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Nagoya (unbearbeitete Notizen vom 8.09.1972)

Deine Heimat, meine Heimat. Ausdruck. Sprachen. Sprechen. Kormoranboote. Atmosphäre. Der Fluss. Hoch auf dem Berg ein japanischer Tempel. Hier kann ich es schon ein paar Tage aushalten. Nagoya ist ein Dreck. Hier draußen ist es ein wenig besser.
Rucksack! Schlafsack! Auf dem Rücken. Den Berg hoch.
Daumen raus. Und Lift. Wohin?
Da ist es wieder.
Das unbeschreibliche Gefühl.
Mehr als Glück. Gut.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wir sind an eine Jugendherberge geraten, in der man es offensichtlich vergessen hat, uns um 6 Uhr wie üblich aus dem Schlaf zu reißen. 8:30 Uhr und immer noch lang. Wie einst. Was ist passiert?
Allein zu reisen ist besser. Obwohl...
Man ist frei. Ich scheiße drauf und gehe in die andere Richtung. Ich frage nicht "darf ich?" Ich drehe mich ein zweites Mal um, dann wieder. Und frage nie "willst du?" Ich denke nur, "dorthin nicht, vielleicht dort?" Und beginne mich im Kreise zu drehen.
Ich denke an einen Kreisel. In alle Richtungen weisend. Wohin es mir gefällt. Ungebunden. Gefällt es mir. Straußenei, zu groß, um es auszubrüten.
Verpfuscht, ich lese Zeitung. Alles entzwei.
Die Vision. Das universale Unglück. Wann?
Vier Wochen japanische Höflichkeit. Nur Blicke. Ungläubiges Staunen. Kichern.
Ich bin es satt. Nur Blicke.
Ich bin wieder da, wo ich angefangen habe.
Wo habe ich angefangen.
Fötus. Embryo. Wer bin ich.
Fötus Hermann. Geplant? (Identitätskrise, würde der Psychologe behaupten)
Ausgeflippter Embryo.
Steht das alles in meiner Hand?
Volksschule. Realschule. Lehre. Höhere Handelsschule. Ersatz - Israel - dienst. Trip in die Welt.
Wie sieht das aus.
Meine Bewerbung an das Leben, aufgenommen zu werden.
Nicht etwa: Ich hoffe, Ihren Anforderungen gerecht zu werden. Hochachtungsvoll Embryo Hermann.
Wessen Anforderungen? Gerecht werden? Was ist gerecht? Hat jemand das Recht, Anforderungen an mich zu stellen? Kaum.
Ich stelle meine Anforderungen selbst.
Ich fordere: lasst mich in Ruhe! Leben! Mehr nicht? Arschlöcher.
Eure Anforderungen stinken zum Himmel. Sie verpesten die Luft. Verdrecken die Flüsse. Vermiesen die Nahrungsmittel. So sieht das aus.
Da sind meine Forderungen schon fast zu anspruchsvoll.
Leben Leben Leben Leben Leben Leben.
Ficken Ficken Ficken Ficken Ficken Ficken
Mich freuen. Ich freue mich. Wie ein Kind! Ich bin auf dem besten Wege, Euch von der Fahne zu gehen.
Ich gehe Euch von der Fahne.
Mit mir gehen viele. Und mehr. Und noch mehr. Unzählige.
Richten Sie sich darauf ein, meine Herren!
Wir kommen. Eigentlich sind wir schon da.

 

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