Januar 2016                      www.hermann-mensing.de      

    

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zum letzten eintrag


Fr 1.01.16 15:08

Der alte Mann sagte, er schwämme bis in den November, die Wasserschutzpolizei nenne ihn Ente.
Ich war zum Kanal gefahren, um mir das Neujahrsschwimmen anzuschauen, hatte aber kein Schwimmzeug dabei, er stand schon bereit. Es waren viele Menschen dort, ein Moderator sagte, für Kurzentschlossene könne er Badehose und Handtuch auftreiben, man wolle hundert Menschen ins Wasser bringen, um den Rekord des Vorjahrs (78) zu überbieten. Die Sonne schien, und ich dachte, warum nicht. Er nickte erfreut, sagte zum Publikum, das er einen Kurzentschlossenen hätte, Applaus. Dann ging er los und kam mit Badezeug zurück. Ich zog mich um, und dann stand ich da. Ich wusste, das Wasser hat etwa 8 Grad, die Überlebenschancen sind, solange man rein- und schnell wieder rausgeht, kalkulierbar, aber dass es so kalt würde, hätte ich nicht gedacht, oder doch, ich weiß nicht. Ich bin jedenfalls rein, aber während viele sich auf den Weg zum gegenüberliegenden Kanalufer machten, habe ich mich maximal drei Meter vom Ufer entfernt, um schleunigst zurückzuschwimmen. In der Umkleide meinte ein Großteil der Männer, so ein Motivationsschub müsse reichen für's Jahr, jetzt könne man weitertrinken.


Sa 2.01.16 00:15

Der Beweis.


11:32

In der Silvesternacht waren wir zu Fuß unterwegs. Wir hatten kein Ziel, wir trieben und landeten schließlich auf den Korbsofas vorm Lazaretti bei einem Apérol, wie das Tradition hat in westfälischen Silvesternächten: man sitzt draußen und schaut den Promenierenden nach. Viele sind unterwegs, die meisten freundlich, geradezu herzlich, möglich, dass sie versuchen, den Missmut der vergangenen Monate wieder gutzumachen, man weiß das nicht so genau, jedenfalls sitzt man da und einem fällt auf, dass größere und kleinere Gruppen Flüchtlinge in der Stadt unterwegs sind, und fast ausnahmslos alle suchen den Blick der Einheimischen. Kaum haben sie einen getroffen, rufen sie Hello aus ihrer verzweifelten Einsamkeit. Wir lachen und rufen zurück.


So 3.01.16
14:23

Der Point of no return ergibt sich, wenn man die Länge einer Startbahn ins Verhältnis zu einer bestimmten Geschwindigkeit setzt. Ist er erreicht, ist es zum Bremsen zu spät, man muss abheben, egal, ob das Triebwerk brennt oder nicht. Es brennt. Der Flieger hat abgehoben, die Piloten haben den Funk abgestellt und die Fenster verdunkelt. Man kann nichts mehr für sie tun.

16:23

Die Idee, Gott an einen die Welt lenkenden Zentralcomputer in Brüssel zu setzen, ist hübsch, aber man hätte viel mehr daraus machen können. Schade, dass Herr M., seine Freundin und ich immer so kritisch sind, das ist manchmal einfach nicht auszuhalten.


Mo 4.01.16 12:24

Für "Mitten im Geschwätz" habe die eine Empfehlung für einen Verlag in Berlin, wenn ich aber versuche, mich in den Roman, den ich seit über einem Jahr nicht mit dem Arsch angeguckt habe, einzulesen, macht er kaum Sinn, ich finde mich nicht, alles scheint an den Haaren herbeigezogen, wie man alles an den Haaren herbeizieht, jede Lebensäußerung, jede Lebenslust, alles wird ständig herbeigerzogen und steht auf dem Prüfstein, nichts ist stabil. Das ist normal und ermüdend, und ich wünsch mir das Gegenteil, und das Gegenteil ist der Tod, und ich will noch leben.

