen Abend in der Frauenstraße verbracht, ein Kulturzentrum. Dumm. Drei Bands habe ich mir anhören müssen, dann war kurze Pause und es ging auf 23 Uhr, als ich zu lesen begann.

Das Mikrofon war eines dieser Mikrofone, die nur funktionieren, wenn man nah heran geht, das Licht war nicht gut, und dann waren auch Leute da, die redeten, hinten, dicht bei der Tür. Nicht, dass sie nicht reden sollen, aber für einen Vorleser ist das tödlich. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätten draußen geredet.

Ich habe das erste Kapitel gelesen, und dann Texte zu Loops gesprochen. Niemand kannte die Bands. Eine Flasche Wasser kippte um, ich saß eingebunkert hinter zwei Mikrofonen und einem Notenständer.

Ob ich gut war, wage ich zu bezweifeln.

Die Zuhörer, zwischen 18 und maximal 30, haben eher fassungslos zugehört, glaube ich, was ja nicht schlecht ist, Fazit ist dennoch: ich war auf der falschen Veranstaltung. Zielgenau kam nach dem Auftritt eine Frau zu mir, die meine "perfomance" ganz "super" fand und meinte, sie organisiere eine Vernissage im Dezember, da müsste ich unbedingt auftreten. Die Idee mit Musik und Texten fände sie "geil". Gut. Was soll ich sagen. Ich auch. Aber ich glaube nicht, dass ich das sollte.

Noch ein Glas Wein, dann ins Bett.

10:30

Eigentlich eine interessante Veranstaltung, wenngleich viel zu lang.
Nicht einmal junge Menschen sind in der Lage, vier Stunden fünf verschiedenen Interpreten zuzuhören.
Mir haben Tigeryouth  und  Jock Watson & Die Anonymen Melancholiker am besten gefallen. Tigeryouth mit zwei Gitarrren und einem Cello, Jock Watson mit einer Gitarre plus Cello.

11:23

Die japanische Kirsche vorm Haus.
In den letzten Jahren hat sie immer früher geblüht.
Siehe auch: Klimawandel.

17:10

Während des gesamten gestrigen Abends saß eine junge Frau (noch fast ein Mädchen) vorn beim Mischer. Sie hatte einen Laptop, ein großes, digitales Zeichenpad, auf dem sie zeichnete, und das, was sie zeichnete, wurde über einen Beamer zeitgleich auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert. Das gefiel mir.

Das ist das Bild, das sie von mir gemacht hat.
Der Kopf stimmt nicht, aber sonst .....





Di 14.04.09  11:35

Dieser Singsang zu Loops war ein gewagtes Unternehmen, das wusste ich vorher. Die Tatsache, dass ich ihn zum ersten Mal öffentlich aufführte, hat die Dinge auch nicht erleichtert. Beim Soundcheck las ich ein Gedicht zur Djembe. Das war bei den Anwesenden (Tigeryouth und deren Freundinnen) sehr gut angekommen, besser, als ich erwartet hatte.

Als dann Showtime war, war mein Mund trocken, der Galgen eines Mikros warf Schatten quer über meine Texte, sodass ich sie entweder höher oder tiefer halten musste, wo dann die Lichtverhältnisse schlecht waren, all diese Kleinigkeiten habe ich ja schon beschrieben.

Mein größter Fehler aber war, dass ich nicht früher aufgestanden bin, mich an den Bühnenrand gestellt habe, um dort zu lesen. Ich blieb sitzen, und so hockte da letztlich ein Mann, der im Schnitt zwischen 30-40 Jahre älter war als ein Großteil der Anwesenden, er hockte da (nicht wie auf dem Bild oben, Inga hat die Mikroständer und den Notenständer einfach weggelassen), las Texte und keiner wusste, was das zu bedeuten hat.


Mi 15.04.09  00:50

Stoppok im Logo, Ahaus, vorhin ...







11:11

Hinter der Orchestermuschel war ein verschwiegener Gang, von verschiedenstem Grün überwuchert, paradiesgrün, dachte Hans, Bananen vielleicht, auch egal, auf jeden Fall hatte er beschlossen, hier seinen Schlafsack auszurollen.

Vorsicht war dennoch geboten.
Zwar meinte er irgendwo irgendwann einmal gelesen zu haben, auf Hawaii gäbe es weder giftige Insekten noch Reptilien, dennoch, dies war Amerika, Honolulu, Oahu. (...)

Für den Fall der Fälle hatte er einen Dolchmit 20 Zentimeter langer Stahlklinge, Blutrinne, Solingen. Sein Schlafsack war ein unförmiges, von außen gummiertes Ungetüm aus Beständen der NATO, das dem darin Schlafenden den Vorteil bot, damit davonlaufen zu können. sogar zwei Arme hatte das Ding, bequem war es nicht.

