September 2008                                        www.hermann-mensing.de      

mensing literatur
 

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Mo 1.09.08 23:59

Schwamm gegen 13:14 in der Nordsee. Außer mir schwamm dort außer einigen Fischen niemand. Die See war mild, die Wellen waren ordentlich, ein frischer Wind wehte.


Di 2.09.08 11:28

Den Haag hat sich rund um den Bahnhof neu erfunden. Alles ist Glas, Stahl und Beton. Ich habe nichts gegen Glas, Stahl und Beton, aber meist ist es mir in solchen Vierteln zu kühl. Im Übrigen fiel auf, wie viele Menschen marokkanischer, afrikanischer, indischer, indonesischer, chinesischer Herkunft waren.

Scheveningen, das Den Haag vorgelagerte Seebad, ist nicht mondän, wie ich erwartet hatte. Es ist hässlich, vielstöckige Plattenbauten mit vorgehängten Balkonen, damit jeder die See sieht. Ein Themen-Strandpavillion neben dem anderen: die Karibik, die Karibik und noch einmal die Karibik. Darin loungige Sofas, buntes Interieur und Muzak.

Das, was man in den Niederlanden Randstad nennt, das Gebiet zwischen Amsterdam und Rotterdam, scheint ein uferloses Neubaugebiet mit den typisch niederländischen Lego-Batterien, Häuser billigsten Standards, manchmal architektonisch ganz hübsch, aber in der Masse beängstigend. Wer dort wohnt, muss mobil sein. Wer dort länger wohnt, kriegt Depressionen.

Wie man sieht, das Leben ist interessant, wenn man hierhin und dorthin reist.


Mi 3.09.08 13:20

Stunkfille...

 

Do 4.09.08 9:07

Große Aufregung. In Afghanistan sterben deutsche Soldaten nicht im Krieg, wie man vielleicht annehmen möchte, nein, sie kommen in "asymmetrischen Bedrohungslagen" um. Jedenfalls meint das unser Verteidigungsminister. Versuche mir nun eine symmetrische Bedrohungslage vorzustellen. Kommen sie da von allen Seiten und wollen mich tot machen? Ich weiß es nicht. Ich muss es aber auch nicht wissen, denn ich habe ja nach wie vor Urlaub.

Heute: Wandern im Teutoburger Wald.

16:52

Da ich schon mal in der Nähe war, dachte ich, besichtige ich doch auch gleich das Krematorium, man weiß ja nie, dieses Herzstolpern der letzten Tage, obwohl ich doch das Rauchen wieder aufgegeben habe, nun also, hier ist es, es ist ein kleines, sehr persönlich geführtes Haus, in dem man je nach Wunsch durch den Schornstein oder den Kühlturm in verschiedenfarbigem Rauch aufgehen kann, um dann mit den Wolken davonzuziehen. Das ist eine schöne, beruhigende Vorstellung. Aber sehen Sie selbst...

 

Fr 5.09.08 11:02

Immer gut, wenn man einen Kardiologen kennt. Ich kenne einen, er ist der Vater eines Musikers, mit dem ich bei Albert Early Bird Musik mache, und das Tollste ist: ich vertraue ihm. Am Montag werde ich mich von ihm untersuchen lassen. Meine Diagnose: Herzpoltern durch Stress. Frage: wie abstellen? Antwort: geben Sie Herrn M. eine tägliche, nicht selbstbestimmte Arbeit, möglichst ohne Denkanforderung, am Besten monotone körperliche Tätigkeiten, über die er sich ins Hier und Jetzt malochen kann, statt stets daran zu denken, was morgen ist.

15:53

In Amsterdam und Den Haag sah ich Kirchen, an deren seitlichen und rückwärtigen Teil sich Gebäude schmiegten. Sie waren so tief und so hoch wie ein Zimmer, wobei die Wand der Kirche die Rückwand des Gebäudes ist, darin in Amsterdam u.a. eine Künstleragentur und Büros, in Den Haag auch eine Kneipe. In Amsterdam in Häusern rund um den Kirchplatz Prostituierte in kleinen, mit rotem Neon markierten Fenstern, bis auf eine Ausnahme südamerikanischer- oder afrikanischer Herkunft.

Frage:

wer hat so ein kleines Arschloch, obwohl er so groß ist????



Kleiner Tipp: ich nicht....

