Juli 2008                                        www.hermann-mensing.de      

mensing literatur
 

Bücher von Hermann Mensing bei: Amazon.de  

zum letzten Eintrag

Di 1.07.08   9:29

Der Millionär, der kein einfacher, sondern ein mehrfacher Millionär ist, lächelte, als ich ihn fragte, wie er nun, da er seine Firma verkauft habe, lebe. Ob er immer noch frickle wie damals. Der Millionär nickte. Ja, er frickle. Er frickle den Tag über und abends sei er im Studio.

Falls nun jemand nicht weiß, was frickeln bedeutet, will ich es erklären. Ich tue dasselbe. Ich beginne am Morgen und schließe am Abend. In dieser Zeitspanne entstehen Texte oder auch nicht, Gedichte oder auch nicht, Romane werden vorangetrieben oder verworfen, mit einem Wort: frickeln ist ein Zustand höchster Kontemplation ohne Gewissheit über den Ausgang, wenngleich natürlich die Hoffnung hinter der Tat auf ein Ergebnis lauert. Der Frickler ist gern Autodidakt, und der Autodidakt ist mutig. Alle anderen sind Schisser, die sich hinter Diplomen verbergen.

Ich habe zwei Jahre mit dem Millionär zusammen gelebt. Damals hätte niemand je daran gedacht, dass aus einem tagträumenden, sein Zimmer zumüllenden Frickler je etwas werden könne, aber dann ist ein Millionär draus geworden, einer, der weltweit Erfolg hat, und da staunen nun alle.

Es war das erste Mal, dass ich den Millionär auf seine Millionen ansprach, denn irgendwie bewegt sich der Millionär nicht wie ein Millionär, er lebt kaum unterscheidbar zu meinem Leben, wenngleich er natürlich ein besseres Auto fährt, eine größere Wohnung hat, aber niemand, der ihn nicht kennt, könnte aus seinem Lebensstil auf Millionen schließen. Vielleicht sind Millionen ja auch nur das Goldene Kalb unserer Zeit, auf das alles starrt, von dem jeder träumt, ich weiß nicht, jedenfalls war es das erste Mal, dass ich ihn darauf ansprach, die Nacht war fortgeschritten, es war mild, der Abend war schön, und der Millionär lächelte nur.

PS. Ich würde auch lächeln, sagnwermaso...

13:47

Es zeichnete sich schon gestern ab, und heute sind die ersten acht Seiten geschrieben.
Was es wird?
Ein dicker Roman. Wahrscheinlich ein sehr dicker Roman.
Einer, über den ich schon seit Jahren nachdenke, und der, befördert durch das Treffen in Lugano, plötzlichen Schwung erhalten hat und wohl tatsächlich geschrieben werden will.
Mal sehn. Wir sind gespannt. Bisher klingt es gut.

PS. Nix für Kinder dieses Mal, auch nix für Menschen mit schwachen Nerven.

16:51

Recherche:

hi jon,

if you think back to the time you left England to travel, what would you call the main reason for leaving?
TO SEE THE WORLD AND ADVENTURE
And if think about England, what was, that bothered you most.
THE REGULATED AND PREDICTABLE LIFE
Could you answer that please, so maybe I could use it in a novel?

hi jon,

well, I remember, you said something like that the last time.
you will remember, that we were on that lake back in 94, and you remember, that I was having trouble with the kids, because they wanted to swim. see, what happened before was, (I think it was their second swim after we had had lunch), that the wind had freshened up and there were some waves. Max, our youngest, swam alongside our boat, grabbed hold of it, a wave came, he slipped of and got ducked under the water, while the boat sort of went towards him.

I grabbed him and got him out.
That was why I was so scared afterwards.

The novel (if it turns out to be one) will be about that day on that lake, and of course about three men meeting after such a long time.
Thus everything seems to be fine, the whole story turns into a nightmare at that very moment.

Of course there will be other stories to be told, I'll make those up, referring to what I remember, and if it ever gets to be a Hollywood movie, I promise I will write a scene into it where you'll appear stark naked on some hill in Columbia, doing a wild animal dance (puma I think it was) as we did on that particular mountain being stoned out of our heads, and let the scene be watched by some tiny little columbian natives, rather astonished.

What do you think?
We make it 50/50 and then dissappear forever.

Greetz

Hermann

 

Mi 2.07.08   11:52

Wie die Zeit fliegt.
Festhalten geht nicht.
Zurückdrehen geht nicht. Vorziehen geht nicht.
Gar nichts geht. Sie fliegt nur und wir schauen.
Zum Romanschreiben aber reicht es.
Und zum Bearbeiten meines Hörspiels.

Ich habe gestern drei MP3 von Marc Brenken bekommen, ein Pianist aus Essen, und das sind drei Gründe, sich zu freuen. Zunächst ist er ein sehr guter Pianist, dann hat er sich auf meine Seite geschlagen, das heißt, ich bin nicht mehr allein mit diesem Stück Literatur, es gibt außer Frau M. noch jemanden, der glaubt, dass es gut ist, und er hat das getan, obwohl wir kein Geld für das Stück erwarten, und die Miniaturen, die ich seit gestern eingearbeitet habe, geben dem Stück einen unerwarteten Schwung.

Jetzt muss ich noch abmischen, aber das will ich mit C. tun, der weiß, wie das geht.

 

Do 3.07.08   9:04

Als letztens die Nachricht kam, Albert Early Bird und die Working Worms wären für einen Gig bei Professor S. gebucht, dachte ich still, hach wie schön. Unser Trio hat in den letzten drei Jahren etwa 8 Gigs gespielt, und jedes Mal waren das Gigs, die man uns angetragen hatte: jemand hatte uns gehört, es hatte jemandem gefallen, jemand war bereit, die Gage zu zahlen für eine Band, die nie (oder nur sehr selten) probt, und ein merkwürdiges Sammelsurium verschiedener Musik auf die Bühne bringt.

So, dachte ich, wäre es auch bei Professor S., aber gestern erfuhr ich, dass der Professor noch gar nichts von seinem Glück weiß. Der Professor wird überrascht, und das könnte natürlich auch für uns ein böses Erwachen geben. Vom Professor weiß man, dass er gern Experimentelles hört, seine Sekretärin, die das Fest, zumindest aber die Überraschungsband, organisiert hat, hatte so etwas durchblicken lassen. Ob wir auch Zappa spielen könnten, hatte sie angefragt. Ja, könnten wir, hatten wir geantwortet. Wir können alles und gar nichts spielen und so lange keine Jazzpolizei in der Nähe ist, merkt niemand, wie wir uns durchmogeln.

Gestern probten wir und dabei kam die Frage auf, ob wir John Cage spielen sollen?
Es gibt nämlich ein John Cage Stück für großes Orchester. Das Orchester steht 3:18 Min. herum und nichts geschieht. Dann ist das Stück vorbei.  Wir könnten sagen, wir hätten das Stück für unsere kleine Besetzung transkribiert. Wir wissen noch nicht recht, ob wir uns das trauen, aber eine Maßnahme wäre das schon. Die Gesichter würde ich gern sehen.

Schließlich wäre das Kunst.

Kunst ist auch, was aus Die Prinzessin geworden ist.

Wenn Sie mich regelmäßig lesen, werden Sie wissen, dass ich mich nicht gern aus dem Kunst-Fenster hänge. Ich weiß überhaupt nicht, was das ist, Kunst, ich weiß nur, ob etwas gut oder nicht gut ist, aber seit Marc Brenken Musik zu meinem Text beigesteuert hat, werde ich den Verdacht nicht los, es könne sich jetzt doch um Kunst handeln. Hören Sie also selbst und bilden Sie sich ein Urteil, Sie - Sie .... (Pfeifenheini, hätte mein Vater gesagt).