Pop Life (Kapitel 7, S. 34) (mehr davon hier)

18:43

Nach wie vor verfolge ich meine Chartpositionen bei Amazon. Jede Bewegung bewegt mich, und die Bewegungen der Kollegen bewegen mich ebenso, vor allem, wenn sie mich überholen. Aber bei einem geht es schon wieder abwärts, und er war nie da, wo ich vor ein paar Tagen war. Sport ist harter Kampf um jeden Platz und ich kämpfe mit. Hilft ja nix.

23:03

M. hat das 3 Kapitel neu konzipiert. Möglich, dass es gut ist. Wer weiß.


Do 16.04.09
 16:58

Nach einer Weile kehrte der Schaffner zurück und versuchte es noch einmal. Mittlerweile war die Nacht über Land gekommen, wie sie nur in tropischen oder südlichen Ländern übers Land fällt, tief, deprimierend schnell, dunkel, mit einem Gekreisch draußen, das keinerlei Sinn machte, ein Gemisch aus Zikadenlärm, Hundegebell und Geheul, das Hans nichts und niemand zuordnen konnte.

Periodisch bimmelten Bahnhübergänge ihre sehnsüchtig klingenden Lieder, das Schlagen der Räder auf den Gleisen war monoton und laut, die Luft jedoch in der ersten Klasse war kühl, angenehm kühl.

Pop Life (Kapitel 16, S. 103) (mehr davon hier)

23:04

Neben mir ein kleines Paket. Es heißt Roman und hat schon 26 Seiten. Dennoch ist es nicht vergleichbar mit dem letzten Paket. Das letzte kam wie von selbst. Dieses hier will Wort für Wort abgeholt werden, und oft weiß ich nicht einmal, wo ich es abholen muss. Harte Arbeit also, harte Arbeit für wenig Geld, das übliche.


Fr 17.04.09
15:58

Das Paket ist auf 31 Seiten gewachsen.
Und für den Juni ist eine Pop Life Lesung in Berlin angedacht.
Das Plakat dazu sieht so aus.

 

17:30

Pop Life wird auf der Buchmesse Teheran am Stand von foreign-rights.at ausgestellt.

22:48

Ich kannte den Großvater noch. Damals war sein jüngster Sohn auch schon mit hinter der Theke. Als der Großvater starb, übernahm er. Der ältere hatte nie mit der Kneipe zu tun. Er ist Feuerwehrmann und hat eine Frau die trinkt. Seit etwa zwei Jahren ist der Enkel häufiger hinter der Theke, als der Sohn, sein Vater.

Ob das abgemacht ist?

Ich mag den Enkel nicht, den Sohn des Sohnes. Seinen Vater mag ich. Den Großvater mochte ich auch, der war, wie sich Fremde vielleicht Westfalen vorstellen, wortkarg, groß, weißgrauhaarig, gebeugt, wegen irgendeiner Arthritis oder eines Rheumas, eine Erscheinung. Ich glaube, seine Frau lebt noch.

Ich trank ein Pils und einen Aquavit. Ich kam von einem Spaziergang. Es war angenehm. Die letzten Tage waren mir zu warm, mir ist nach Frühling, noch nicht nach Sommer. Die japanische Kirsche hat alles gezeigt, was sie kann, jetzt fliegen die Blütenblätter. Vereinzelt noch, aber beim nächsten Wind wird rosa Schnee taumeln.


Sa 19.04.09   11:45

Offener Brief

B. W.

Böhlitzer Mühle 3A
04178 Leipzig


Guten Tag Frau W.

eigentlich sollte ich Sie keines Wortes würdigen.
Ich tue es dennoch, weil Feedback manchmal hilfreich ist.

Ich habe meinen von Ihnen bei Amazon eingestellten Roman Pop Life gekauft, weil ich es unverschämt finde, einen gerade erschienen Roman, den Sie wahrscheinlich als Rezensionsexemplar abgegriffen und/oder sonstwie bekommen haben, für € 2.50 anzubieten.

Ich werde mit meinem Verlag sprechen, wir werden sehen, ob Sie sich auf irgendeiner Rezensentenliste befinden, wenn ja, seien Sie sicher, dass wir Sie schleunigst daraus entfernen.

Sollten Sie's auf der Buchmesse Leipzig geklaut haben (was ja auch möglich ist) treffe Sie der geballte Zorn aller zur Verfügung stehenden Götter.