 

Sa 6.09.08 9:46

Um beim Thema zu bleiben: haben Sie sich nicht auch schon einmal darüber gewundert, dass Sie all die leckere Dinge, die sie den Tag über verzehren, in das immer gleiche Endprodukt umwandeln? Nun, denken Sie darüber nach. Ich werde gleich in die bunte Warenwelt tauchen, um dort Dinge zu kaufen.

14:46

Nachdem ich meinen Fall geschildert hatte, meinte die, die wir Rückenzack nennen, Sie haben ja auch einen roten Kopf und der Blutdruck ist höher als üblich, 135 zu 80. Ich war ein wenig erleichtert, dass mein Herz an diesem Morgen tatsächlich gepoltert und mich nicht als Hypochonder hatte dastehen lassen, aber den roten Kopf konnte ich erklären, schließlich war ich in der vergangenen Woche einen Tag im Freibad, ich war einen Tag am Meer, ich war einen Tag in Amsterdam, ich war auf dem Hermannsweg unterwegs, ich hatte eine Fahrradtour hinter mir, mein Kopf war also nicht der rote Kopf eines Menschen mit überhöhtem Blutdruck, sondern eines Menschen, der viel an der frischen Luft war.

Da ich Rübenzack nie für einen Arzt gehalten habe, dem ich bei ernsthaften Erkrankungen kompetente Hilfe zutraue und Rübenzack nun sagte, sie wolle zunächst einmal ein EKG machen, warf ich ein, dass ich eigentlich von ihr nichts weiter wolle, als eine Überweisung zum Kardiologen, denn wenn schon herzkrank, dann aber richtig, und "ich hätte da einen", was ihr ein wenig aufstieß.

Rübenzack ist eine nette Frau, sie kann verrenkte Wirbelsäulen prächtig einrenken, sie redet ein bisschen viel, aber sie nimmt sich Zeit, was nicht jeder tut, insofern tat sie mir fast schon ein wenig leid, aber jetzt freue ich mich auf "meinen" Kardiologen. Ich bin gespannt, was er mit mir anstellt, ich bin auch sicher, dass ich nichts habe, denn eigentlich bin ich schon wieder gesund, bis auf ein leichtes Bullern hier und da, aber so ist der Herr, sein Ratschluss ist unbegreiflich, und wenn er wollte, könnte er alles zu jeder Sekunde veranlassen.

PS. Neue Hose gekauft.

 

So. 7.09. 08 10:32

Es gilt als das beste Hotel der Stadt, die Rolling Stones haben dort übernachtet, Hansi Hinterseer auch und vielleicht sogar Tina Turner. Ganz bestimmt aber Roy Black. Das Hotel liegt an einem kleinen See. Wenn man mich mit verbundenen Augen dorthin brächte, mir die Augenbinde abnähme und fragte, wo ich zu sein glaubte, würde ich vielleicht Schweden sagen.

Wir kamen mit dem Rad dort vorbei und ich dachte, für einen herzkranken Mann könne es tröstlich sein, noch eine Mahlzeit einzunehmen, eh er weiter führe, seinem grausamen Schicksal entgegen. Also stellten wir unsere Räder ab und suchten uns auf der weitläufigen Terrasse zum See ein Plätzchen.

Eine kräftige, blonde junge Frau kam und fragte nach unseren Wünschen. Wir bestellten mit Ricotta gefüllte Kartoffel-Ravioli. Wenig später deckte sie unseren Tisch ein: ein großer und zwei kleine Teller, eine große und eine kleine Gabel, zwei kleine Messer, ein großes Messer, ein kleiner und ein großer Löffel.

An solchen Aufwand nicht gewöhnt, aber klare Ansprache vorziehend, fragte ich: "Und was mache ich mit all dem Geschirr. Das ist doch sicher Showbusiness, oder?" Die junge Frau lächelte, aber natürlich konnte sie das nicht zugeben.

Dann aber stellte sich nach und nach heraus, dass wir bis auf die kleine Gabel alles benötigten, denn obwohl wir nur ein Gericht bestellt hatten, kam der Reihe nach Brot und Butter, dann der Gruß aus der Küche, ein Tomaten-Gazpacho, sehr lecker. "Ist ja kalt", hätte ich einwerfen können, aber so weit hat es mich nun doch schon entfernt von meiner proletarischen Herkunft, dass ich das nicht wüsste, trotzdem, als Scherz wäre es vielleicht nicht schlecht gewesen.

"Ist ja kalt!"

Die Kartoffel-Ravioli waren köstlich. Dazu sparsames Gemüse, eine Böhnchen hier, eine Erbse dort, eine Blumenkohlrosette, Sie kennen das vielleicht.