17:23

Was den zu schreibenden Roman angeht, hat sich mein Verdacht, er habe die ganze Zeit nur darauf gewartet, geschrieben zu werden, auf jetzt 33 Seiten verdichtet. Sicher werden härtere Zeiten kommen, Tage, an denen nichts geht und alles wieder wie weggeblasen scheint, aber ich möchte fast meinen Arsch darauf verwetten, dass ich die prognostizierten 300 Seiten innerhalb von zwei, drei Monaten wegpinne, dass es nur so eine Freude ist. So ist das eben, wenn man schon große Teile des Lebens in der Rückschau überblicken kann. Jede Menge Material, und ich kann damit machen, was ich will. Great Googledimoogeli...

 

Fr 4.07.08   7:45

Ob das anstrengend ist?

Und ob. Romaneschreiben dauert vierundzwanzig Stunden.
Es verengt den Blick, alles andere tritt zurück, es beschleunigt den Kreislauf, verursacht unruhigen Schlaf und ist wahrscheinlich ungesunder als Rauchen. Also, weiter im Text...

9:50

Seite 40 ist erreicht, Glen Gould ist mit Schmackes (con Brio) zugange, ich muss noch meine Toms stimmen für heute abend, aber das mache ich später. Lustig übrigens, dass wir nach all den überstandenen Nervenkrisen der letzten Fußballwochen gestern abend ins Kino gingen, dort eine Weile saßen und uns wunderten, dass der Film nicht begann, bis schließlich jemand kam und sagte, er bäte um Geduld, es gäbe technische Probleme, die sicher gleich behoben seien. Alle Anwesenden nahmen die Verspätung mit großer Gelassenheit, bis plötzlich, eine halbe Stunde mochte vergangen sein, der erste aufstand und ging. Danach löste sich die Schar der Wartenden sehr schnell auf.

Und wieso lustig? Weiß ich nicht.

16:16

Das Schlagzeug ist eingepackt. Die Luft ist ein wenig ölig. Es hat gerade geregnet. Die Party nachher soll eine Gartenparty sein. Hoffen wir, dass es sich bis dahin ausgeregnet hat. Ich melde: Seite 53. Ich bin ein wenig übermütig. Ich habe ja schon gesagt, dass ich raushaue, was rauzuhauen ist.

 

Sa 5.07.08   8:49

Bisschen spät dran für einen Express-Schreiber.
Liegt wohl am Samstag und auch daran, dass man nicht übertreiben soll.

Unser Gig beim Professor war sehr erfolgreich. Der Professor war ein freundlicher Mann meines Alters, später Vater, ein sechsjähriger Sohn tobte mit Holzschwert durch den Garten. Während wir spielten, stand der Professor oft an der Seite und spielte bei weltbekannten Riffs verbissene Luftgitarre, will sagen, er war hellauf begeistert und half sogar beim Abbauen. Wenn man in Betracht zieht, dass wir ja ein Geschenk seiner Studenten waren, war es das beste Geschenk, das er je zum Semesterabschluss bekommen hat.

Ich schätze, für uns wird das Folgen haben. Vielleicht werden wir jetzt eine Band, die im akademischen Millieu der Ex-Hippies und Protestler spielt, die heute fette Gehälter einstreichen für eine einmalige Lebensleistung, eine Habilitation zu irgendeinem Dreck, der niemanden interessiert, aber die Rente sichert, ja, es könnte passieren, dass man uns weiterreicht und klaglos bezahlt für etwas, was uns Spaß macht, ergo, keine Arbeit ist. Wir haben gut gespielt, alles ging über die Ohren, wir haben natürlich hier und da rumgepfuscht, aber Perfektion ist Langeweile und Tod.

So.
Das war das Intro.
Jetzt geht es an die Arbeit.
Arbeitstitel: Pop Life

12:36

Ein wenig mühsam heute, aber doch schon zehn Seiten.
Vorsicht, die Schleimbeutel im rechten Schultergelenk mucken auf.

 

So 6.07.08   13:06

Wenn man an einem Tag wie heute gegen 11 verkatert und verschlafen ein Freibad seiner Wahl in der Hoffnung betritt, im Wasser alle Mühsal mit ein paar Zügen abzustreifen, kann man sehr enttäuscht werden. Man sieht nämlich nur Frauen mittleren bis höhreren Alters verbissen Bahnen ziehen, als wollten sie noch nach Peking. Und wenn man sich vorstellt, was man sich lieber gar nicht vorstellen mag, weiß man schon nicht mehr, ob man im Meer dieser Altersfrustration plus Körperausdünstungen tatsächlich mitschwimmen will.

Man tut es dann doch. Man denkt sich, na ja, da ist so viel Wasser in so einem Schwimmbecken, das verdünnt schon, und wahrscheinlich verdünnt es auch, oder wird durch Zusatz von Chlor unschädlich gemacht, aber nun hat sich dieser Gedanke einmal in einem verfestigt und dann kommt noch hinzu, dass man sie schnaufen hört und pfeifen und sieht, wie sie ihre faltigen Arme beim Kraulen hochreißen.

Lasst sie doch auf der Stelle einfach absaufen und vom Bademeister wegschaffen, denkt man, damit man in Frieden allein schnaufen und pfeifen kann, die faltigen Arme beim Kraulen hochreißen, ausdünsten und ablassen und was man so tut, wenn man Bahnen zieht und auf so viele Dinge acht geben muss, Dinge, die sich ein junger Mensch gar nicht vorstellen kann.

Dann fällt einem plötzlich ein, wie D. einem erzählte, dass ihn auf einem Klassentreffen jemand mit einer einzigen Frage völlig aus dem Konzept geworfen hat: Was, hatte dieser gestandene Feuerwehrman meinen Freund D. gefragt: WAS WOLLTET IHR DAMALS EIGENTLICH?

Ich nehme an, diejenigen, die diese Frage betrifft, haben für den Rest dieses Sonntags genug abzuarbeiten. Ich wünsche viel Spaß. Heute wird kein Roman geschrieben, heute werden die Schleimbeutel geschont, heute wird viel geruht und noch mehr geruht, zwischendurch werden Häppchen gereicht und ansonsten wird versucht, nicht zu denken, eine der Königsdisziplinen der Gegenwartsphilosophie.

Übrigens: Herr M. hat wieder einmal das Rauchen eingestellt. Seit einer Woche ist er froher Hoffnung und stolz. Ob er nach drei Monaten wieder beginnt, ist etwas ganz anderes, aber er betet still, dass er den ständigen Versuchungen stand hält, zumal er ja jetzt an Orten, an denen er seine wenigen Sozialkontakte pflegt, nicht mehr geraucht werden darf, was ihm zugute kommt, er aber dennoch für totalen Schwachsinn hält.

19:43

Erstes Foto des Manuskriptes von H. M.

 

Mo 7.07.08  7:18

Nachdem M. die Nacht über den Rest seines Romans vorwärts und rückwärts geträumt hat, macht er sich nun an daran, die Erinnerungsfetzen aufzuschreiben. Frage ist natürlich, schreibt man Pop Life Pop Life oder Poplife?

12:28

Die ersten eineinhalb Stunden damit verbracht, das vorgestern Geschriebene einzunorden und auf seine Verwertbarkeit abzuklopfen. Ein bisschen gehadert, ein bisschen hier was weg und da was hin, dann war die Montagsdepression vorüber und die Tat konnte getan werden, was einfacher klingt, als es ist. Manchmal will die Tat nämlich gar nicht getan werden. Oder die Tat wurde längst getan, ohne dass der Täter es bemerkt hätte, oder der Täter wäre so tatlos glücklich, dass er keine Tat mehr tun will. Also wie gesagt, gegen 9 Uhr heute früh überwand sind der Täter und tat die Tat tun, sodass er nun, zu Mittag bei Kaffee und jetzt Sonne, zu Mittag, bei schon 8 geschriebenen Seiten und drei Maschinen Wäsche plus Aufhängen noch eine kleine Runde drehen wird, sagen wir, so zwei bis fünf Seiten, das sollte reichen für heute, man solle nicht übertreiben und man muss auch darauf achten, dass die Schleimbeutel, die sich übern Sonntag wieder ein wenig beruhigt haben, ruhig bleiben, nicht wahr.

13:32

So. Feierabend bei Seite 78.
Jetzt in die Stadt fahren, und neue, dreiviertellange Hose kaufen.
Nicht mehr als 20 Euro dafür ausgeben.
Und später vielleicht noch bis Seite 85 vorrücken.