Also, in diesem Sinne mit tiefer Verachtung

H. Mensing

22:25

What's the matter with this.
Who are those guys? (Rickie Lee Jones: Road kill)

Man kann ruhig rausgehen auf den Balkon, da ist kein Leben. Alles ist wunderschön, alle hocken drin. Frag mich immer häufiger, was die wollen.



So 19.04.09 11:43

Und dann kam dieser Abend, ein Mittwoch in der vierten Woche seines Aufenthaltes: Der Regen hatte nachgelassen, zumindest das Schlimmste schien vorüber, als sehr spät ein VW-Bulli auf den Parkplatz fuhr. In diesem Bulli saßen drei Männer: ein blonder lanhaariger mit geflickter Jeans, ein breitschultriger, etwas stiernackiger GI-Typ, der den Wagen gesteuert hatte, und ein eher geduckter, kleinäugier Pole, jedenfalls hatte er geredet wie ein Pole, der Englisch spricht.

Die drei hatten gegessen und Stevens Boss gefragt, ob sie die Nacht über in ihrem Bulli auf dem Parkplatz schlafen könnten und ob das sicher sei. Der Boss hatte gesagt, dagegen wäre nichts einzuwenden. Bangor sei recht friedlich, er wünsche ihnen eine gute Nacht.

Am nächsten Morgen waren die drei früh aufgebrochen und Steven, der Frühschicht hatte, hatte ihnen lange nachgeschaut. Noch konnte er nicht wissen, dass einer der drei Reisenden in dem Bulli sein Schicksal maßgeblich beeinflussen würde, oder (anders ausgedrückt, denn das Leben ist ja perspektivisch ausgerichtet und jeder hat eine andere), aus der anderen Perspektiv wusste natürlich auch keiner der drei, dass Steven einmal sein Leben beeinflussen würde.

Es ist auch besser, so etwas nicht zu wissen, denn sonst könnte man ja keinen Schritt mehr tun, ohne die Angst, schwerwiegendste Fehler zu machen.

Steven schrieb Linda am nächsten Tag einen Brief. Er schrieb, er habe die Zeit mit ihr sehr genossen, aber sie solle nicht traurig sein, er sein nun mal ein Reisender, und der Weg sei das Ziel. Als Linda den Brief bekam, fragte sie sich gerade, wieso ihre Regel ausblieb.

Pop Life (Kapitel 5, S. 23/24) (mehr davon hier)

19:19

Eine Woche ist es her, dass ich in der Frauenstaße Texte zu Loops gesingsangt habe. Die Karenzzeit ist vorbei, ich weiß jetzt, wie ich war: grottenschlecht.


Mo 20.04.09
  13:33

Sie verfügten zusammen über 200 Dollar, aber die Einreisebestimmungen verlangten, soweit er sich erinnern konnte, mindesten so viel pro Person. Also hatten sie abgemacht, auf die Frage, wie viel Geld sie dabei hätten, zweihundert Dollar zu sagen. Sie hatten sich eine Strategie überlegt.

Sie gingen davon aus, dass es bestimmt nicht den Ersten träfe, sollte ein Zöllner Geld sehen wollen. Also hatten sie beschlossen, dass Hans derjenige wäre, Hans wäre der Zweite, Hans hätte 200 Dollar in der Tasche, weil Hans immer gefragt wurde, wenn jemand gefragt wurde, davon waren Steven und Paul nach wie vor überzeugt, obwohl Hans bei der Einreise in Guatemala doch so raffiniert vorgegangen war.

Sollte nicht Hans, sondern Steven und Paul gefragt werden, würden sie versuchen, sich das Geld zuzustecken.

Aber dann wurde niemand gefragt, zunächst jedenfalls nicht. Ob das nun eine List war oder nur eine Nachlässigkeit, läuft auf das Gleiche hinaus, sie waren durch, sie freuten sich schon, und dann war es Steven, der zurückgerufen wurde.

Das war alles so plötzlich gekommen, dass Hans keine Chance mehr gehabt hatte, ihm das Geld zuzustecken, und als der Zöllner dann fragte, ob er Stevens Geld sehen dürfe, konnte der nur mühsame zwölf Dollar zusammenkratzen.

Das Gesicht des Zöllner verdüsterte sich, er und sein Kollege streckten die Köpfe zusammen und die drei wussten, was jetzt käme. Nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage war es jetzt an ihnen, Steven rauszuhauen. Die Zöllner waren schon fast so weit, Steven abzuführen, als Paul sich an sein Nugget erinnerte. Er hatte keine Ahnung, was so ein Nugget wert war, aber hatte sein Onkel nicht damals gesagt, es könne ihn eine Woche ernähren.