Im Anschluss bestellte ich zwei Espresso.
Da hätten Sie mal hören sollen, wie ich gemaßregelt wurde: "Sehr wohl, zwei Espressi!" sagte die junge blonde Frau triumphierend, während sich die Terrasse mit Teilnehmern einer Firmen-Tagung zum Thema: Motivation und Erfolg oder ähnlichem füllte, die rauchten und nebenher ihren Nachtisch verzehrten.

"Danki!" sagte ich.

Es ist eben nicht leicht, in so feinen Hotels zu verkehren, zumal, wenn man herzkrank ist.

19:00

Der Sommer ist vorbei...

 

Mo 8.09.08 15:01

Wenn man etwas beobachtet, verhält sich das Objekt der Beobachtung anders, als wenn es unbeobachtet wäre. Kein Wunder also, dass ich heute früh Herzklopfen hatte, als ich in die Klinik fuhr. Aber mein EKG war in Ordnung, der Blutdruck allerdings war recht hoch, aber da meinte der Kardiologe meines Vertrauens, dass habe mit eben jenem Phänomen des Beobachtetwerdens zu tun.

Nun trage ich für die nächsten 24 Stunen ein kleines Aufnahmegerät in der Brusttasche und vier Elektroden auf dem Körper, die meine Herzschläge registrieren und an das Aufnahmegerät weiterleiten. Morgen mache ich ein Belastungs-EKG.

 

Di 9.09.08 13:10

Da ich wegen Unachtsamkeit eine Stunde zu früh zu meinem Untersuchungs-Termin erschienen war, frühstückte ich in den Arkaden. Vorher stieg ich in die Tiefen des Gebäudes zu den Herrentoiletten hinab, öffnete die Tür, trat ein, dachte, äää, unguter Geruch, trat vors Pissoir (etc. pp.), als ich bemerkte, dass beide Toiletten belegt waren.

Auf einer ging ein Handy los. Es spielte eine synthetisierte südamerikanische Melodie in ziemlicher Lautstärke, sodass ich dachte, jetzt lässt da jemand einen fahren. Dann dachte ich, warum geht er nicht ran, dann dachte ich, unguter Geruch, ungute Stimmung, nichts wie weg hier.

Der Kardiologe meines Vertrauens wird seine helle Freude haben, wenn er sich die Ergebnisse des Dauer-EKG's anschaut, denn gestern, wir saßen beim Essen, wagte ich meinem zu Hause zaudernden Sohn die schüchterne Frage zu stellen, ob und welche Pläne er denn nun habe, das interessiere mich, ich könne nicht länger so tun, als kümmere mich das nicht, ob er sich nicht endlich bewegen wolle...?

Oh, oh, da hätten Sie mal sehen sollen wie das junge Blut in Wallung geriet und mich aller möglichen Dinge schalt, die ich lieber nicht wiedergebe, will sagen: jede Menge heroischer Idealismus auf Seiten der Jugend und Herzstolpern meinerseits, also zwischen 18 und 19 Uhr, Herr Doktor.

Dumm, dass dieses Aufeinanderprallen der Generationen immer wieder von vorn losgeht, aber irgendwie auch gerecht, denn wenn ich rekapituliere, was ich meinem Vater angetan habe, wird mir schlecht und ich möchte büßen. Ich nehme an, der Herr, dieses in vielfältiger Gestalt weltweit auftretende Wesen, hat mir daher Söhne geschenkt.

Im Laufe der Untersuchung erfuhr ich dann, dass das, was ich Poltern nenne, Extraschläge sind, eine Art Synkope, ein vorgezogener Beat, wonach dummerweise der nächste amtliche ausbleibt = Stolpern. Beim Belastungs-EKG fuhr ich bis 195 Watt Leistung, was ganz schön gut ist und zu keinerlei Ausfällen irgendwelcher Art führte.

Anschließend durfte ich an einer nagelneuen Maschine von Phillips als Testpatient für das Aufzeichnen eines Echos herhalten, was höchst interessant war, konnte ich doch so mein Herz und eine der sich öffnenden und schließenden Herzklappen sehr gut sehen.

Auch hier kein organischer Befund, was letztlich bedeutet: ich muss Stress abbauen.
Vielleicht nehme ich eine Weile die geringstmögliche Dosis Betablocker, aber das wird sich erst konkretisieren, wenn das 24 Stunden EKG ausgewertet ist.

Ja. Das war's. Jetzt: Mittagsschlaf.

17:46

Der Sommer ist zurück...