21:51

Kein Wunder, dass niemand anruft, wenn man seit Tagen auf seinem Sofa sitzt, liegt, liest, fb bedient, recherchiert oder schlummert. Man ruft ja auch niemanden an. Die, die man besucht, besucht man nie ohne Hintergedanken. Die Besuchten haben natürlich auch Hintergedanken. Alle haben Hintergedanken, sodass man die eigentlichen Gedanken kaum noch verstehen kann. Und fühlen kann man sowieso nichts. Deshalb besucht man erst einmal niemanden mehr und bleibt so lange sitzen, bis man herausfindet, ob man noch eigene Gedanken hat, oder alles von Hintergedanken verkleistert ist. Möglicherweise dauert das bis in den Frühling.


Mi 06.01.16
13:33

"Verschiedene Zimmer, verschiedene Räume" hat mir zwar gut gefallen, und die Raumidee finde ich auch akustisch sehr interessant, aber in ... senden wir, ausgehend vom Profil der Sendeleiste, Hörspiele mit eindeutigen Protagonisten und einer eher klassischen Handlungsdramaturgie. Deshalb kommt ihr Stück für uns leider nicht in Frage."

13:48

Sie waren zu dritt und fröhlich: ein Afrikaner mit Pudelmütze und Adidas Hose, kaum 16 Jahre alt, klein, gewitzt, wach und zutraulich, ein Mittdreißiger vom Balkan, und ein Junge als Anhängsel, vielleicht sein Sohn. Wir wechselten Sätze vorm Leergutautomat im Supermarkt. Alles gut? Ja. Alles gut. Später sah ich sie bei den Getränken. Sie beratschlagten, und entschlossen sich für eine Palette Billigbier. Macht ihr eine Party? fragte ich. Party, yes! sagte der kleine Afrikaner und reckte den Daumen. Aber wenn ihr Muslime seid, dürft ihr nicht trinken, sonst sag ich dem Ayatollah Bescheid, sagte ich. Der Mitdreißiger guckte fragend. Der Afrikaner lachte. Normal, sagte er.


Do 7.01.16 10:54

Tanzen und tot umfallen wäre eine feine Lösung. Da Ideallösungen rar sind, werde ich weitermachen, bis ich nicht mehr tanzen, laufen, schließlich nicht mehr leben kann, wenngleich dann immer noch zehn, fünfzehn Jahre bleiben können, wie ich bei meiner Mutter gesehen habe. Meine Mutter war eine starke Frau. Nicht wehleidig, mit scharfem Humor, bis zum Schluss, kühl. Ich bin Spezialist für komplizierte Verwicklungen vor allem (aber nicht nur) mit Frauen, die ich mir immer wieder selbst einbrocke. Das Tollste ist, dass ich mir dabei zusehe, aber die Finger nicht vom Vorantreiben dieser Verwicklungen lassen kann, im Gegenteil, manchmal kommt es mir vor, als arbeitete ich intensivst an jeder Art ihrer Verschärfung, um zu spüren, dass ich noch lebe, vielleicht aber auch, um zu einer Lösung zu kommen, von der ich nicht weiß, wie sie aussähe und ob ich sie tatsächlich wünsche.


Fr 8.01.16 12:22

Ich treffe mich im Café Wolters mit einer befreundeten Psychiaterin.
Wir trinken, wir reden fast vier Stunden und kommen zu keinem Ergebnis. Ich verlasse das Café. Die Bushaltestelle Goebenstraße liegt plötzlich am äußersten Stadtrand. Kein Mensch weit und breit. Aus dem verregneten Dunkel kommt ein junger Mann auf mich zu. Er trägt Jeans und einen grauen Hoodie, er speichelt, er springt mich an wie ein Tier, drückt mir eine brennende Zigarette auf die Wirbelsäule oberhalb meines Steißes und beginnt mich zu beißen. Ich erwache. Es ist 4:49.