Paul trat einen Schritt vor, kramte sein bestes Spanisch heraus, nestelte das Ledersäckchen, in das er das Nugget eingenäht hatte, aus seiner Jeans hervor, holte sein Schweizermesser, schnitt das Säckchen auf, sagte "por favor, wird das reichen?" und legte das Nugget vor sie auf den Tisch.

Die beiden Zöllner waren verblüfft.

Pop Life (Kapitel 26, S. 295/296) (mehr davon hier)


Die 21.04.09   8:54

Es tut mir Leid, ich bin Antisemit.

Nicht in dem Sinne, wie man sich den klassischen Antisemiten vorstellt, also Holocaust-Leugner etc. pp., nein, das alles ist so grauenhaft, dass ich mir jeden Tag wünsche, es wäre nicht geschehen, wenngleich mir beim Betrachten der alltäglichen, weltweiten Grausamkeiten und dem damit einhergehenden allgemeinen Wegducken der Öffentlichkeit schon klar wird, dass wir keine vertrauenswürdige Spezies sind.

Beim Wegducken aber vor den Grausamkeiten derer, die selbst Opfer waren, gibt sich die Welt ganz besondere Mühe. Dabei geht es um Menschenrechtsverletzungen, jahrzehntelange Missachtung von UN-Resolutionen, gesetzwidrige Landnahme und Vertreibung und der letzte Krieg liegt gerade erst ein paar Wochen zurück.

Ich kann und werde diesem Trend nicht folgen.
Auch wenn alle sagen, gerade wir sollten besonders achtsam sein.
Wir sollten das auch, aber nicht auf einem Auge blind.

So, Freunde, jetzt dürft ihr mich hassen und mutmaßen.
Aber ich garantiere euch, ich bin nicht das, was ihr denkt.
Ich versuche nur, mir Klarheit zu verschaffen.

Und wenn Sie mich fragen, wen mag ich lieber, Herrn Liebermann oder Herrn Ahmadinedschad, antworte ich: beide sind Psychopathen, aber Herr Ahmadinedschad ist einfach cooler, wenn sie mir das so durchgehen ließen. Danke.

13:39

Der Anruf war vor vier Wochen gekommen, irgendwann am späten Nachmittag. Sie hieße Christina, sagte sie, ob ich mich an sie erinnere, wir hätten auf einer Session miteinander gesprochen. Sie sei Sängerin, und ich hätte damals gesagt, wenn ihrer Band mal der Trommler fehle, solle sie mich anrufen. Und das wäre nun so. Am Montag, den 20.04., fehle der Trommler und ob ich Lust hätte, auszuhelfen. Wo das denn sei, fragte ich, und sie sagte, da und da. Ja, antwortete ich, mache ich gern. Aber rufe mich einen Tag vorher noch einmal an.

Gestern rief sie an und ich fuhr
dorthin. Einfamilienhaus, weißer Sandstein, Industriegebiet, Partykeller. Die Männer zwischen 40 und 60. Die Bar im Partykeller gut ausgerüstet. An den Stirnwänden zwei große Poster. Junge, für Jeans werbende Frauen, die ihre Hemden bis knapp über Venushügel offen trugen, sodass man besser sehen konnte. Ein lebensgroßes Poster gleich hinter der Tür links: eine Afrikanerin, nackt auch sie, aber so in folkloristische Perlen- und Muschelgürtel gekleidet, dass man erst mal nichts weiter denkt.

Wir beginnen um 20:00 Uhr. Um 22:00 soll pünktlich Schluss sein. Der Hausherr kommt um 20:15. Er hatte eine Ratssitzung. Gespielt wird vom Blatt. Die Bläsersätze, sehr geschmackvolle Bläsersätze, sind vom Pianisten und einem der zwei Saxophonisten geschrieben. Man spielt Anspruchsvolles. Man spielt das sehr nüchtern, man spielt nicht begeisternd, aber es macht Spaß. Da sind Liebhaber am Werk, denke ich. Werktreue Liebhaber. Es gibt Schlimmeres.

Um 22:10 sitze ich wieder im Auto und fahre nach Hause. Sie haben mich gelobt. Sie haben gesagt, so einen leise spielenden Schlagzeuger hätten sie lange nicht mehr gehabt. Das ist doch was, oder. Das ist mal eine Meldung.

Besser, als sich immer wieder über Israel aufzuregen.
Als ginge mich das überhaupt etwas an. Seit meinem Eintrag heute früh habe ich schon hundert Mal überlegt, den Eintrag wieder zu löschen, aber ich lasse das. Die, die mich missverstehen wollen, sollen das ruhig. Denen kann ich auch nicht helfen.