 

Di 8.07.08   8:45

Schon seit Tagen haben wir diesen albernen Plan. Der Zahnarzt, der unseren alten Zahnarzt ersetzt hat, ist ein Jungspund, den niemand mag. Tatsächlich finden alle, dass er sich aufspielt, dass er unfreundlich ist, und Kompetenz streiten wir ihm sowieso ab. Wenn wir jetzt aus Gaffertape sechs P schnitten, könnten wir ihn ein wenig verhöhnen, indem wir aus seinem Namen Dr. Pingo Pump machten, und so wie's aussieht, werden wir das auch.

Schönes Erlebnis gestern:
jemand aus Gaimersheim ruft mich an, sagt, seine Schwester habe ihm gesagt, Flanken, Fouls und fiese Tricks sei ein so gutes Buch, das müsse er haben, aber das gäbe es nirgendwo mehr. Bei mir schon, sage ich. Er bestellt.

14:46

Man ist ja kindisch. Man entwickelt einen der Sache völlig zuwider laufenden Ehrgeiz. Man will nämlich heute die 100ste Seite vollenden, hat allerdings in der Früh schon gespürt, dass es mühsamer würde als in den vergangen Tagen, der schlechte Schlaf, einerseits, die Sorge über dies und das, das alles kreist natürlich über einem, dieser ständige Suspense, hat man uns längst aufgegeben, konferiert man ständig über unseren Karriere-Plan, will man uns klein halten, weil man ein zu großes Maul hat und ständig Dinge sagt, die man vielleicht besser nicht sagte, man weiß es einfach nicht, es gibt da so Vieles zwischen Himmel und Erde, dass man besser gar nicht drüber nachdenkt, deshalb also jetzt weiter auf Seite 92, Zeile 20: Wie ein Hund riss er an seiner Kette und bewegte sich im Radius des ihm möglichen...

16:42

Aufstieg und Fall. Hoffnung. Verzweiflung.

Lieber Herr Mensing,

inzwischen haben wir Ihr Buch nun gelesen und ausführlich diskutiert.
Uns gefällt wirklich gut, wie Sie schreiben, und wir können uns vorstellen, dass Ihr Text bei Lesungen sehr gut ankommt. Wir haben aber trotzdem den Eindruck, dass „Das schwarze Buch“ bei uns nicht so recht ins Programm passt. Ich kann Ihnen also leider keine Zusage übermitteln, aber vielleicht gelingt es Ihnen ja, Ihr Buch bei einem anderen Kinderbuchverlag unterzubringen? Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall viel Erfolg bei der weiteren Suche. Möchten Sie die Leseprobe, die Sie mir per Post geschickt haben, zurückbekommen?

 

Mi 9.07.08   9:22

Klartext: sie wollen nicht nur die Oberhoheit über das Wie, nein, sie wollen auch das WAS bestimmen, und da scheitere ich. Das WAS kommt von allein, das WAS drängt hinaus, während Muse M. ja meint, ich solle einfach mal eine Sozialschmonzette schreiben, die kauften sie bestimmt. Tja. Ich meine, kann man machen, muss man aber nicht.

Ich bin jedenfalls auf Seite 100 und habe noch weitere Eisen im Feuer. Wenn ich meinen Arsch ein wenig auf Trab brächte, mich um die Eigenheiten der verschiedenen Verlage kümmerte, mir ihre Profile einschärfte, mich ein wenig ins Gespräch brächte hier und dort und mal was Nettes sagte, mal dahin führe, wo sich Verlagsvertreter treffen, um über Schicksale zu entscheiden, dann wüsste ich, wem ich die Romane in meiner Schublade (vier an der Zahl, oder sogar fünf) anbieten könnte. Aber da ich dazu zu faul bin, und meine Agentin in Bonn nichts, aber auch gar nichts reißt, bin ich weiter auf Gottes Hilfe angewiesen.

Tja, wie sagte damals der Verleger X., der, kurz bevor er meinen Roman Kutte Lamprecht herausbringen wollte (der Vertrag war schon unterzeichnet), in Schwierigkeiten geriet und seine Programmhoheit an den Verlag Y. verkaufen musste: man kann immer noch tiefer sinken.

17:08

Wie man weiß, schätzt der Deutsche nur Dinge, die unter Schmerzen geboren werden.
Alle Leichtigkeit ist ihm suspekt, sonst wäre er ja kein Deutscher. Man kann sich also vorstellen, dass Herr M., der die letzten Wochen in höchster Aufregung verbracht hat, und, vielleicht, um das ein wenig zu kompensieren - vor einer Woche begann, Pop Life zu schreiben, erschrak, als er gestern diese Absage kassierte.

Erschrak und dachte, das ist alles Scheiße.

Niemand schreibt hunderfünfundzwanzig Seiten in einer Woche.
Das wären ja fünfhundert im Monat (booaah geil).
Das
kann nur Scheiße sein, erschieß dich.
Leider war kein Revolver im Haus, also ließ er das.

Besann sich der oben angedeuteten Optionen, tat heute früh um 7:15 das, was er seit einer Woche um diese Zeit tut, denn er braucht gut zwei Stunden, eh er mit dem Schreiben beginnen kann, zwei Stunden, in denen er vor dem Rechner sitzt wie blöde und an nichts glaubt, bis er dann doch die ersten Sätze so hingekriegt hat, dass sie die nächsten aus dem Dunkel hervorzerren und diese wieder die nächsten, und dann rollt es und rollt, denn nur so kann Herr M. schreiben, alles andere ist ihm fremd.

Also dachte er heute früh zunächst, dass das alles nichts sein kann, weil:

viel zu leicht, keine Mühe, nur Diszplin (hm hmmm) und Zehn-Finger-Schreibfertigkeit,
dazu ständige Vorort-Recherche mit Google-Maps, die all die Orte, die er vor einem oder vor vierzig Jahren einmal bereist hat, in Sekundenschnelle herbeizaubert, sodass er sich Namen aufschreiben kann, Straßennnamen, Namen von Seen, sich an Buchten erinnert, an all das,

dachte:

da stimmt etwas nicht, Herr M., sie bescheißen sich selbst, sie hauen nur Seiten raus, damit sie nicht merken, wie die Welt um sie zusammen fällt, und als gegen Mittag die ersten 10 Seiten vom angepeilten 20 Seiten-Tagespensum geschrieben waren, begann er, Pop Life zu lesen.

Eigentlich hatte er sich geschworen, das nicht zu tun.
Er hatte sich geschworen, zu schreiben, bis alles gesagt wäre, und erst dann nachzulesen.
Aber heute mittag musste es sein.
Eine Anklage stand im Raum, die musste widerlegt werden.

M. begann, M. las die ersten 23 Seiten, und alles, was er in der vergangenen Woche im Hinblick auf das Zusammengreifen der von ihm intendierten Perspektiven und den Fokus auf das zentrale Ereignis dieses Romans, das nur angedeutet und der Phantasie der Leser überlassen wird, gespürt hatte, fand er bestätigt.

So könnte man also sagen, Herr M. ist trotzig glücklich.
Er beendet diesen Tag auf Seite 122 und ruft allen Verlegern zu, ....
okay, das denken Sie sich jetzt mal selbst, ja, denn manchmal glaube ich, sie kaufen mir meine Manuskripte nur deshalb nicht ab, weil ich hier schlecht über sie spreche und diesen fatalen Hang zu fäkalen, obszönen und menschenverachtenden Ausdrücken habe, dabei bin ich ein guter Mensch, Ehrenwort.

Also, liebe Verleger. Ich habe nichts gegen sie. Ich achte ihre Tätigkeit sehr.
Aber sie machen Fehler und ich kann ihnen sagen, welche das sind.

 

Do 10.07.08   9:33

Seit halb sieben dröhnen die Baumaschinen. Vollsperrung, heute und morgen soll letzte Hand an das Werk gelegt werden, das im September letzten Jahres begann, die Grundsanierung der Dorffeldstraße. Alle Fenster sind verschlossen, Herr M. geht's etwas ruhiger an, heute, man muss auf die Gesundheit achten, aber 140 Seiten könnten erreicht werden.