 

Mi 10.09.08 10:55

Empfehle Weinen zum Stressabbau.

Natürlich ist Lachen auch gut, aber manchmal ist Weinen noch besser, weil es tiefer geht und in Wellen Ablagerungen einfach weggspült. Man spürt die Erleichterung sofort.

 

Fr 12.09.08 13:55

Heilschlaf hält an...

 

Sa 13.09.08 9:37

Es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis ich mein Herz wieder vergesse.
Im Augenblick denke ich noch oft daran, obwohl es längst wieder normal tickt.
Aber so ist das: eine kleine Verunsicherung, schon braucht man eine Weile, eh man sie vergisst.
Was könnte da besser sein als Schlaf.

Heute findet ein historisches Treffen statt.
Ein Multimillionär, ein Tanzmusiker, ein ehemaliger Kioskbesitzer und ein Schriftsteller treffen sich zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren zum gemeinsamen Musizieren.

Wie der Schriftsteller und Musiker, der an einem Hexenschuss laboriert, das Auf- und Abbauen seines Schlagzeuges bewerkstelligen wird, ist noch die Frage. Zur Not lässt er sich von Doktor Müller-Wohlfahrt gesund spritzen.

Hier ein erst vor kurzem aufgenommenes Foto des Altstars.

 

So 14.09.08 14:31

Hier die übrigen Herren.
Die beiden in der oberen Reihe feiern in diesem Jahr ihr 44 Bühnenjubiläum.
Der Herr unten links sein vierzigstes, der unten rechts sein vierundreißigstes.

Hier der Ort, an dem die Herren von 16:00 MEZ bis 2:30 MEZ fast ununterbrochen Lärm machten, wobei es dem Herrn auf dem oberen Foto unten rechts ganz und vollständig gelang, nicht an das zu denken, woran er in den letzten drei Wochen ständig gedacht hatte.

Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass es ein wundervoller Abend war.
Und da der Herr im obersten Foto in der oberen Reihe rechts mit digitaler Aufnahmsoftware auf DU und DU steht, denn er hat sie erfunden, schlummern auf der Festplatte im Foto hinten rechts im Rack nun mindesten fünf Stunden Musik.

Wer will das alles hören?

Ruhig zog der Abend übers Land.

Gegen Mitternacht fasste man den Beschluss, nicht gemeinsam ins Maisfeld zu onanieren und sich auch nicht gegenseitig die Vorhäute abzuschneiden, um sich mit dem einzigen Israeliten der Gruppe, dem Herrn im obersten Foto oben links, der übrigens von seinen türkischen Arbeitskollegen freundschaftlich Osama genannt wird, solidarisch zu erklären.

Am frühen Morgen trat Herr M. Tau im Garten und meditierte über den Unsinn der Sorge.

Nun ist er wieder zuhause.
Er ist todmüde und glücklich und hofft, dass das nicht das letzte Mal war, dass man sich traf.

 

Mo 15.09.08 13:09

Natürlich sprachen wir auch über die Bands, in denen der ein oder andere von uns über die Jahre gespielt hat. Wotan. Haus des Wurm. Korn. Törner Stier Crew. Music Men. Opilaras. Get Back. Katamaran. Ace Cats. Neo Deo. Groove Missiles. Albert Early Bird and the Working Worms. Und wir erzählten uns Geschichten unserer schönsten Auftritte.

Meine Lieblingsgeschichte:

Wendelin (der Gitarrist) tritt mit einem Keyboarder auf. Er wundert sich, warum es im Saal so still ist. Dann fällt es ihm auf: die Gäste sind taubstumm. Aber sie tanzen dennoch.

15:06

Mein schönster Gig....


Di 16.09.08   9:27

Gerade dachte man, die Störung sei vorüber, da ist sie schon wieder zurück und raubt Nachtschlaf. Und was ploppt einem entgegen, nachdem man seinen Rechner hochgefahren und das E-Mail Konto geöffnet hat? Richtig, die Bitte eines Verlages, nach Zusendung des Exposés doch nun den gesamten Roman folgen zu lassen. Ja aber bitte gern doch. Nur schade, dass es dem Anschein nach ein Avantgarde Verlag ist, dann wird es im Falle eine Veröffentlichung doch nichts mit der Rente.... Höchstens, dass man mir den Arsch pinselt.

 

Mi 17.09.08  10:18

Der alte Bildhauer ist seit einem Jahr trocken.
Das will etwas heißen, denn er hat ein Leben lang getrunken und ich hatte ihn schon oft abgeschrieben.