15:10

Man verhörte ihn. "Vorrink?" fragte jemand. "Is that your name? Hans Vorrink?"
Hans nickte.
Man war nicht unfreundlich, aber er spürte, dass man ihn schlimmer Dinge verdächtigte. Kommunismus, Rauschgift, Zweifel an der Großartigkeit Amerikas, so etwas. Da er sich schuldlos fühlte, fiel es ihm leicht, die Fragen der Beamten zu beantworten.

Manche waren dumm, andere ein wenig peinlich, etwa die, die man ihm schon bei der ersten Einreise gestellt hatte, hatten Sie je eine Geschlechtskrankheit?

Nein, bis auf die, die Deborah, eine Jüdin aus Queens, mit vor acht Wochen angehängt hat, aber das sagte er nicht, erstens, weil er schon wieder gesund war, zweiten, weil ihm klar war, dass die Beamten nur ihre Pflicht taten und den Vorurteilen aufsaßen, die man ihnen eingetrichtert hatte. Sine Papiere waren in Ordnung, in seinem Gepäck fand sich nichts, was dort nicht hätte sein dürfen, und so wurde er eingelassen ins Paradies.

Pop Life (Kapitel 1, S. 1/2) (mehr davon hier)


Mi 22.04.09   9:32

Es begann vor etwa 5 Wochen. Sie konnte nicht sitzen, sie konnte nicht liegen, gar nichts konnte sie, und die Schmerzen raubten ihr den Schlaf. Ein Arzt (eine Urlaubsvertretung) verschrieb Schmerzmittel und riet, sie solle ein wenig kürzer treten. Das werde schon wieder. Besserung trat nicht ein.

Sie konsultierte einen Orthopäden. Der sagte, das sei Verschleiß, da könne man wenig tun, und verschrieb schmerzstillende Mittel. Der Schmerz ließ nicht nach. Der zweite Orthopäde (Gemeinschaftspraxis) setzte ein paar Spritzen, verschrieb Physiotherapie, aber die Therapeutin wusste bei der ersten Anwendung nicht einmal, was die Patientin eigentlich hat.

Die Schmerzen ließen nicht nach. Die Schmerzen raubten weiterhin Schlaf und drückten die Stimmung. Sie konsultierte ihre Hausärztin. Die befasste sich näher mit ihr, griff hierhin und dorthin, setzte Spritzen, die Patientin glaubte, ein wenig Linderung zu spüren, aber tatsächliche Linderung trat nicht ein.

Immerhin wurde sie krank geschrieben.
Den fehlenden Nachtschlaf versuchte sie tagsüber nachzuholen.
Aber sie schlief immer nur so lang, wie die Medikamente den Schmerz linderten.

Dann schließlich die Überweisung zu einem weiteren Orthopäden. Der sagte, natürlich sei Verschleiß in ihrem Alter immer auch begleitende Ursache und nicht zu therapieren, der tatsächliche Grund ihrer Schmerzen liege aber woanders. Ob es sein könne, dass sie sich die unteren Rippenbögen gestaucht oder sonstwie verletzt habe. Sie wusste es nicht. Sie wusste aber, dass der erste Schmerz von dort ausgegangen war. Natürlich, bestätigte der Orthopäde, so ein Schmerz streut. Man spürt ihn auch im Rücken. Aber die Ursache, sagte er, könne er bei den Rippen ertasten. Er gab ihr zwei Spritzen.

Sie schlief durch.
Sie erwachte und sagte, endlich sei Linderung zu verspüren.
Fünf Ärzte, fünf Meinungen. Jetzt geht es aufwärts.

17:59

Die Maikäfer schwärmen. Als Kind rannte ich los, stellte mich unter Straßenlaternen. Wenn sie fielen, sammelte ich sie auf und sperrte sie in ein Marmeladenglas. Das stopfe ich voller Hainbuchenblätter. Maikäfer lösen bei mir immer noch kindliche Freude aus. Aber etwas ist anders: unsere Katze frisst sie mit Stumpf und Stiel.


Do 23.04.09 8:12

Eine dichte Wolkenschicht hängt über Westfalen. Das Land ist erschüttert. Die Wirtschaft befürchtet massivste Einbrüche. Soziale Unruhen breiten sich aus. M. ficht das nicht an. Er setzt sich ins Auto, fährt nach Soest und suggeriert Kindern, die Welt sei doch schön. Dafür kassiert er 500 Euro.

17:07

Der Plan ging auf. Legte zwei äußerest virulente Lesungen hin. Die erste aus einem noch unveröffentlichten Manuskript, Das schwarze Buch, die zweite aus Abends am Meer. Da hätten Sie mal hören sollen, wie gekreischt und gekiekst wurde, denn es geht um Liebe und es wird kein Blatt vor den Mund genommen.