11:56

Hier das Lied zum Roman, seltsam eigentlich, denn ich mag Prince nicht besonders.

Pop Life

What's the matter with your life?
Is the poverty bringing U down?
Is the mailman jerking U 'round?
Did he put your million dollar check in someone else's box?
Tell me

Mm, what's the matter with your world?
Was it a boy when U wanted a girl? (Boy when U wanted a girl)
Don't U know straight hair ain't got no curl? (No curl)
Life - it ain't real funky unless it's got that pop
Dig it

Pop life - Everybody needs a thrill
Pop life - We all got a space 2 fill
Pop life - Everybody can't be on top
But life - it ain't real funky unless it's got that pop
Dig it

Tell me, what's that underneath your hair?
Is there anybody living there? (Anybody living there)
Can't get over if U say U just don't care (Don't care)
Show me a boy who stays in school and I'll show U a boy aware
Dig it

Pop life - Everybody needs a thrill
Pop life - We all got a space 2 fill
Pop life - Everybody can't be on top
Life - it ain't real funky unless it's got that pop
Dig it

What cha puttin' in your nose?
Is that where all your money goes? (Is that where your money goes?)
The river of addiction flows
U think it's hot, but there won't be no water when the fire blows
Sing it

Pop life - Everybody needs a thrill
Pop life - We all got a space 2 fill
Pop life - Everybody wants 2 be on top
Life - it ain't real funky unless it's got that pop

(Throw the bum out!)
Everybody needs a thrill
Pop life - We all got a space 2 fill
Pop life - And everybody can't be on top
But life - it ain't real funky, baby, unless it's got that pop

© 1985 Controversy Music - ASCAP

17:23

Wie gesagt:140,
allerdings: leichtes Brennen in der rechten Schulter.
Daher jetzt: schönen Abend.

 

Fr 11.07.08   11:51

Mit einhundertfünfzig prall voll beschriebenen Seiten verabschiede ich mich ins Wochenende.

13:36

Wer der Epik des Augenblickes verpflichtet ist, wird mir zustimmen, dass alles, was heute nicht geschrieben wird, und heute wird nichts mehr geschrieben, nie geschrieben werden wird. Nie bedeutet, für immer verloren. Das könnte den Epiker unruhig stimmen, tut es aber nicht, weil er weiß, dass auch Montag noch ein Tag ist, und wer weiß, was bis dahin noch alles geschieht.

Montag (vielleicht aber auch schon morgen) wird er sich also wieder vor seine Maschine setzen. Dann wird er eine Weile wie blöde auf das Display starren, wird eine Weile glauben, dass er den Faden endgültig verloren habe, dann wird er einen Satz notieren, Übersprungshandlungen ausführen, vielleicht wird er die Wohnung kurzzeitig verlassen, um Müll wegzubringen oder Wäsche aufzuhängen, irgendetwas wird ihm da schon einfallen, und wenn er dann zurückkehrt zur Epik, wird er den geschriebenen Satz entweder sofort in den digitalen Orkus befördern oder aber in seiner Gesamtheit erfassen.

Wenn Letzeres geschieht, darf man davon ausgehen, dass hinter diesem Satz weitere lauern. Das ist, in wenigen Worten ausgedrückt, die Kunst der Epik des Augenblickes. Sie erfordert nicht viel, aber ohne Zuversicht wird sie nie funktionieren. Und sie wird sich gegen jeden Plan stemmen. Der Augenblick ist der Augenblick. Das Leben ist das Leben. Ich weiß, ich weiß, hin und wieder werde ich basis-philosphisch, aber Sie können mich gern am Arsch lecken, falls sie glauben, Sie wüssten es besser als ich.

18:10

Letzter Akt: die Dorffeldstraße hat neuen Asphalt. Platt machen.

 

Sa 12.07.08   8:55

Leider gelang es mir nicht, diese wunderschöne Dampfwalze ganz in Rauch eingehüllt aufzunehmen. Man sieht ein wenig davon, aber als ich sie - eh der Fotoapparat bereit war - die Straße hinabkommen sah, verschwand sie fast in aufsteigendem Rauch, das sah sehr schön und sehr wild aus.

Ich mag Dampfwalzen. Ich erinnere mich noch an Dampfwalzen, die tatsächlich dampften und große Schwungräder hatten. Diese Walze hat einen Fahrersitz, der nach Bedarf ausgerichtet werden kann, auf dem Foto wird gerade der linke Rand der Straße gewalzt. Die Faszination für solche Maschinen habe ich mir wohl aus der Kinderheit hinübergerettet. Dann war da gestern noch diese Maschine, die Straßenbeläge legt. An der einen Seite schüttet ein Kipplader heißen Asphalt hinein, an der anderen Seite kommt der Asphalt so aufgearbeitet heraus, dass man ihn wie Pizzateig auf die Straße legt, um ihn gleich darauf zu walzen.

Wie ich drauf kam?
Nun, Übersprungshandlung, eh das Romanschreiben beginnt.
Es beginnt: jetzt....

15:55

Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass das Manuskrip auf 167 Seiten gewachsen ist.
Das kommt davon, wenn man Klinsis Motivationszauber ernst nimmt. Man braucht gar nicht Buddhist zu sein. Blödsinn, Sie werden doch nicht glauben, dass junge Männer, die im Jahr mehrere Millionen verdienen, sich um Buddha und Energieflüsse scheren. Die treten gegen den Ball und sehen zu, dass sie dem Trainer imponieren, damit er sie aufstellt.

Bei mir aber, der ich keine Millionen verdiene, bei mir wirkt das.
Ich glaube nämlich an Klinsis Kunst, ja, ja, Klinsi ist was Besonderes, dieser Bäckersohn aus dem Schwäbischen mit dem dämlichen Dauergrinsen hat in Amiland einiges missverstanden.

Warten Sie mal ab, die Pressemeute, die seit vierzehn Tagen nichts anderes als Staunen verbreitet über das neue Trainingszentrum der Bayern an der Säbener Straße, werden ihm den Buddha verkehrt herum in den Arsch drillen, sollten die Bayern in der anstehenden Saison nicht mindestens alles werden, was man werden kann. Den ganzen transzendentalen, halb verdauten Quark werden sie ihm um die Ohren hauen, und das ist auch gut so, dann kommt er vielleicht wieder zurück auf die Erde, nachdem sie ihn vor zwei Jahren wegen eines dritten Platzes, der bei jedem ehrgeizigen Trainer zu Selbstmordgedanken geführt hätte, gefeiert haben, als wäre er der liebe Gott.

Also Klinsi, nimm dir ein Beispiel an mir.
Ich habe keinen Verlag, ich verdiene keine Millionen, ich habe nicht einmal einen Mäzen, aber ich haue zwanzig Seiten pro Tag raus, immer noch, und ich mache das solange, bis nichts mehr kommt, und dann geht die Arbeit von vorn los, und stell dir vor, darauf freue ich mich jetzt schon.

 

So 13.07.08   13:09

Immer häufiger sehe ich Störche. Gestern allein vier auf einem frisch gemähten Feld. Sie leben in Halbpension im münsterschen Zoo. Ich freue mich jedes Mal, dabei bin ich zum größten Teil aufgeklärt. Aber die mit ihnen in Verbindung gebrachten Geschichten klingen noch nach, und so kommt es wahrscheinlich, dass viele Leute Störche lieben und nur die ganz bösen auf den Gedanken kämen, man müsse sie verjagen oder abschießen, obwohl, schmecken soll so ein Storch ja nicht.

Die Straßen und Wege sind voller Nacktschnecken. Sie sind von einem Tag auf den anderen plötzlich da, schleimen sich zu imaginierten Treffpunkten, an denen sie zu viert, fünft, sechst, siebt kleben und was tun? Sich vermehren? Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, wie sie es schaffen, sich dort zu versammeln. Sie werden sich ja wohl nicht gegenseitig rufen, oder? Hallo, hier bin, wo seid ihr?