Aber er ist nicht tot und er hat nicht aufgesteckt.

Wir haben beide viel gearbeitet in den letzten Monaten.
Wir haben dafür gesorgt, dass unsere Hoffnungen hoch fliegen und jetzt sitzen wir da und können nichts weiter tun als warten. Gestern fuhren wir im Dreieck zwischen Senden, Dülmen und Lüdinghausen herum. Dort gibt es Alleen, die hundert und mehr Jahre alt sind. Es gibt stillgelegte Kanalstrecken, Alte Fahrt genannt, Zeltplätze, kleine Häfen, es gibt gewundene Straßen und Rittergüter, die mit dreifachen Gräben umgeben sind, es gibt ausgemusterte Landschulen, die man vor Jahren für einen Appel und Ei hätte kaufen können, und wer die Augen öffnet, sieht die ganze Schönheit Westfalens.

Man muss nicht weit fort fahren.
Alles ist hier. Wenn nur das Warten nicht wäre.
Aber etwas Neues kann ich noch nicht in Angriff nehmen.
Das geht nicht. Die Erschöpfung sitzt noch zu tief.

15:28

In meinem Kopf sieht es so aus.

Deshalb musste ich ihm etwas bieten.
Ich bot ihm die hässlichste Stadt Westfalens.
Sie ist so hässlich, dass man sich wundert, sie überlebt zu haben.


Aber es gibt auch Schönes.....

ja, man möchte sagen, Erhabenes....

17:22

Ich spinne schon mal und entwerfe Cover für meinen Roman....

 

Do 18.09.08   8:58

Es ist schon tiefe Nacht, ich will noch ein Viertelstündchen fernsehen, als das Telefon klingelt. Immerhin, eine Stunde vorher war ich mir gar nicht so sicher, ob das Telefon nicht vielleicht kaputt wäre, es hatte gepiept im Raum und wir wussten nicht, woher das kam. Vielleicht der Rauchmelder? -

Das Telefon also. Anonym. Ja, sage ich. Tach, sagt jemand. Ach du bist das, sage ich. Ja, sagt er und dann fragt er, ob ich das auch so großartig gefunden hätte. Ja, schön war das, sage ich, das war schon schön, das kann man nicht mit jedem, sowas, einfach drauflos musizieren, stundenlang, das kann heute kaum noch jemand, das ist eine völlig veraltete Kunst.

Hippiescheiß eben.

Er ist restlos begeistert. Vor allem von der musikalischen Qualität. Ich bremse ein bisschen. Man könnte schon leiser spieler, sage ich. Darauf lacht er und sagt, ja, Jazz hätten wir ja wohl nicht gespielt. Aber es wäre doch doll, oder, was wir das rausgehauen hätten.

Ja, ja, sage ich. Ich sage, dass es ein wundervoller Abend war, aber ich sage nicht, dass ich, was die Musik angeht, doch den ein oder anderen Einwand hätte. Schließlich werde ich dafür bezahlt, Einwände zu haben, ohne Einwände wäre nicht einer meiner Romane enstanden, ohne Einwände wäre ich vielleicht sogar glücklich, falls man von Glück auf der Welt überhaupt sprechen kann, was ich schwer bezweifle, denn Glück fällt eher in den metaphysischen Bereich der Augenwischereien, und derer gibt es viele.

Mir reicht es schon, hier zu sein, damit habe ich genug zu tun.
Mein Anrufer ist aber nicht davon abzubringen, dass das schon gewaltig gewesen wäre.
Man kann das aber nicht alle Tage machen, werfe ich ein. Das findet er allerdings auch.

Und was finde ich am Morgen auf meinem Rechner?

Dies...
ma so gesagt.. .o. braucht noch ein bisschen würze in seiner suppe: sprich veranstaltung am 28.09. (sowas wie ne verspätete 50er party von o. mit seinen lieblingsmuckern)...findet statt in "egons partykotten" (laden von pogo (ehemaliger "hotten hempels" drummer)) sollte erst ne "all star" session nummer werden (sprich unsere heissgeliebte sessionnummer mit spunk ananas vor zich jahren wird noch mal beatmet (beatmeat) und in einen rahmen gebracht. wird aber ansonsten wohl mehr "open session" was mich sehr anspitzen würde, hier einfach mal unsere magische laterne anzuzünden ;-) hätteta zeit?
(hab o. noch nix gesagt...tät ich aber, wenn ihr kommt...)