Natürlich ist es nicht einfach, so eine Lesung durchzustehen, weil man die Hälfte der Zeit damit verbringt, die auf Hochtouren laufenden Kinder wieder auf NN herunter zu schalten, aber dann kommt schon die nächste Stelle, vielleicht taucht sogar das Wort Sex darin auf, und dann geht das Gekreische wieder los.

Ich hätte es einfacher haben können, aber das Risiko hat alles andere aufgewogen.

Zu Anfang jedoch, heute früh, ich las in der Turnhalle, weil die übrigen Räume wegen des Zentralabiturs belegt waren, fehlte mir erst die Brille, was einigermaßen verwirrend war, denn ich hatte sie ja gerade noch benutzt. Nach einigem Suchen fand ich sie in der Ablage der Mittelkonsole meines Autos. Hatte sie wohl zusammen mit der Sonnenbrille dort hineingelegt.

Und dann war da noch dieses leichte Flirren an den Außenrändern meines Gesichtsfeldes. Überlegte, ob ich vielleicht gleich tot umfiele, beruhigte mich aber mit dem Gedanken, dass das okay wäre, während einer Lesung zu sterben, wäre nicht das Schlechteste, vorausgesetzt, man wird nicht reanimiert und verbringt des Rest seines Lebens als sabberndes Gemüse.

18:20

In der Regel sprechen wir bei Lesungen auch über Träume und Wünsche. Das kommt automatisch, wenn die Kinder mich fragen, warum ich Schriftsteller geworden bin. Ich frage dann gern zurück, weil man von den Wünschen der Kinder ausgehend wie Geschichte vom Traum, an dem man festhält, weiterspinnen kann. Da kommen dann die üblichen Kinderträume. Das geht von Tierärztin bei Mädchen bis Fußballprofi bei Jungen. Ein Junge antwortete auf meine Frage, was er einmal werden möchte: Rentner.

Da war ich geschockt.

22:04

Hörte gestern Frau Lewitscharoff in der Stadtbücherei. Leicht psalmodierend, aber nicht schlecht. Das war's aber nicht, was ich erzählen wollte. Sie lästert in ihrem Buch sehr über Bulgarien. Nach der Lesung stand ein Mann meines Alters auf, sagte, er sei Bulgare, und ihm gefalle überhaupt nicht, wie sie, eine Halbbulgarin, über Bulgarien spreche. Ob sie nicht wisse, dass Bulgarien eine 1300 Jahr währende, ruhmreiche Geschichte habe, ob sie den, den und den großen Schriftsteller nicht kenne, den, den und den Sänger?

Das wisse sie schon, antwortete sie, aber ihr Text sei ja Literatur, die arbeite mit anderen Mitteln, Literatur dürfe das. Es entwickelte sich eine Diskussion, und dann sagte eine Frau gleich rechts hinter mir, also sie fände ja, dass man, wenn man so einen Roman läse, ja wisse, dass das ein Roman sei, und dass man, wenn man etwas über Bulgarien lesen wolle, gefälligst einen Reiseführer zu Rate ziehen solle.

Ich drehte mich um.
Es war dieselbe Frau, die dasselbe Argument schon einmal gebrauchte.
Und zwar hier.
Sie hat wohl nur dieses eine.

22:43

Habe in letzter Zeit einiges über den Talmud erfahren, war sehr interessiert und stieß auf diese Seite. Wenn Sie sich mal richtig gruseln möchten, klicken Sie sie an und scrollen mal ein wenig herum. Lesen Sie auch die Einleitung.


Fr 24.04.09
  18:19

Wie Paul und Hans da halb betäubt heraustaumeln aus dem Überlandbus, wie sie den weiten Platz überqueren, sich über ausgeschlagenes Pflaster und Schlaglöcher auf das verdorrte Grün einer Verkehrsinsel retten, wie ihre Augen hin- und herzucken, um nicht von den zahllosen, schrottreifen Taxen erledigt zu werden, wie sie Handkarren ausweichen, auf denen transportiert wird, was eben zu transportieren ist, wie sie versuchen, die Kakophonie dieses mexikanischen Alltages zu überhören, wie sie den Wohlmeinenden (oder den Kleingangstern) jedes Wort abwürgen mit wütenden NeinNeinNein Handbewegungen: Haut bloß ab, lasst uns in Ruhe, nein, wir sind keine Gringos, wir nicht, wir sind Europäer, weg da, ihren stinkenden Mexikaner.

