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Silvia Schwab

Die Figur

Seien wir doch mal ehrlich, jeder kämpft doch nur für seinen eigenen Profit.
Leider erreichen das die wenigsten Menschen, denn 90% der Menschen sind dumm und naiv.
Das kommt mir entgegen.

Ich heiße Aurelia-Leona Patzke. Meine Mutter bestand auf Aurelia-Leona, mein Vater auf Viola. Vielleicht mit ein Grund, dass mich mein Vater nie beim Namen nannte. Für meine Mutter war ich Aurelia, für meinen Vater nur immer "das Kind". Später hieß ich dann plötzlich "Mutters Kind". Mein Gott, was kann ich heute nur lachen darüber. Es interessiert mich nicht mehr. Vorbei. Meine Mutter hat mich stets gelehrt: "Nur du bist dein wahrer Freund, verlass dich auf niemanden!" Unser Vater ging, als ich zehn war. Meine Mutter schrie nicht, weinte nicht. "Lächle, mein Kind", meinte sie zu mir, "das wird deinem Vater mehr weh tun als alles andere." Also lächelte ich.

Im Laufe der Jahre haben Mutter und ich ein Spiel entwickelt. Ein Spiel gegen Vater und gegen jeden, bei dem wir dachten, er könnte uns Schmerzen zufügen. Das Spiel machte mich immer leichter, von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr. Jedes zweite Wochenende verbrachte ich bei meinem Vater und seiner neuen Freundin. Erst führte ich Mutters Spiel nur aus. Ich tat es, um meinem Vater das "Mutters Kind", das "Verlassenwerden" heimzuzahlen. Stets mit dem Lächeln auf meinem Gesicht. Dieses wurde immer größer, als ich merkte, dass mein, bzw. Mutters Spiel, erfolgreich war. Welche Genugtuung es doch war, festzustellen, wie leicht ich meinen Vater, seine Freundin, deren Kinder gegeneinander aufspielen konnte, ohne dass sie merkten, dass ich die Fäden in den Händen hielt. Ich war ja nur das arme verlassne Kind für alle, die zu so was gar nicht fähig schien. Tja, darin haben sich alle getäuscht, bis heute.

Nein, ich würde es keinesfalls als meine Schuld bezeichnen, dass mein Vater später seine Freundin und seine Kinder verlassen hat und nie wieder ein Wort mit ihnen sprach. Ich habe nur ein Spiel gespielt. Was kann ich dafür, wenn man zu dumm und zu naiv ist und es nicht durchschaut. Auf jeden Fall ist mein Vater jetzt allein. Nein, wirklich, ich empfinde keine Schuld.

Ich glaube nicht an die Menschheit, bzw. an das Gute der Menschheit. Seien wir doch mal ehrlich, im Endeffekt kämpft jeder nur für seinen eigenen Profit. Dass die meisten ihren Profit aber nicht bekommen, liegt schlicht und einfach daran, dass 90% der Menschheit dumm und naiv ist. Diese Tatsache kommt mir entgegen. Ich kann wirklich nicht klagen. Seit dem ich die Spielregeln meiner Mutter gelernt habe, geht es mir gut. Ich verlass mich auf mich, ich habe mich noch nie enttäuscht. Jetzt bin ich 32 Jahre alt und besitze eine stilvolle Neubauwohnung. Ich bin froh darüber, dass ich mein Leben selbst in der Hand halte. Wenn ich sehe, wie leicht Beziehungen durch meine kleinen Spielchen zu zerrütten sind, dann glaube ich einfach nicht mehr an das Wort "Liebe". Jeder ist für sich und wird es auch bleiben, alles andere ist Illusion. Mein Vater liebt mich genauso wenig wie meine Mutter. Niemand liebt mich. Aber das ist doch wirklich unwichtig. Ich bin glücklich, ich liebe ja auch niemanden. Ich könnte auch nicht sagen, dass ich mich selbst liebe. Ich achte nur darauf, dass es mir gut geht, dass ich keinen Schmerz ertragen muss. Ich hole mir das Glück in kleinen Bestätigungen. Z.B den Bestätigungen, dass ich mein Spiel gewinne, dass ich über den anderen stehe, über ihr Schicksal bestimmen kann.

Ich bin zufrieden mit mir. Meiner Wohnung. Meinem Beruf. Ich arbeite als selbständige Kleinkunsthändlerin. Ich möchte nicht darüber sprechen, wie hoch mein Einkommen ist, das geht niemand was an. Auf jeden Fall bin ich zufrieden. Es findet sich ja auch immer wieder ein geeigneter Kunde. Ich besitze sogar ein kleines Kleinkunst-Geschäft, gehe aber auch zu den Kunden nach Hause. Werbe unterwegs zudem viel für meine Sachen.

Nein, ich habe keine Ausbildung in dem Bereich, aber das interessiert ja die meisten wenig und wenn, wer will schon die Wahrheit wissen. Ich habe mich hochgearbeitet. Das Kleinkunstgeschäft übernahm ich von einer ehemaligen Bekannten. Die war dem Ganzen nicht gewachsen, erbrachte zu wenig Umsatz. Dazu hatte sie noch große Eheprobleme. Mit der Scheidung wurde ihr dann alles zuviel. Ich hatte zu dieser Zeit immer viel Kontakt mit ihr, auch mit ihrem Ex-Mann. Ach, die beiden waren einfach nicht füreinander bestimmt, das habe ich von Anfang an kommen sehen. Ich habe die beiden sehr bestärkt, sich scheiden zu lassen, das ist oft einfach besser für beide Seiten. Na ja, auf jeden Fall gehört der Laden jetzt mir. Mit dem Umsatz hatte ich bislang keine Probleme. Ach ja, ich habe ursprünglich eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht und war bereits dreimal Chefsekretärin. Aber der eigene Chef zu sein, das gefällt mir doch am Besten. Und wenn ich eines Tages ein Haus am Meer besitze, dann bin ich restlos glücklich. Oh ja: Aurelia-Leona Patzkes Landhausvilla mit zwanzig Hausangestellten und Mutters Spiel über allem!

 

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