Da bahnt sich also etwas an, denn kaum hatte mein Anrufer aufgelegt, hat er in seiner Begeisterung gleich den nächsten Beteiligten unserer Session angerufen, was zu einer weiteren Mail führte, gleich hier...das ging ja gut los... kaum die mail rausgejagt ruft mich dieser magische laternenträger an (euch auch?) ... morgen fragt er seinen brotgeber ob er am 28. (übbernächsten sonntach!!)brotlos musizieren darf ...your votes please... ;-)

Da gibt es wohl kein Zurück und ich freue mich einfach.

14:07

Wer zuviel denkt, kriegt Pickel und noch schlimmere Dinge

Ich denke gern, aber letztlich zuviel, und da habe ich beschlossen, ab sofort einmal täglich außer Atem zu kommen. Das ist besser als meditierend zu versuchen, den Zustand des Nichtdenkens zu erreichen. Geht einfacher: einmal mit dem Rad einen Berg hochfahren, schon ist die Denkmaschine still.

Unterwegs traf ich Herrn Serra im Dialog mit Herrn Schlaun.


Aber auch im Dialog mit meinem Fahrrad.

Ich sah einen Landfahrerplatz ...

ich sah diesen Automaten...

und zum Schluss noch dieses kühle Ensemble am See.

Und das alles innerhalb von zweieinhalb Stunden in einer Stadt.
Wie sagt man so schön: ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ja, ja....

 

Fr. 19.09.08   11:52

Der Muslim ist böse, und wenn er, wie jetzt, Ramadan feiert, ist er wahrscheinlich noch böser, denn wer hält das schon aus, einen ganzen Monat den Tag über nichts essen, nichts trinken, keinen Sex.

Meine Nachbarmuslime gehören der weithin verhassten Gruppe der Kosovo-Albaner an. Letztens waren wir bei ihnen zum Sonntagskaffee und da sagte ich: "...aber hör mal, Ermine, ihr dürft doch gar nicht essen, ist doch Ramadan." "Ach", sagte sie. "Ramadan, Ramadan. Wie soll das denn gehen, den ganzen Tag arbeiten und nicht essen...." Und dann aßen wir. Dabei erzählte sie die Geschichte vom Schulfest. Sie hatte eine andere Muslima getroffen, und wie es auf Schulfesten so geht, meist gibt es etwas zu essen, und sie hatten gegessen. Dann aber hatte die andere Muslima plötzlich nervös aufgeschaut und gesagt "...und wenn uns jetzt jemand sieht?" "Egal", hatte Ermine gesagt.

Nur das mit dem Schweinefleisch respektiert sie.

Ihr Mann arbeitet als Metzger und hat täglich mit Schweinefleisch zu tun. Er heißt Nazmir. Er spricht ein atemberaubend unverständliches Kauderwelsch, das er für Deutsch hält und ist ein äußerst charmanter, fröhlicher, sehr netter Mensch. Vorgestern, ich saß auf dem Balkon, fuhr er mit dem Rad vorbei. "Nazmir, wie siehst du denn aus, du musst dich mal wieder rasieren!" rief ich. Er lachte. "Kein Zeit" rief er. Gestern fuhr er wieder vorbei. Ich saß wieder auf dem Balkon. Er lachte zu mir hoch und rieb sich über die frisch rasierten Wangen.

Will sagen: wer Witze und Flachsereien versteht, ist angekommen im anderen Land, ganz gleich, wie schwer verständlich sein Deutsch ist.

 

Sa 20.09.08   10:19

Die Manuskripte liegen bereit, die Ukulelenoten sind sortiert, die Bücher stecken in der Aktentasche, eigentlich könnte es losgehen, aber ich lese erst um 14:30. Bis dahin werde ich mir wohl oder übel die Zeit vertreiben.


So 21.09.08   10:39

Herrliches Wetter gestern, da tat jede Stunde, die man drinnen verbrachte, weh, daher wenig Kunden bei der Lesung, ruhige Kinder mit ihren Mentoren, so ruhige Kinder, dass ich ordentlich arbeiten musste, um Reaktionen aus ihnen herauszuholen.

Aber das gelang, und so ist es schließlich gekommen, dass ich im Dezember noch einmal nach N. fahre, um dort in einer Schule zu lesen.

Auf dem Rückweg stieg ich am Isterberg auf einen etwa dreißig Meter hohen Aussichtsturm. Der Turm, ein Stahlgestell, forderte einige Überwindung für Menschen mit leichtem Unwohlsein bei zunehmender Höhe, denn man hatte bei jedem Schritt aufwärts freie rundum- und nach-unten-Sicht, was nicht schön ist. Riss mich aber zusammen und erreichte die obere Plattform. Weiter Blick sowohl ins Emsland als auch nach Nordrheinwestfalen.