Sa 9.01.16
10:52

Ich hatte mir Stevies Autos geliehen, um zum Tanzen nach Osnabrück zu fahren. Ich vermied es unter diesem Baum zu parken, der nachts ein Vogelklo ist. Ich stieg aus, klappte den Spiegel ein, ich hörte schon die Musik und ging ins Haus. Der einsame Schäfer war da, mit dem manche Frauen tanzen wollen und andere nicht, weil er riecht, der Vizeweltmeister im Rollstuhltanz, eine Diva, der raffinierteste, oft gefährlich aussehende Figuren fährt, ohne je jemanden zu touchieren, und die schöne Biologin, die immer schwarz trägt und manchmal in Brasilien Tieren auflauert und filmt.

17:49

Taubenblaue Wolkenbänke vorhin, Inseln seitenverkehrt, verhaltenes Licht und Grund zu Optimismus, denn Heute ist zwei Minuten länger als Gestern und Morgen wieder zwei länger als Gestern. Bewegt wird nichts mehr. Vielleicht kommt jemand zum Erschießen vorbei, vielleicht schlägt jemand Geschlechtsverkehr vor, denkbar, aber besser wäre, man ließe mich in Ruhe die letzten drei Folgen Lilyhammer gucken. Morgen läuft mein Netflix Account aus.


Mo 11.01.16
9:31

In der SZ wird ein Polizist sinngemäß so zitiert: die Einsatzkräfte in Köln hätten die Vorgänge in der Silvesternacht durchaus unter Kontrolle bringen können, es habe aber große Furcht geherrscht, dass die Presse/die Öffentlichkeit sie anschließend als "rassistisch" verunglimpft hätte, denn ohne massiven Einsatz wäre eine Klärung der Lage nicht möglich gewesen. Daher habe man sich zurückgehalten.

Ich verstehe das. Die Polizei steht ständig im Fokus. Dabei ist sie nichts weiter als ein vom Gesetzgeber vorgesehenes ausführendes Organ zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Was ist dagegen zu sagen? Es war offensichtlich, dass in Köln etwas vor sich ging, das man in diesen Dimensionen noch nicht erlebt hatte. Die Polizei hält jeden Tag den Kopf für uns hin. Wenn sie sich vor der öffentlichen Meinung fürchtet, ist das kontraproduktiv. Womit nicht der Kritiklosigkeit das Wort geredet wird.

Dieses Zitat verdeutlicht aber auch ein Dilemma unserer Republik: nach wie vor leidet sie unter den Traumata des 1000jähriges Reiches. Sie fürchtet sich, Flagge zu zeigen, wo sie Flagge hätte zeigen müssen. Können Sie sich vorstellen, was losgewesen wäre, wenn die Bundesrepublik im Herbst letzten Jahres die Grenzen dicht gemacht hätte? Einfach so. Tut uns leid. Wir sind genauso wie alle anderen, wir wollen die Flüchtlinge nicht? Überlegen Sie kurz. Die Antwort ist einfach.

Ich bin für die Aufnahme von verfolgten Menschen. Ich bin aber auch für Kontrolle. Und ich bin für die Anwendung der herrschenden Gesetze. Wer dagegen verstößt, soll bestraft werden. Wer Flüchtling ist, und das Gastrecht derart mit Füßen tritt, soll auf der Stelle zurückgeschickt werden.


Di 12.01.16
13:02

Werde mir die Decke bis zum Kinn ziehen, in den Himmel blinzeln, aufpassen, wie die Zeit in Strömen vom Himmel fällt und die Atemzüge sich am Fenster niederschlagen.

23:48

Ich höre Blackstar.
Ergriffen hat Bowie mich nie, aber ich mochte seine Bands.


Mi 13.01.16 9:56

Der Pöbel liest keine Zeitung, er nennt das "Lügenpresse", daher seine präzisen Analysen. Ich kenne eine schöne Frau in Berlin, die ist ein wenig verrückt, aber nicht dumm, die fängt jetzt auch so an.


