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Hermann Mensing

Romananfang 9

Als ich beschloss, einen Roman über das Leben des kleinen, verwachsenen, nicht liebenswerten Dichters M. zu schreiben (ein besserer Name fiel mir nicht ein), war klar, dass augenblicklich die älteste aller Fragen im Raum stehen würde, aber dafür konnte ich nichts.

Ich hatte sie nicht erfunden, und so machte ich mich daran, seinen ersten Auftritt vorzubereiten. Ich hatte an eine Limousine gedacht, in der er vorfahren sollte, nur wovor wusste ich noch nicht. Vor einem Standesamt, um eine engelsgleiche Schönheit zu heiraten? Vor einer ausverkauften Halle, in der der oft mit neurodermitischen Pickeln übersäte Dichter eine seiner Lesungen vor Menschen halten würde, die ihn skandierend schon beim Eintreten der Halle hochleben ließen, oder wovor?

Ich beschloss, die Limousine zu pimpen, indem ich den Radstand verlängerte und die Halle, die ich im wirklichen Leben nie füllen würde, denn meine Realität sind Lesungen mit acht bis sechzehn Menschen, mit zwölftausend Menschen auszuverkaufen und Pop-Corn Arena zu nennen. Warum nicht, es gab alle möglichen Arenen, weshalb sollte meine nicht Pop Corn Arena heißen.

Als die gepimpte Limousine vorfuhr, stellte der Chauffeur, ein dicker Afrokamerikaner, dessen Mutter im Westen Westfalens vor einem Vierteljahrhundert von dem Bassisten eines in der evangelischen Kirche gastierenden Gospelchores im Anschluss an das Konzert in der Sakristei geschwängert worden war und danach nie wieder von diesem Chor, geschweige diesem Bassisten gehört hatte, trocken fest: heute ist hier gar keine Lesung.

Ich erschrak. Mein erster Versuch, eine Geschichte in Gang zu bringen, war kläglich an Terminmissverständnissen gescheitert. (Hören Sie dazu: der unvollendete Roman)


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