Nun aber, um das Thema:
muss Herr Mensing bald sterben und wenn ja, warum, hätte er nicht aufpassen können, der Idiot,
endgültig abzuschließen, der Arztbrief....

Nachfolgend berichten wir über Herrn H. Mensing, der sich am 9.09.08 ambulant vorstellte

Herr M. berichtete über rezidivierendes Herzstolpern, dass er sei ca. 4 Wochen bemerkt habe und nach eigener Einschätzung auf vermehrten beruflichen Stress zurückführe. In den letzten 1 !/2 Wochen hätten sich die Störungen schon etwas zurückgebildet. Vorerkrankungen seien nicht bekannt, insbesondere habe er keine pectanginösen Beschwerden unter Belastung.

Bei der klinischen Untersuchung des 59-jährigen Patieten ergaben sich keine Hinweise für eine Herzinsuffizienz. Der Blutdruck betrug (wohl situativ bedingt) 190/100 mmHG, Herzfrequenz 76/min., O2 Sättigung 98% Herztöne rein, zum Untersuchungszeitpunkt rhythmisch, periphere Pulse bds. seitengleich tastbar, vesikuläres Atemgeräusch.

Echokardiographie:
Normal großer, nicht hypertrophierter linker Ventrikel mit global normaler systolischer Pumpfunktion ohne regionale Kontraktionsstörungen. Hinweis auf geringe diastolische Funktionsstörung (E-A=0,8). Linker Vorhof normal groß, rechter Ventrikel normal groß mit regelrechter Pumpfunktion. Re. Vorhof nicht vergrößert. Tricuspide, nicht sklerosierte Aortenklappe mit regelrechter Funktion. Mitralklappe nicht sklerosiert ohne Vitium. Kein Hinweis für Vegetationen, kein Nachweis intrakardialer Thrombenformationen, kein Perikardergruss.

Belastungs-EKG:
Unter stufenweise ansteigender Belastung am Halbliegend-Ergometer über 10 Minuten bis zur Leistung von 150 Watt mit Anstieg der Herzfrequenz von 93 auf max. 150/min. und des Blutdrucks von 117/95 mmHG auf max. 189/100mmHG, keine Angina pectoris, keine ischämischen Endstreckenveränderungen. Die bereits in Ruhe vorhandenen monomorphen VES (bis max. 5/min.) nahmen mit zunehmender Belastung ab, sistierten schließlich im Auslastungsbereich und traten in der Ruhephase erneut auf.

Beurteilung: Kein Hinweis auf KHK Vetrikuläre Extrasystole.

24-Std.-EKG:
Sinusrhythmus mit normalem Frequenzprofil. Phasenweise gehäuft auftretende ventrikuläre Extrasystolen mit kurzen Bigeminusphasen. Keine höhergradigen ventrikulären Rhythmusstörungen. Einzel kurze SVES Runs. Keine signifikanten Pausen. Nahezu störungsfreies EKG in den Nachtstunden.

Labor:
Die routinemäßig erhobenen und in der Anlage beigefügten Laborwerte waren - bis auf eine gering erniedrigte GFR von 73 (Norm über 89) - sämtlich normal.

Beurteilugng:
Bei Herrn M. besteht eine ventrikuläre Extrasystolie, die phasenweise gehäuft in den Tagesstunden ohne höhergradige Kopplungen auftritt.
Die gute Belastbarkeit bis über die Ausbelastungsfrequenz hinaus ohne pectanginöse Beschwerden oder ischämische Endstreckenveränderungen mit weitgehender Rückbildung der Extrasystolie spricht gegen eine KHK als Ursache der Arrhythmien.
Elektrokardiographische und echokardiographisch-morphologische Hinweise für eine Myokarditis ergaben sich nicht.
Auch die blanden Laborwerte erhielten keine Hinweise auf systemische infektiös-entzündliche Erkrankung.
Die Schilddrüsenparameter lagen im Normbereich.

Die vom Patienten vermutete vegetative Komponente der Arrhythmiegenese ist möglicherweise zutreffend, somit käme die Anwendung eines Betablockers, z.B. 1 Tbl. Beloc zok/Tag in Betracht, die wir - auch unter Berücksichtigung des situativ erhöht gemesssenen Blutdrucks - empfehlen möchten.