Do 14.01.16 14:00


Gestern habe ich Grünkohl gekocht und versalzen, ich hatte kein Maß, es war so viel Kohl. Natürlich fiel er beim Kochen zusammen, aber da war's schon passiert. Um das Salz zu neutralisieren, habe ich zwei Kartoffeln reingeraspelt. Da schmeckte er schon besser. Heute (wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt) wird er noch besser schmecken. Sie sehen, ich habe für unwirtliche Tage wie diesen vorgesorgt. Ich muss nicht vor die Tür. Dabei meinte neulich jemand, ich sei ein harter Hund. Er hatte mich auf einem Foto vom Neujahrsschwimmen identifiziert. Was Menschen alles von einem denken, weil man einmal in sieben Grad kaltes Wasser gestiegen ist.

18:11

Als Bernhard Rottmann 1532 den Lehren der Wiedertäufer in Münster Nachdruck verleihen wollte, räumte er mit Verbündeten die münsterschen Kirchen von allem, was der neuen Lehre im Weg stand (Bilder, Altäre, Statuen, Priester). Bernhard Knipperdolling, der im Januar 1536 auf dem Prinzipalmarkt zu Tode gefoltert und in einem Käfig am Turm der Ludgeri Kirche aufgehängt wurde, war auch dabei. In den historischen Aufzeichnungen ist u.a. auch von einem Peter Mensink die Rede, der 1532 Mitglied im neuen Rat der Stadt wurde. Das rührt mich seltsam an.

22:04

Bis heute war mir der IBAN lästig, eine blödsinnig lange Zahl, die sich niemand merken kann. Eben aber erfuhr ich, dass er nichts ist als die Zusammensetzung eines Codes für das jeweilige Land - also DE76 bei mir, dann folgt die Bankleitzahl (kenn ich) und meine Kontonummer (kenn ich auch) Kontonummern, die weniger als zehn Stellen haben, werden zum Ausgleich vorn mit Nullen aufgefüllt. Mehr nicht. Das kann ich, ohne nachzudenken.


Fr 15.01.16

Als heute früh die Gartenbrigade mit von Zweitaktmotoren getriebenen Schnitt- und Reißzangen zu lärmen begannen, ahnte ich, wie das Theaterstück über die Wiedertäufer beginnen könnte. Es war der grobe Ablauf einer ersten Szene, nichts weiter, aber langsam fügen sich die historischen Vorgänge zu einem verständlicheren Ganzen, wenngleich ich mit meinen Recherchen erst am Anfang stehe und noch kein Wort geschrieben ist.

23:41

ständig plagt mich das gegenteil.


Sa 16.01.15 10:26

Manchmal ist es leicht, sich die Zeit zu vertreiben. Dann wieder ist es das Schwerste, was man sich vorstellen kann. Gestern wollte nichts glücken, und das, was hätte glücken- oder Linderung bringen können, mein Klavier und mein Schlagzeug, wurde weiträumig umgangen. Sätze in Büchern ergaben keinen Sinn, Filme im Netz ödeten an, zu später Stunde dann aber doch ein Konzert mit Ziggy Stardust aus den frühen Siebzigern.

Bowie zog sich bei diesem Konzert im Hammersmith Odeon in London vier- oder fünfmal um. Mick Ronson blieb dann jedesmal nichts anderes übrig, als lange Soli zu spielen. Bowie sah in seinen Kostümen aus wie eine durchgeknallte Transe, aber das alles hatte keinen höheren Sinn, sondern war nur cleveres Showbusiness, wie wir es hier noch immer nicht, oder nur äußerst selten, hinkriegen. Damals, bevor die Nazis kamen, konnten wir so etwas auch. Und dass Bowie nun ein begnadeter Sänger gewesen wäre, kann ich nun wirklich nicht behaupten, aber wenn er lacht, scheint er ein sehr freundlicher Mensch.


16:55

Wenn man lang genug gelebt hat, weiß man nicht mehr, was wahr ist. Man wird vorsichtig, wenn man sich selbst nicht mehr traut. In keiner Hinsicht kann der Mensch sich trauen. Keiner weiß, wozu er fähig wäre, falls das Leben ihn überrascht. Ich lasse mich gern überraschen.