Ich achte darauf, sie nicht platt zu fahren, weil es unschön ist, Schnecken plattzufahren, aber trotzdem sieht man überall Schneckenmatsch. Die Störche fressen sie nicht. Niemand frisst Nacktschnecken. Sie haben sich über die Jahrtausende wohl so entwickelt, dass sie niemandem schmecken. Ich nehme an, das ist ihr evolutionärer Überlebenstrick. Über derartige Tricks kann ich nur staunen. Wahrscheinlich wird mir niemand erklären können, wie so ein unattraktives Wesen es fertigbringt, nicht schmackhaft zu sein, während so viele attraktivere Arten sehr schmackhaft sind und das Überleben ihrer Art durch Nichtschmackhaftsein deutlich erhöhen könnten.

Ich bin auch schmackhaft.
Aber zum Glück hat die Zahl der Menschenfresser deutlich abgenommen.
Wahrscheinlich hat das kulturelle Gründe. Womit bewiesen wäre, dass auch die Kultur das Überleben der Art sichert. Hätten Sie jetzt nicht gedacht, oder?

Egal. Heute wird nicht schrieben.
Heute wurde schon geruht und geschlummert, heute wurde ausgiebig gefrühstückt und Zeitung gelesen, heute wird weiter geruht und vom Balkon geschaut, am späten Nachmittag dann geht es ins Fußballstadion, die Preußen spielen gegen die Glasgow Rangers. Und ein bisschen wird heute auch noch darüber nachgedacht, woher eigentlich diese 173 Seiten kommen, die ich in den letzten eineinhalb Wochen geschrieben habe, aber andererseits, was geht es mich an, Hauptsache, sie liegen da, ich kann sie anfassen, ich habe sie auf meinem Rechner doppelt gesichert, und morgen mache ich 200 draus.

14:34

Hier ein mögliches Indiz für das plötzlich massenhafte Auftreten der Nacktschnecke.
Quasi über Nacht haben sie die Sonnenblume kahl gefressen.
Aber ob es tatsächlich Nacktschnecken waren? Man weiß es nicht.
In der nahen Umgebung habe ich jedenfalls keine gefunden.
Sollten also Gärtner unter Ihnen sein, wäre ich für Auskünfte dankbar.

Mo 14.07.08   11:01

Die Dudelsackspieler der Scottish Guards, die hier gleich um Ecke ihre Garnison haben, spielten vorm Anpfiff auf, umrundeten das Spielfeld und waren wohl nicht mehr ganz nüchtern. Der dicke Trommler am Ende hinten rechts jedenfalls war immer links vor, wenn die anderen rechts vor waren, manchmal nicht einmal mehr das, dann war er zu schnell oder ein wenig zu langsam.

Gleichschritt sieht anders aus.

Die Glasgow Rangers spielten erstaunlich harmlos, die Preußen hingegen munter über die Flügel, mit mutigen Mann-gegen-Mann Einsätzen, mit mehreren guten Situationen vorm Tor, leider jedoch, ohne einzulochen. Das taten die Rangers in der ersten Halbzeit durch einen Elfmeter. Alle hatten mit einem hohen Ergebnis für die Rangers gerechnet, aber mehr als dieses 1:0 brachten sie nicht zustande.

Ein bisschen müde waren die Anfeuerungen der Fans, mehr als ein auf der rechten Seite gerufenes Preußen, und die Erwiderung Münster von der gegenüberliegenden Seite war nicht drin, und es klang, als läge Müühnsta im Herzen des Ruhrgebiets, dennoch, es klang schön. Das Wetter war gut, und weil Fußball im wirklichen Leben so viel langsamer ist als im Fernsehen, in dem ja immer alle rennen, grätschen, hochsteigen, hatten alle Leute Zeit, miteinander über dies und jenes zu reden, manche taten nichts anderes als reden, es wurde Bier getrunken und Bratwürstchen wurden gegessen, und als es vorbei war, fanden wir eine wunderschöne Abkürzung auf dem Weg nach Hause.

Heute ist aller Anfang schwer. Aber keine Bange, das wird schon.
Gestern habe ich mir bis in die tiefe Nacht laut vorgelesen.
Mein Fazit: weiter so, weiter, ohne nachzudenken, schreiben, bis nichts mehr kommt, korrigiert wird später.

15:49

Heute war nicht nur der Anfang schwer.
Heute war Quälerei und damit ist jetzt Schluss. Feierabend bei 183 Seiten.

 

Di 15.07.08   11:41

Sie werden sich erinnern, ich hatte mir das Nachlesen dessen, was ich jeden Tag schreibe, eigentlich verboten. Ich wollte keine Erkenntnisse über das, was ich tue, ich wollte es nur tun, erkennen könnte ich immer noch. Kein Wunder also, dass mich das Lesen ein bisschen aus der Bahn gekickt hat.

Nicht, weil ich drauf gekommen wäre, dass die bisher geleistete Arbeit Mist wäre, nein, nein, ich habe schon Schlüsse gezogen, die mir am Ende helfen werden. Aber mir ist dabei auch die Leichtigkeit, die Unvoreingenommenheit, verloren gegangen. Gestern habe ich dagegen gekämpft. Heute auch, und jetzt, ich bin auf Seite 197, stellt sie sich langsam wieder ein.

Das, was ich für diese Geschichte brauche, ist Fluss. Ich muss nicht kontrollieren. Ich muss nur schreiben. Kontrollieren werde ich später. Also, weiter, die Krise scheint überwunden, schreiben, Mann, schreiben....

15:53

Immer so nach zehn Seiten geht mir die Luft aus, dann muss ich überspringen und irgendetwas tun, das nichts mit Schreiben zu tun hat. Heute mittag war das eine kleine Radtour durchs Aa-Tal, auf den Spuren der Annette von Droste Hülshoff, die trifft man da häufig, vor allem, bei Nebel.

Auf der Aa-Brücke machte ich eine Pause.
Früher hatte ich dort an einem Seitenbach mit unseren Kindern mal einen Staudamm gebaut, ein sehr effektives Bauwerk, das den Zufluss zur großen Aa eine ganze Weile verhinderte.

Als ich auf das blaue Geländer gelehnt auf den Fluss hinab schaute, sah ich vier große Fische.
Erst gestern hatten Chris und ich zwei, drei Kilometer Aa-abwärts einen Angler gesehen und uns gefragt, was es in der Aa (die in nicht allerbestem Ruf steht, was die Wasserqualität angeht, zuviel Düngemittel etc.), wohl zu angeln gäbe.

Ich schaute auf diese vier Fische, von denen zwei offensichtlich befreundet waren, denn sie blieben beisammen, und selbst, wenn einer der beiden davonschwamm, kam er immer nach einer gewissen Zeit zurück, worauf die beiden dann - schien mir - eine gemeinsame Kontrollrunde drehten.

Die hinteren Seitenflossen der Fische waren orange.
Ich dachte gleich an Forellen, aber da ich weiß, dass Forellen nur reinstes Wasser mögen, konnte ich das nicht recht glauben. Jetzt habe ich aber mal nachgeschaut, wie Forellen denn aussehen, und herausgefunden, dass das Regenbogenforellen waren.

Man staunt und dann denkt man, die werden bei den Hülshoffs auch hin und wieder auf den Tisch gekommen sein.

Ach ja.
Mit dem Schreiben für heute ist Schluss. Seite 202.

 

Mi 16.07.08 8:30

Herr M. fliegt hoch augenblicklich, und da es kühl ist da oben, fühlt er sich einsamer als sonst. Eigentlich macht das nichts, denn diese selbstgewählte Isolation in der Stratosphäre blendet vieles aus, was er für die Arbeit gar nicht gebrauchen kann, all die Störsignale des Alltags, oder besser: des anderen Alltags, denn er selbst hat ja einen eigenen.

Gestern abend dachte er, wie wär's, wenn ich noch ein bisschen über Land nörkelte, nörkelte los und landete bei den H.'s, blies sich dort mit ein, zwei Joints das Hirn frei, denn das ist ja auch manchmal nett, man ertappt sich dann bei großen Reden und staunt, was man alles so von sich gibt.

