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Arambol

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Wir sind wegen der Drogen hier. Ausreden zählen nicht. An jeder Ecke hocken wir, schamlos gekleidet, jede Regel der Einheimischen missachtend, nackt am Strand, während in den Dünen geile dicke Inder mit Ferngläsern sitzen. Wir sind von Sinnen, und geben vor, geheimen indischen Weisheiten auf der Spur zu sein: der buddhistischen Leere etwa, die wir uns mit Chillums einzuhauchen versuchen. Es war richtig, dass ich 1972 in den Westen gereist bin. Damals wäre der Osten zu gefährlich für mich gewesen. Jetzt bin ich gewappnet. Ich trete einen Schritt zurück und schaue mir zu. Natürlich rauche ich schweren, schwarzen Manali und Kerala Gras. Aber ich bin vorsichtiger als viele. Ich weiß, was ich nicht will. Dabei bin ich gerade eine Woche fort, fort vom bleiernen Grau eines halbgaren Januar, sitz unter Palmen jetzt, die, das weiß jeder sofort, das Paradies markieren. Ich schlafe am Strand, und wenn meine Kohletabletten nicht bald zu wirken beginnen, werde ich mich zu Tode scheißen.

 

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Am Strand liegt ein Rettungsboot, eines, das man auf großen Schiffen findet. Es gehört Andreas aus Gelsenkirchen. Er ist Anfang 20. Er sagt, er habe das Boot in Karatschi gekauft, einen Mast gesetzt, den Diesel repariert, am Bug eine Hütte aus Bambus errichtet und sei dann allein über die arabische See hierher gefahren. Der Kiel muss kalfatert werden. Danach will er damit zu den Malediven. Ich werde mitreisen. Als Smutje. Als zahlender Gast. Wir werden die Küste entlang segeln. Außer mir sind dabei: Collin und Jim, Australier, Doris und Jojo aus Berlin.

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Beim nächsten Vollmond stechen wir in See, sagt Andreas. Ich liege im Schatten. Vor mir dreht sich die Welt. Fischer legen ihre Netze in großem Bogen zum Ufer. Menschen ziehen sie an den Strand. Sie singen. Und eins - holt ein - und zwei.... das Netz wird geöffnet. Seefrüchte ergießen sich zappelnd auf den Strand. Haie, armlange Haie. Ich kaufe zwei. Da! Graue Wasserschlangen, die auf Sand ihre Eleganz verlieren. Man warnt mich, als ich eine anfasse. Giftig, heißt es, sehr giftig. Ich bin fort. Ich bin hier. Ich sehe: Männer turnen auf Seilen zwischen Kokospalmen. Sie sammeln Tau aus Blüten und brennen Schnaps daraus: Toddy. In schwindelnder Höhe hangeln sie von einer Krone zur nächsten. Ich schaue zu. Mehr bringe ich nicht zustande. Ich bin zahlender Gast im Zirkus Goa. Vor mir die Welt. In mir das Entsetzen des humanen Westens. Heute abend ist Hochzeit im Dorf.


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