So 17.01.16 10:10

Ich war mit einer gewissen Skepsis aufs Rad gestiegen, es hatte geschneit und in den Wetterberichten war vor Glatteis die Rede. Aber als ich vom Hof auf die Straße fuhr, schien alles halb so wild, die Hauptstraße war gestreut, verdächtiges Glitzern auf dem Asphalt parierte ich mit erhöhter Vorsicht. Ins Aatal fuhr ich äußerst vorsichtig, ich wollte keine Risiko eingehen. Sonst fahre ich dort 40. Und so kalt, wie ich gedacht hatte, war es auch nicht. Der Mond hing halb voll am Himmel, schwere Wolken und Wolkenlöcher, klare Luft.

Ich erreichte die Stadt, ich freute mich aufs Tanzen, bog vom Meßkamp links in die Salzmannstraße und dann passierte es. Das Rad rutschte rechts unter mir weg und ich rutschte mit. Jemand, der gerade vorüber fuhr, hielt an und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich tastete mich ab. Nichts fühlte sich kaputt an. Ja, sagte ich. Ich hatte Glück. Gott hatte die physikalisch eleganteste Methode gewählt, meinen Aufprall zu mildern.

Ich mogelte meinen Rucksack am Garderobenmann vorbei, setzte mich an die Theke und bestellte einen Primitivo. Eine junge Frau setzte sich neben mich und fragte die Bedienung, ob sie eine Kühlkompresse habeb. Sie blutete ein bisschen, aber nicht schlimm. Wir machten uns lustig über unsere Stürze. Später tanzten wir. Sie trug eine Leggings und ein T-Shirt, das eine Handbreit Bauch sehen ließ, wenn sie die Arme hob. Sie hieß Anna, ich fand, das passte zu ihr. Und dann war da noch jemand aus Leeuwarden. Sie sagte, sie lebe in Norwegen, dort tanzten nicht viele Salsa. Sie war blond und sehr friesisch. Mit beiden hat das Tanzen viel Spaß gemacht, was nicht mit jeder passiert. Ansonsten war nicht viel los. Als ich heim fuhr, leuchtete der Horizont, und ich konnte mir nicht erklären, wieso.


Mo 18.01.16 12:43

Es gibt verschiedene Gründe, das Haus zu verlassen. Die meisten haben mit Arbeit zu tun. Das ist bei mir nicht so. Ich war und bin Heimarbeiter. Heute verließ ich es, weil der Tag eiskalt strahlte
, das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Als ich mich dem Zentrum näherte, hielt ein Polizeiwagen neben mir. Ein Beamter mit lilafarbener Brille (Mittdreißiger) stieg aus, winkte mich vom Rad und behauptete, ich hätte eine rote Ampel überfahren. Ich sagte, das hätte ich nicht getan. Ich sagte, die rote Ampel, die ich gesehen hätte, hätte einen Pfeil nach links gehabt, mich also nicht betroffen. Davor sei aber noch eine, sagte der Polizist und bat um meinen Ausweis. Jetzt stieg auch die Polizistin aus, Fahrerin des Wagens, groß, mittelblondes, schulterlanges Haar, verheiratet. Sie schaute ihrem Kollegen ein wenig zu und stieg wieder ein. Der Polizist nahm meinen Ausweis, stieg auch ein und füllte ein Formular aus. Als er zurückkehrte, sagte er, ich würde demnächst Post vom Ordnungsamt erhalten. Einen Punkt in Flensburg erhielte ich ebenfalls. Fick dich, Scheißbulle, dein Penis hat die Größe einer Erdnuss, sagte ich, damit ein wenig Leben in die ganze Sache käme, aber da war er schon wieder eingestiegen und davongefahren.