Die Reden, zumindest meine Reden, wurden groß und größer, es ging um die Welt als Ganze und meinen bescheidenen Blick, vor allem aber ging es darum, was wäre gewesen, wenn, also im Prinzip: Geschwätz. Aber nett, mir gefiel es und den H.'s gefiel es, glaube ich auch. Tatsächlich erfuhr ich einige Neuigkeiten von H.H., interessant, dachte ich, so war das also.

Nebenbei sprachen wir auch von Zerrissenheit durch Herkunft. Ein Beispiel: die H.'s haben zur Hälfte schlesischen Ursprung. Ich zu einem Viertel niederländischen. Und ich sage Ihnen, sowas wird man sein Leben nicht los. Na ja, der Abend schritt voran und voran, und wenn sie Herrn M. ein wenig kennen würden, würden sie wissen, dass, wenn er sich schon einmal entschlossen hat, seine Lampe zu putzen, was er nicht allzu häufig tut, dann tut er's aber richtig, so dass er, als er gegen Mitternacht sein Hollandrad bestieg, bester Laune war und nur dachte, was für eine wundervolle Luft, mild, ein wenig feucht, der Himmel grauschwarz und recht tief, mit einem dicken Riss für den Mond, aber keine offene Wunde, nur die Ränder leuchteten voll und gelb.

Am liebsten wäre er noch hundert Kilometer herumgefahren, aber er wusste ja, dass heute noch ein Tag wäre, um die nächsten Seiten in Angriff zu nehmen, also fuhr er heim, wo er gefragt wurde "wo warst du denn?", was verständlich ist, denn Sorge ist nun mal Sorge und so ein alter Mann wie Herr M. kann jederzeit tot vom Rad fallen, also sagte er "bei H., ich schlafe auf dem Balkon", schnappte sich Bettzeug und Kissen, machte sich vor der geöffneten Balkontür sein Bett und schlief einen tiefen, erfrischenden Schlaf.

Heut morgen erwachte er mit großem Hunger und sehr klarem Kopf, stand auf, briet Spiegeleier, machte Kaffee und stellte fest, dass die Milch des neuen Konzerns, der unseren alten Extra-Markt übernommen hat, eine Scheißmilch ist, denn sie lässt sich nicht aufschäumen. Der Konzern heißt Rewe und wir werden unsere Milch jetzt nicht mehr dort kaufen.

9:25

Sie glauben ja nicht, wer ums Haus in den Büschen sitzt.

Der Zilpzalp, der Grünling, die Singdrossel, das Rotkehlchen, der Hängelpämp, ein Narzkrächzer und heute früh, ich war gerade erst wach geworden und schaute auf das Balkongitter, saß da tatsächlich dieser grün-rot getupfte Schnarzer und sang mir etwas vor. Schnarzer singen sehr schön, fast schöner als Nachtigallen, aber nicht so schön wie die Singdrossel. Die mag ich von allen am liebsten.

15:14

Seite 220 und kein Ende in Sicht.

 

Do 17.07.08   11:02

Es hatte mir den gesamte Festplatte geblitzdingst und ich war entsetzt.
Gut, da lagen 220 Seiten dicht beschriebenes Papier, ich hatte vor einiger Zeit alle relevanten Daten auf meine externe Festplatte übertragen, trotzdem, das war gemein.

Als ich erwachte, fuhr ich den Computer hoch und machte ein Backup.
Während der Rechner arbeitete, kam Herr M. ins Zimmer, setzte sich auf's Bett, deutete auf den Roman, der links neben dem Rechner lag und sagte "redundant, schade, nicht", stand auf und war weg.

Aufgeblasenes Arschloch! rief ich, aber ich wusste schon, was er meinte.
Zur Sicherheit schaute ich nach. Dass Herr M. mir so etwas antat, an so einem Morgen, an dem es mir schon die Festplatte geblitzdingst hatte und der Schnarzer, der gestern noch so schön sang, tot auf dem Garagendach lag.

Ich wusste nicht, wie dem zu entgegnen wäre.
Also setzte ich mich auf mein Rad und strampelte gegen die Redundanz.
Jetzt bin ich zurück, Herr M. hat sich noch nicht wieder blicken lassen, da kann er von Glücken reden.

14:50

Es ist ein bisschen wie Boxkampf. Die ersten Runden sind überstanden, vielleicht war alles zu einfach, man weiß nicht genau, kaum aber wird der Gegner bockig, verliert man den Überblick, man ist irritiert, obwohl man sich Jahre auf diesen Kampf vorbereitet hat, und dann passiert eben, was heute passiert ist, man denkt, der Kampf ist vorüber, dann aber gongt es und eine neue Runde beginnt, sie beginnt überraschend, sie wird hart, verdammt hart, sie ist die härteste bis jetzt, aber wenn dann der Gong zum zweiten Mal klingt, nach zehn Seiten diesmal, weiß man, dass Herr M. Unrecht Recht hatte, dieser aufgeblasene Sack.

19:19

Kein Wunder, dass es so schwer ging, heute früh. Jetzt, fünfundzwanzig Seiten weiter, weiß ich, warum, denn ich gehe dem Ende zu. Alles deutet darauf hin. Vom ersten Satz heute mittag bis jetzt sagt jeder, mach weiter, vielleicht schaffst du es noch nicht heute, vielleicht brauchst du noch zwanzig, dreißig Seiten, aber mach weiter, lass dich nicht beirren, das Ende, wenn es das Ende ist, ist ein rundes Ende, keines, das jemand herbei konstruiert hätte, sondern eines, das kommt, wie jedes Ende kommt. Also. Bald wissen wir mehr.


Fr 18.07.08   12:14

Heute ist Ruhetag.
Ich bitte meine verehrte Kundschaft dies zu respektieren.

 

Sa 19.07.08   10:12

Glauben Sie bloß nicht, dass es lustig ist, Pause zu machen. Im Grunde meines Herzen bin ich nämlich ein Work-a-holic. Gestern aber ruhte ich hier und dort (meist muggelig unter einer Decke), versuchte so wenig wie möglich zu denken und dachte dann doch, klar. Dachte über das noch zu schreibende Ende nach, skizzierte einen Ablauf, und bereite mich nun auf die bald beginnende Feintunung des Romanes vor, denn die wirkliche Arbeit beginnt ja erst jetzt. Zum Beispiel ist zu entscheiden, ob ein Ich-Erzähler nicht doch besser wäre, ich muss das ausprobieren beim Laut-Lesen. Ja, noch viel Arbeit also, aber auch heute wird noch versucht, das Leben ohne Arbeit zu genießen.

 

So 20.07.08   13:15

Habe fertig.

 

Mo 21.07.08   19.15

Hätte ich mir auf Walters Party nicht die Kante gegeben, wer weiß, ob Pop Life entstanden wäre. Aber nach diesem Wochende musste etwas geschehen, und eh ich mich versah, waren auch schon die ersten Seiten geschrieben. Jetzt ist schon ein Leser damit unterwegs, eine Leserin, um genau zu sein, und ein erstes Feedback ist auch schon gekommen. Es klingt gut. Und auch bei mir klingt das gut, ich habe seit heute früh korrigiert, ich war darauf gefasst, alles rauszuschmeißen, was unnötig wäre, aber ich habe kaum etwas rausschmeißen müssen. Das ist mir ein wenig unheimlich, aber ich nehme es, wie es ist.

Jetzt brauche ich ein wenig Ruhe. Zerstreuung. Eine Session wäre gut. Mal sehn, ob da was zu machen ist.

 

Di 22.07.08   8:31

Ich wette, jeder hat Juden, die er wie die Pest hasst und solche, die er liebt.
Ich zum Beispiel hasse Friedmann.
Immer, wenn ich ihn sehe, wünsche ich ihm die Pest auf den Hals.
Mein Lieblingsjude ist Noam Chomsky, emeritierter Professor für Lingustik und Philosophie.
Der hat die Dinge immer schon auf den Punkt gebracht.

Heute z.B. klingt das bei ihm so:

"Wir haben euer Land überfallen, um es zu besetzen und exklusiven Zugriff auf eure Rohstoffe zu bekommen."

