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Hermann Mensing

Romananfang 15

Das Leben Schriftstellers M. nahm, als er, beunruhigt von täglich zahlreicher werdenden Eiterpickeln einen Arzt aufsuchte, ebenfalls eine Wendung. Der Arzt, eine Ärztin, verschrieb eine Salbe, die, sagte sie, bei allen, die mit ähnlichen Symptomen zu ihr gekommen wären, immer sehr schnell angeschlagen habe. Gut, sagte M., von dem Abend im Restaurant Zur Herberge noch ein wenig benommen und wortkarg, das war doch, was er wollte, sofortige Wirkung.

Als er zuhause den Waschzettel las, wurde ihm kalt und heiß. Hatte die Ärztin ihn denn nach all den zu erwartenden, in äußerst seltenen Fällen auftretenden Wechselwirkungen und Reaktionen dieser und jener Art gefragt? Nein, das hatte sie nicht, wohl im Vertrauen darauf, dass das, was auf Waschzetteln steht, eher in der Bereich der Fabel einzuordnen wäre, aber da war M. ganz anderer Meinung. Er trug die Salbe zurück in die Apotheke und ging von dort sofort wieder zur Ärztin. Die hörte sich seine Einwände an und sagte pikiert, wenn er sowieso alles besser wisse, solle er doch jemand anders belästigen, nicht sie.

Belästigen? sagte M. Ich belästige Sie doch nicht. Ich verlange nur eine fundierte Auskunft. So? sagte sie Ärztin. Eine fundierte Auskunft. Wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden? Wissen Sie, dass ihre lästigen Pickel ebenso auf Neurodermitis hindeuten können als auch auf jede andere denkbare Krankheit? Wissen Sie von den Mysterien des menschlichen Organismus, der eines mit dem anderen verbindet und das andere mit dem einen?

Nein, antwortete M. wahrheitsgemäß, das weiß ich natürlich nicht, aber ich ahne es. Sehen Sie, sagte die Ärztin, auch ich ahnte es, als ich Sie sah. Was also sollte ich Ihrer Meinung nach nun tun? Untersuchen Sie mich, sagte M. Untersuchen Sie mich von oben bis unten. Das zahlt niemand, sagte die Ärztin trocken, das müssten wir privat abrechnen. Rechnen Sie, sagte M., der ja nicht der Ärmste war, Schriftsteller zählen zu den Top-Verdienern der Republik, vor allem die hässlichen, mysteriösen, die, die niemand versteht und die, die immer ein Zitat einpfriemeln können in ihre lebensferne Prosa. Also gut, sagte die Ärztin, dann also sofort ab zur Blutabnahme, hier drei Briefchen für das okkulte Blut im Stuhl, übermorgen zum Urologen, nächste Woche zur Darmspiegelung, zwischendurch Kernspintomographie, und dann sehen wir uns, so Gott will, in vierzehn Tagen wieder, vorausgesetzt, Sie sind dann noch ganz gesund.

Tatsächlich war M. nach diesem Parforceritt durch die Niederungen der Vorsorge ganz und gar nicht mehr gesund, es waren Gallen- und Nierensteine zu entfernen, nebenher hatte man festgestellt, dass auch die Prostata nicht gerade klein wäre, weshalb man zur Gewebeentnahme einen Durchstich plante und das Ding da, sie zeigte auf ein Röntgenbild, das drei seltsame Schatten aufwies, das da, was glauben Sie, was das ist, fragte die Ärztin triumphierend. M. zuckte die Achseln. Die neurodermitischen Pickel waren wie durch ein Wunder fast verschwunden. Das, sagte die Ärztin, sind drei Hoden! Drei Hoden? sagte M. fassungslos. Ja. Da staunen Sie, wie? sagte die Ärztin. Allerdings, sagte M. peinlich berührt.

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