Natürlich sagen sie das nicht. Sie denken es nicht einmal. Aber sie tun so, als würden sie es denken, und dann denken sie es auch, denn wie anders sollten solche Abwehrbewegungen zustande kommen, würden sie nicht aus einem in in ihrem innersten Innern verborenen Brunnen voller Vorurteile gespeist, die alle nur eine Wahrheit kennen: Ich bin ich, alle anderen sind gefährlich.

Vor allem diese Dunkelhäutigen mit lackschwarzem, brillantinesteifem Haar, vor allem die, die haben Messer, Revolver, you name ist.

Pop Life (Kapitel 8, S. 39) (mehr davon hier)


Sa 25.04.09   13:23

Geradezu erschreckend fand ich, dass bei der Lewitscharoff Lesung am Mittwoch von etwa 80 Zuhörern 70 weiblich waren, weiblich, meist zwischen 30 und 50, ein paar ältere. Als würden Bücher nur für Frauen geschrieben.

17:31

Der Tag war noch nicht einmal zur Hälfte vorüber, das Beste käme noch, hatte Paul gesagt und wie er das gesagt hatte, mit diesem unterkühlten, fernen Lächeln, hätte man glauben können, er sähe das alles voraus, den Wind, die Wellen, das große Schiff, den Wind, die Wellen, den Sturm, aber natürlich war das dummes Zeug.

So etwas erwartet niemand, niemand rechnet damit, dass so etwas geschehen könnte, von so etwas hofft man nicht einmal zu träumen, so etwas geschieht, und alle, die am nächstenTag davon in der Zeitung lesen, sagen, wie schrecklich, wie grauenhaft, wie konnte das nur passieren.

Pop Life (Kapitel 23, S. 178/179) (mehr davon hier)


So 26.04.09   19:17

Ken, ein GI, der in Vietnam Dienst tat und auf Leave war, also Urlaub machte, hatte ihn beim Trampen aufgelesen und (nicht ganz legal) mit auf den Stützpunkt genommen.

Und dort, noch am gleichen Abend in einer Bar, in der alle anwesenden GIs stoned wie die Nachteulen waren, weil Typen wie Ken Marihuana in Seesäcken unbehelligt ins Land schaffen konnte, dort fragte ihn ein höherer Dienstgrad, ein Arzt, der in Vietnam schon zu viel gesehen hatte, ob er den Führer machen könne, schließlich sei er doch Deutscher.

Hans war zusammengezuckt. Erstens war der Führer Österreicher, zweitens sprach er nicht gern über diesen krakeelenden Wahnsinnigen. Führerwitze waren Hans nicht geheuer, und falls Hans ein Problem hatte, hatte es mit dem Führer zu tun, wahrscheinlich war das Hans' größtes Problem, der GAU eines jeden jungen Deutschen seines Alters damals, aber bitte, sie versprachen ihn hochleben zu lassen und ihm einen auszugeben, und da erinnerte er sich an seinen Vater, der den Führer beängstigend gut imitieren konnte.

So kam es, dass Hans an jenem Abend vor johlenden GIs auf einer Air-Base bei Tokio dem deutschen Volk Marmelade und der Ostfront besseres Wetter versprach, was alle Anwesenden großartig fanden und weshalb Hans sich auch kaum noch an den Rest des Abends erinnern kann.

Pop Life (Kapitel 4, S. 18/19) (mehr davon hier)


Mo 27.04.09   12:07

Mensing bügelt, Mensing sorgt, Lebenszeit ist nur geborgt, Mensing hofft und Mensing schwankt, dankt.

13:47

Ich hocke vorm Rechner und versuche mich in meinen Roman einzufädeln.
Ich bin auf Seite 47, es ist früher Morgen, zwei Männer fahren auf einem Rad, der eine (Karl) ohne rechte Perspektive, der zweite (Mies, ein Holländer) mit Perspektive, beide ohne Geld. Der erste in Wartestellung, der zweite ein Herausforderer des Schicksals, schwul. Ich denke, dass sie Freunde werden.

Karl und Mies sind in den Zwanzigern, die Zeit ist jetzt, die Stadt ist eine namenlose Stadt. Es geht um die Krise, die immer schon Krise war und wie ein Mensch trotzdem nicht aufgibt. Aber "die" Krise ist nur das Setting, vor allem geht darum, wie Karl, der erst als 13jähriger erfuhr, dass sein Vater Selbstmord verübt hat, mit dieser Hypothek fertig wird.

Ich hoffe, dass mir das nicht zu ernst wird, aber mit den Erfahrungen, die ich beim Schreiben von Kinder- u. Jugendbüchern über die Jahre gesammelt habe (in denen es auch oft um im Grund sehr ernste Dinge geht), wird das schon klappen.