Vor ein paar Jahren klang das so.... und so...

Von welchem Land er spricht, sollten Sie wissen.
Wenn nicht, sind Sie hier sowieso falsch.

Mehr dazu hier...

17:43

Exposé

Hermann Mensing
Pop Life
Roman

In einem Tessiner Dorf treffen sich drei Männer, die sich zwanzig Jahre nicht gesehen haben: Steven McFarlain, in Newcastle geboren, in Kenia als Architekt lebend, Hans Vorrink, ein Westfale, mäßig erfolgreicher Schriftsteller, und Paul Brunthaler, der Gastgeber, ein Immobilienmakler.

Die drei sind Anfang der Siebziger gemeinsam durch Südamerika gereist.
In den Jahren danach hatten sie kaum Kontakt.

Der Höhepunkt dieses Treffens (mit Familien) wird ein Tag auf dem Luganer See.
Man mietet Motorboote, man fährt hinaus, schwimmt, isst, trinkt, man kreuzt den See, am Abend gerät die Gesellschaft in einen Gewittersturm, sechs Menschen ertrinken.

Die drei Männer überleben..

15 Jahren später treffen sich diese Männer am gleichen Ort wieder.
Es scheint, dass dieses Treffen ein Abschiedstreffen wird: Paul hat das zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber er hat von Krebs gesprochen.

Man fährt hinauf zum Lago Ritom, einem Bergsee auf knapp 2000 Meter Höhe.
Es ist Mai. Ein Wettersturz bewirkt, dass die drei für ein paar Tage dort oben festsitzen.

Das ist die Folie, auf der ich die Geschichte und die Geschichten meiner Charaktere entwickle.
Ihre Hoffnungen, die Hoffnungen einer Generation, die mit den Beatles aufwuchs, die all die Orte, die heute touristische Massenziele sind, noch in ihrem Urzustand sah, ihre Sprachlosigkeit, ihre Fragen nach Sinn, Schuld, ihre Fragen nach den Kausalzusammenhängen, die Gewichtung ihrer Zuneigung untereinander.

Vom Lago Ritom ausgehend (und immer wieder dorthin zurückkehrend) entwickelt sich so eine Geschichte, die über drei Kontinente, fast vier Lebensjahrzehnte und den darin verwobenen Lebenswegen versucht, der Wahrheit, falls es denn eine gibt, näher zu kommen.

 

Mi 23.07.08   11:33

Mein Drucker arbeitet. Er spuckt acht mal zweiunddreißig Seiten plus acht Exposés plus acht Briefe an deutsche Verlage aus. Das ist meine Sommeroffensive. Wir Deutschen kennen uns in Offensiven ja nicht mehr so gut aus, obwohl, wenn man jetzt manchmal so hört, was unsere Verteidiger am Hindukush in Splitterweste und Spezialhelm gekleidet so in die Mikrofone raunzen, da kann man sich nur freuen, die Zeiten sind doch wieder besser geworden, und da will ich natürlich nicht nachstehen.

Ich greife über die Flanken an, das habe ich während der EM gelernt, immerhin kann man damit Zweiter werden. Und dass wir Deutsche immer Erste sein müssen, nun ja, beim nächsten Mal, nicht wahr. Unsere Nazi-Schläger bereiten das jetzt auch schon in Hessen vor, obwohl der Landrat sagt, das wäre nix, und ich glaube eigentlich auch nicht, dass das was ist, ich glaube, die Menschen sind überall gleich bescheuert.

Ich bin nicht so bescheuert wie die, ich platze vor Hoffnung und habe keinen einzigen Freund.
Das ist immerhin eine Leistung bei fast 60 Jahren, aber ich erinnere auch nicht daran, dass mein Vater einen gehabt hätte und ob meine Mutter eine Freundin hatte, glaube ich auch nicht. So setze ich wohl einfach nur fort, was ich gelernt habe und kann nichts dagegen tun.

Hach, diese Lieblosigkeit, schöne Jugend war das.

Ich habe natürlich auch höchste Ansprüche.
Da könnte ja jeder kommen und sagen, er wäre mein Freund.
Da haue ich ihm doch erst mal meine gesammelte Arroganz um die Ohren, und dann soll er mal sehn, dieses Arschloch, da könnte ja wirklich jeder könnte da....

So, jetzt muss ich aufpassen, dass ich meine Pakete richtige sortiere und eintüte, und dann gehe ich gleich zur Posthilfsstelle, wo diese Türkin arbeitet, mit der ich immer rumflachse und diese Frau, die mir jedesmal erzählt, dass sie jetzt schon seit drei Monaten nicht mehr raucht, außerdem hatte sie heute so einen Hunger, und als ich sagte, sie hätte einen Hungerast, hatte sie dieses Wort noch nie gehört und ich musste es erklären, und danach fand sie, dass sie genau darunter litt.

Schön wäre jetzt, ich wüsste, worunter ich leide.

15:45

Das war natürlich literarisch überhöht.
Ich komme um vor Freunden.
Und wenn ich erst mal reich und berühmt bin, hach, dann erst....

20:47

Grad flog ein Storch vorbei...

 

Do 24.07.08   9:01

Lauter interessante Neuigkeiten.
Die VG-Wort ermöglicht es mir, Vorpixel für meine online-Beiträge zu bestellen.
Diese muss ich in meine Texte integrieren (Quellcodemanipulation), dann kann die VG Wort Zugriffe darauf zählen, und aus diesen Zugriffen die Höhe der Vergütung berechnen.

Man höre und staune: VERGÜTUNG.

Aber noch sind keine Vorpixel bestellt, ergo auch noch nicht eingearbeitet.
Ich nehme an, das wird eine kleine Frickelei, aber da ich in Computerei nicht mehr der Allerdümmste bin, gehe ich davon aus, dass es nicht viel schwerer sein wird, als das Einarbeiten eines vom Quellcode-Generator erstellten - nu ja - Befehls?, sagt man so, wenn man möchte, dass der Computer bestimmte Dinge tut?

Glaube wohl.
Also, das werde ich in Angriff nehmen.

Der erste Leser (eine Leserin) von Pop Life hat knappe 5 Zugfahrten Münster-Düsseldorf benötigt, um den Text zu lesen und findet ihn Klasse. Das freut mich sehr. Heute hat Frau M. begonnen, den Text zu lesen. Und Herr M. ist, seit er Pop Life beendet hat, von einer derart hoffnungsfrohen Grundstimmung erfüllt, dass er sich schon Kontostände ausmalt und sich sagen hört, wem er alles absagt, wenn erst einmal das passiert, was immer passiert, wenn es passiert, wenn plötzlich alle was wollen, die vorher nichts wollten.

Auuu, da hat er schon Sätze notiert und wird kein Pardon geben. Und dann wird er sich aussuchen, was er sich aussuchen kann. Ja, ja, Herr M. schwebt augenblicklich knapp unter der Stratosphäre und weiß auch schon, wie sein nächster Roman heißen könnte, er könnte quasi jetzt sofort damit beginnen, mit dem Roman, Herr Schwartzer würde der Roman heißen, und wer den Titel in Verbindung bringen kann, hätte vielleicht auch schon so eine Ahnung. Aber nun, es ist ja Sommer, und Herr M. hat den Feinschliff für Pop Life noch nicht beendet, außerdem muss das Hörspiel gemastered werden, Anfang August.

Außerdem heißt es im Augenblick, Nerven bewahren, hoffen, helfen....

 

Fr 25.07.08   8:16

Also das mit diesen Vorpixeln vom VG Wort, das krieg ich nicht hin.
Dabei wäre das doch eine alternative Geldquelle, wenn schon die mittlerweile weit über 4000, die seit zweieinhalb Jahren Einer bleibt gleicher gelesen haben, keinen Pfennig dafür bezahlen.
Aber auch in die übrigen Texte würde ich diese Vorpixel gern integrieren, denn da käme sicher einiges zusammen. Wenn ich's aber so mache, wie bei der VG-Wort beschrieben, funktioniert der Link nicht.