Mi 20.01.16 12:36

Der See ist gefroren. Natürlich trägt das Eis nicht, dazu müsste es länger frieren, aber schon gestern abend, als ich am See entlang nach Hause fuhr, war es deutlich wärmer als auf der Hinfahrt ein paar Stunden vorher. Auf dem See hatte der Schneegriesel sich durch den über das Eis streichenden Wind in schmalen Streifen gesammelt, armlang manche, wie Pfeile auf einer Isobarenkarte, leuchtend weiß, nur dass sie dort oft in verschiedene Richtungen zeigen, hier wiesen alle nach Nord-Nord-Ost.


Fr 22.01.16 22:45

Vorgestern waren wir zum zweiten Mal in der Ouzeri, einem kleinen griechischen Restaurant in der Mauritzstraße. Wir hatten nicht reserviert, aber ein kleiner Tisch war noch frei. Es gibt leckere Dinge dort, einfache griechische Kost, große Bohnen, frittierte Muscheln, eingelegte grüne Pepperoni, rosafarbene Fischpaste, frittierte Zucchini, mit Knoblauch und Olivenöl angemachter Kartoffelbrei, Souvlaki vom Lamm, Huhn oder Schwein, Fisch .... und alles schmeckt, als hätte man es so noch nie gegessen.


So 24.01.16 16:01

Sitze mit einem Kater auf dem Sofa.
Er ist sehr groß.
Dann und wann hickst er, das riecht nicht gut.
Jetzt greift er mich an. Er ist gefährlich.
Ich blute schon überall.


Di 26.01.16 10:04

Beim Fahrradmechaniker:

Was kost die Klingel, guck ma ebm. 5,95.
Und die Acht rausgewuchtet, oda?
Sag ma 10.
Mach ma 10, das passt.
Bar oder Karte. Is eh egal.


Mi 27.01.16 20:43

Herr M. geht tanzen únd schnappt sich die Frauen.


Do 28.01.16 11:23

Morgens um neun. Gruppen von Junkies am Bremer Platz. Zwei Polizisten gehen zum Bahnhof. Fünfzig Schritte nach links, und sie könnten den Junkies Beine machen. Zu gleicher Zeit verlassen fünf Frauen in höchster Aufregung das Parkhaus, Rollkoffer hinter sich ziehend. Sie nehmen den Zug zum Airport, den Flieger, den Bus vom Airport zum Hotel, drei Tage oder vier ohne eigene Männer, sie freu'n sich wie Dreizehnjährige und hoffen, dass jemand sie für einen Abend begehrt. Der Regen wird stärker. A. kommt, er hat zuhause übernachtet, nicht bei seiner Freundin. Autos fahren hin und her, meist mit nur einem drin, schließlich kommt der Renaulttransporter von Stadtauto. Wir steigen ein. M., der Fahrer, gibt A. die Liste. A. kennt jede Straße der Stadt. Wir fahren los, Fahrräder für Flüchtlinge akquirieren. Die Velomanufaktur hat fünf oder sechs auf dem Hof, die packen wir ein, dazu zwei Kartons Ersatzteile und Helme. Dann bringen wir die Räder zum Jaz, dort werden sie von arbeitssuchenden Jugendlichen repariert. Wir trinken nebenan Kaffee und fahren zum Verkehrskindergarten. Jemanden treffen. Mit jemandem bereden, welche Fahrräder für die Fahrradkurse für Flüchtlinge besonders geeignet sind, welche eher nicht. Ringsum ist Großalarm. Blaulicht auf der Umgehungsstraße. Von allen Seiten Martinshörner. Im Schulungsraum steht ein altes, milchfarbenes Klavier. Es ist verstimmt und klingt auf merkwürdige Art wie ein Rhodes oder eine Orgel. Links von der Tastatur ist ein Schieberegler. Ich schiebe ihn nach unten. Jetzt klingt es wie ein verstimmtes Klavier.


Sa 30.01.16 13:52

Goethe erzählte gern, dass er jedes Adelsfräulein mit einem Gedicht "betören" könne. Ein paar Verse, schmissige Reime, das ein oder andere hübsche Wort, man könne sich gar nicht vor ihnen retten. Hach, denkt M., das müssen Zeiten gewesen sein.