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Hermann Mensing

Romananfang 18

Herr Sellfisch sagt, ihm sei schwindlig. Wenn er so rumsitzt, rolle die Welt manchmal seltsam herum. Aber, sagt Herr Sellfisch auch, das mache ihm eigentlich nichts. Er würde nur gern wissen, woran das liegt. An der Welt, sagt sein bester Freund, der schon seit Jahren tot ist. Herr Sellfisch zuckt die Achseln. Er redet gern mit Toten. Manche denken, er hat einen Tick, aber das stimmt nicht. Ihn interessieren die verschiedenen Ebenen der Realität, von denen Herr Hawking so gern spricht, sonst interessiert ihn eigentlich nichts. Er ist nämlich in einer komfortablen Lage. Er hat einmal, da war er noch jung, ein Lied geschrieben. Und das Lied hat einen derartigen Erfolg gehabt (und hat es noch immer), dass Herr Sellfisch nichts tun musss. Schwindlig? sagt der Tote, der Rotenbusch heißt, und der, kurz bevor er starb, einen Roman an einen Verleger verkauft hat, der der Sohn eines großen Waschmittelherstellers war, vielleicht des größten Waschmittelherstellers überhaupt, der zu Herrn Rotenbusch Kindertagen in den ersten Fernsehwerbespots kilometerlange Wäscheleinen über Berg und Tal spannen ließ, quasi eine kommerzielle Vorwegnahme der Herrn Sellfisch manchmal merkwürdig anmutenden Aktionen eines rumänischen Künstlers und dessen Frau mit den feuerrotesten Haaren, die die Welt je gesehen hat, klimakteriumrot, sozusagen. An den hatte Herr Rotenbusch einen Roman verkauft, sich vor Freude betrunken, und war dann mit dem Simca eines gemeinsamen Bekannten von Herrn Sellfisch und ihm genau an der Ecke verunglückt, in dem die Familie Bentink ein Restaurant betreibt, deren Sohn bei 9/11 in einem der Twintower starb, aber das ist eine andere Geschichte.



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