Gestern noch einmal Korrektur gelesen.
Hier und da noch einen Absatz eingefügt, um die zeitlichen Ebenen optisch ein wenig voneinander zu trennen. Und ich muss sagen: ich finde es gut.

Übrigens: kann es sein, dass die Leute Barack Obama nur gut finden, weil er schwarz ist und weil sie denken, wenn ich den gut finde, bin ich ja kein Rassist? Ha, ha, die Abgründe unserer Seelen sind tief, und seit es political correctness gibt, hat sich der in jedem schlummernde Rassist plötzlich verkrochen, und Sie wissen ja, der unterdrückte Rassist ist schlimmer als der, der es offen zugibt. Vom erzwungenen Gutsein kriegt man nämlich die Scheißerei und Schlimmeres.

Mir wird dieser Mann von Tag zu Tag unheimlicher.

 

Sa 26.07.08   12:57

Es dauert eine Weile, bis man es kann. Man probiert und probiert, und versucht die Nerven zu behalten. Wenn man's dann kann, will man es ständig. Aber irgendwann wird es auch lästig. Man weiß gar nicht mehr, wann und warum es lästig wurde, aber plötzlich will man's nicht mehr. Man weiß nicht mal, warum man's je wollte. Man denkt, komische Welt, wollen's die anderen eigentlich auch nicht mehr, oder wollen sie immer noch ständig. Man versucht es hin und wieder nochmal, aber das bringt nichts, möglicherweise bricht man sich noch was dabei oder es wird einem schlecht, man wundert sich, dass man sich früher nichts dabei gebrochen hat, man fragt sich auch, wieso man soviel Zeit drauf verbracht hat, es endlich zu können, das hätte man doch leicht auch ohne überstanden, das Ganze, aber nun, denkt man, manches scheint einfach dazuzugehören, man kann laufen, man kann schwimmen, man kann fahrradfahren, dann wird man den Rest doch wohl auch können. Und ehrlich, wenn man's dann nicht mehr kann, erschreckt man ganz schön.

 

So 27.07.08   16:54

Es regnete, der Himmel war Wolkenmasse, man konnte nicht erkennen, wohin sie sich bewegte, dennoch fuhren wir los, wir waren verabredet, wir wollten grillen, im Aa-Tal hörten wir Schüsse, obwohl Schonzeit ist, wir erreichten das Ziel, die Gastgeber hatten die Terasse mit Planen vor Regen geschützt, der Grill war angeworfen, die Fleischlappen warteten auf den Verzehr. Wir saßen da und besprachen die Welt, wir aßen die Lappen wie früher, als Fleisch noch mit dem Speer erlegt wurde, wir tranken und rauchten, und als wir heimfuhren, glühten die Wolken ringsum vor aufgeladener Energie, wir kamen früh genug heim, die Blitze kamen näher, jetzt war schon Donner zu hören, ich ging zu Bett, sie ging sie zu Bett, sie schlief gleich, ich aber hörte das Grollen näher kommen und dachte, das wird was, das wird wieder so ein gewalttätiges Neuzeitgewitter, aber dann begnügte es sich mit drei, vier kräftigen Schlägen, sogar das Knistern der elektrischen Gewalt war zu hören, aus Gründen aber, die mir nicht bekannt sind, zog es dann weiter, woanders hin.

Die ersten Meldungen an VG Wort sind abgesetzt, jetzt bin ich gespannt.

 

Mo 28.07.08   19:11

Wir lagen unter einer Canadischen Eiche im Freibad, um uns schwirrten Stimmen, es war ein Flirren, aus dem dann und wann spitze Schreie aufstiegen, wir hörten das Wippen des Sprungsbretts, das Aufklatschen der Körper im Wasser, kleine Jungs spielten Fussball, größere Jungs posierten für die Mädchen, nebenan lag eine hochschwangere Frau auf der Seite und streichelte verträumt ihr noch Ungeborenes, sehr schön, das zu sehen, fast zu intim, aber schön. Es ist Sommer.

 

Di 29.08.07   12:07

Die VG Wort ist für Schriftsteller das, was die GEMA für Musiker ist, sie sorgt dafür, dass die Nutzer publizierter Texte und Hörspiele für die Nutzung auch zahlen. Dass nun plötzlich auch Texte, die im Internet erscheinen, eine bescheidene Vergütung abwerfen sollen, freut den Autor natürlich, aber da der Autor in der Regel kein Computerfachmann ist (ich jedenfalls bin das nicht, ich kann zwar einiges, aber das auch nur oberflächlich), wird es ihn umhauen, wenn er das von der VG Wort angebotene Handbuch liest. Er wird kaum etwas davon begreifen, bleibt allerdings handlungsfähig, so, wie der TV Nutzer das TV nicht begreift, aber dennoch nutzen kann.

Dieser fundamentalen Idiotie folgend habe ich, seit ich letzte Woche von diesem Verfahren erfuhr, dreiundzwanzig Texte mit den von der VG Wort vergebenen Vorpixeln (???) versehen, die es den Computern der VG Wort möglich machen, zu zählen, wann und wie oft meine gemeldeten Texte aufgerufen werden.

Gut, genug davon, gerade habe ich Klaräpfel gesammelt, jetzt wird Apfelmus gemacht. Ginge es nach mir, würde ich Rosinen einfügen, aber die mag hier niemand, also beschränke ich mich auf Zucker und Zimt.

15:35

Ansonsten ist mir zu heiß, mir fällt nichts, aber auch gar nichts ein, was auf eine gesunde Regenerationsphase verweist, die ich augenblicklich durchlaufe. Schreiben Sie mal in drei Wochen einen Roman von fast 280 Seiten, das schlaucht.

 

Mi 30.07.08   9:39

Schon einmal von der Duplizität der Ereignisse gehört?
Nun, macht nichts, denn heute früh erhielt ich Fotos aus meiner Jugend.
Ich war damals in Südamerika unterwegs.

 

Do 31.07.08   10:38

Gegen 17 Uhr gestern klingelte das Telefon. Ein Geo Cache sei beim Schloss Hülshoff verborgen, hätte ich Lust, mich mit auf die Suche zu machen? Ja. Ich hatte Lust. Zu viert machten wir uns auf den Weg. Der kleine GPS Navigator war auf die entsprechenden Koordinaten eingerichtet, das zu findende Cache lag irgendwo im Wald, was aber dem Empfang der Signale vom Satelliten nicht zugute kam. Die Nadel tanzte zuweilen hierhin und dorthin, wir kamen nie näher als 3 Meter an das verborgene Cache heran, wir durchsuchten alle Aushöhlungen in Baumwurzeln, wir drehten jeden Ast, wir wollten schon hineingreifen in einen Baum, stellten dann aber fest, dass dort Hornissen wohnten, wir suchten und suchten und fanden nichts.

Aber da man mir demonstrieren wollte, wie dieses moderne Suchspiel funktioniert, lokalisierte man einen weiteren Cache, keinen Kilometer Luftlinie entfernt. Wir schwangen uns auf die Räder, erreichten die angegebene Position, und was tat das kleine Navigationsgerät? Es sagte, noch fünf Meter und zeigte dabei exakt auf ein umzäuntes Haus mitten im Wald. Sollten wir da jetzt schellen und sagen, guten Tag, ist bei Ihnen ein Geo Cache versteckt? Nein, das wollte keiner von uns, vielleicht wohnte da ja jemand, der versuchte, Menschen in die Falle zu locken.

Tja, ein nettes Spiel, das einen hinaus bringt an die frische Luft, ich kann es nur empfehlen, allerdings werde ich beim nächsten Mal etwas zu trinken und zu essen mitnehmen, das wäre vielleicht die beste Kombination: Picknick plus Geo Cache.

PS. Am Ems-Auenweg sollen weit über hundert Geo-Caches versteckt sein.

11:38

Wo, weiß ich nicht, schätze aber, Central Amerika...

15:18

Vorhin nun die Nachricht, dass das erste Cache gar nicht mehr da war.
Hätten wir ja noch lange suchen können.

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

________________________________________________________________________________________________


Bücher von Hermann Mensing bei:
Amazon.de