Habe heute früh schon gebügelt, das Bügeleisen zerlegt, ein neues gekauft, die Wäsche in Schränke sortiert. Jetzt, hier, vom Rechner, klicke ich mich zwischendurch immer wieder hierhin und dorthin, vermeide, die Amazon-Verkaufsränge anzuschauen, die erstaunliche Auf-u. Abwärtsbewegungen vollführen.

Beste Position bislang: 6tausendpaargehackte. Vorgestern um die 70.000.
Als ich die Luftschacht Leute im November letzten Jahres zum ersten Mal traf, sagte ich ihnen, dass ich glaube, dass Pop Life meine Rente sichern wird.

Das glaube ich immer noch. Es geht mir nur zu langsam.

22:24

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

1

eins hatte sich verkrochen
obwohl - s' hat gut gerochen
eins stellte sich ein bein
verbog sich seinen schein
eins wollte lieber tot sein
eins kriegts gern hinten rein
eins hätte lieber doch
ein zweites großes loch
eins trüge schicke leibchen
eins wäre gern ein weibchen
eins kugelte sich rum
die andern wären dumm.


Di 28.04.09   11:37

2

als geranien aus bethanien
gestern rev'lution ausriefen
liefen viele fleiß'ge liesen
eiligst über zum begießen
selbst narzissen, ausgeblüht
standen hochkant, abgebrüht
neben tulpen aus aalsmeer
krochen würmer hin und her
jemand rief die ambulanz
tausendschönchen tanzten tanz
flora, fauna, alle kamen
bienen schwirrten zum besamen
endlich kam die welt in fluss
dann war schluss.


Mi 29.04.09   15:46

Warum besitzen so viele Holländer Speedboote? - Damit sie vor den Enten das Brot erreichen.

17:27

Man tarnt seine Eitelkeit gern. Deshalb fuhr ich erst zum Türken in der Bahnhofstraße meiner alten Stadt, um dort Succuc und Nudeln zu kaufen. Der Türke allerdings ist gar kein Türke, auch wenn er so aussieht. Er ist Aramäer, fällt also nicht unter den seit 9/11 geltenden Bann: böser Muslim.

Tatsächlich aber war ich in die Stadt gefahren, um nachzuschauen, ob schon Plakate meine Lesung am 13.5. ankündigen. Der Veranstalter hatte gesagt, man drucke 250. Ich sah keines. So ist das mit der Eitelkeit. Man wird meist enttäuscht.

20:21

Alles was wir so tun ist sinnlos unsere Zeit ist eine der düsteresten Epochen und wir fühl'n uns oft so alleine Übertreibung macht krank wo ist der Drogenschrank. (Pendikel: Dead City : Album: Don't cry, Mondgesicht)


Do 30.04.09   12:13

Steven erklärt ihm alles geduldig, und es scheint, dass dieser Truckdriver, der zweimal so alt ist wie er, ein Korea-Veteran, langsam begreift, dass im Führerhaus seines mit vierzig Tonnen beladenen Trucks jemand sitzt, der etwas tut, wovon er schon oft geträumt hat, und dass dieser langhaarige Engländer vielleicht etwas verstanden hat, was er nie verstehen wird.

Für zwanzig, drießig Meilen macht ihn das wortkarg und wütend, dann aber verfliegt diese Wut, er reißt die Lasche der nächsten Bierdose auf, gibt Steven auch eine und sie stoßen an.

Unter ihnen rollt die Landstraße. Links und rechts wird Landschaft vorbei geschoben. Bis Tuscon ist es noch weit, und es stimmt, es gibt Truckdriver, denen ist es tatsächlich egal, wo sie ihren Heini hineinstecken, Hauptsache, sie können ihn irgendwo hineinstecken.

Dieser versucht es am Abend bei Steven, aber Steven lässt das nicht zu. Niemand steckt ihm irgendetwas irgendwo hinein, er schnappt seine Sachen und ist schon verschwunden.

Pop Life (Kapitel 9, S. 41/42) (mehr davon hier)


14:48

Hier eine Rezension, über die man sich nicht freut, andererseits schon interessant, was die Leute so lesen.

23:17

Die Maifahrer schwärmen, das verstehe ich gut, eine Variante dieses Ausschwärmens aber verstehe ich nicht: auf Holzbänken gedrängt auf einem mit Planen - wenngleich mit Fenstern versehenen - ringsum geschlossenen landwirtschaftlichen Anghänger zu hocken, der von einem knallenden Trecker durch die Wohngebiete Roxels gezogen wird. Überm langen Tisch leuchten Tranfunzeln und sie trinken. Irgendwann sind sie soweit, dass sie singen. Wenns hinterm Pferd wäre, ja gut, aber so...ich weiß nicht.











 

 

 

 

 

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