Herr M. urteilt selbst:
ja, sagt er, pumperlgesund eigentlich, wenn nur der Stress und die Sorge nicht wären.
Hat aber auch sein Gutes, denn nun hat er das Rauchen seit gut drei Wochen aufgegeben und beabsichtig nicht, es wieder aufzunehmen.

Was die Beta Blocker angeht, ist er ein wenig gespalten. Die minimieren, wenn er das richtig versteht, die Adrenalinzufuhr zum Herzen, aber wichtiger wäre es doch, die Ursachen zu beseitigen, nicht wahr, den Stress und die Sorge, und da stellt sich natürlich die Frage: wie denn? Man kann doch sein Leben nicht austauschen. Wir werden also sehen...

19:30

Vor lauter Freude über den Befund, vor Freude über die fallenden Benzinpreise, vor FreudevorFreude also machten wir uns heute nachmittag auf den Weg, um überflüssige fossile Brennstoffe regelgerecht zu verbrennen. Eine Art Rentnerfahrt, in Amerika cruisen genannt. Es gibt nämlich eine Ritterburg im Westfälischen, die ich Muse M. zeigen wollte, sie heißt Kakesbeck und der von Kakesbeck hat dort im 17. Jahrhundert gewohnt.

Dorthin fuhr ich sie also, aber nicht nur dorthin, sondern auch in die Metropole Lüdinghausen, zur Burg zunächst, wo sich eine Beobachtung, die ich vor Jahren in Rom gemacht hatte, bestätigte: Möpse können Handstand.

Der Mops, den ich heute sah, lief in nordöstlicher Richtung, kam an eine Mauerecke, drehte sich nach südwest, pisste bei linkem gehobenem Hinterbein an die Mauerecke, prüfte das Ergebnis, drehte sich weiter nach rechts (west) hob beide Hinterbeine, stand also im Handstand, um schließlich in ursprünglicher Richtung, also nordost, davon zu laufen.

In der Stadt sah ich so viele Menschen unterschiedlicher Statur und Aussehens, dass ich fast den Verstand vor Staunen verlor und mir lieber nicht vorstellte, was diese Menschen miteinander reden, treiben, verursachen etc. pp. Da hielt ich mich doch lieber an mein Rentnerauto, stieg schnell ein und fuhr über Landwirtschaftswege in grober Peilung Richtung Münster. Fuhr durch Birkenalleen, Eichenalleen, Lindenalleen, vorbei an Wiesen, Kühen, Pferden, blühenden Senffeldern, frisch abgeernteten Maisfeldern, die Wunder wollten einfach kein Ende nehmen.

 

22.09.08   11:04

Deutscher Kinder- und Jugendbuchautor verletzt sich beim Bügeln. Wird er je wieder schreiben können? Fragen, die uns in dieser schicksalsträchtigen Stunde umtreiben? Gerade hören wir, dass sein rechter Daumen amputiert werden muss. Schade. Ein so schöner Daumen.

13:26

Bei Notoperation versehentlich Hodensack amputiert.

16:09

Mit Kreuzstichen selbst wieder angenäht und Klinik verlassen. Die werden dumm kucken.

22:33

Mein Lesesessel.


23.09.08
  6:53

Die Preisrichter waren in zwei Flugzeugen gekommen, mir unbekannte Fabrikate, kleine, flach am Boden kauernde, eher Liegefahrrädern gleichende Flugmaschinen. Aus dem Größeren stieg als erster Reinhard Große, um mir zur Nominierung zu gratulieren. Ihm folgte eine Reihe mir unbekannter Menschen. Darunter die Preisrichterin. Sie war rothaarig und sprach, wie alle übrigen, Spanisch. Dann wurde der erste Preis ausgerufen. Ein in einer Ecke liegendes Spültuch gewann. Es war mit viel Elektronik präpariert und machte seltsame Töne, die sich fortlaufend veränderten. Ich gewann den zweiten Preis, 500 Dollar, wenngleich alle Anwesenden mit mir eins waren, dass das Spültuch kein Hörspiel sei.

Soweit der Traum.

10:00

Hintergrund dieses Traumes ist die für den 1. Oktober anstehende Nominierung von 10 Hörspielen für den Hörspielpreis der ARD. Ich habe die Prinzessin eingereicht und hoffe, dass ich unter den Nominierten bin. Gestern habe ich mir das Hörspiel des Preisträgers vom letzten Jahres angehört. Er hat eine Ton-Sound-Kollage geschrieben. Daher wohl das Spültuch im Traum.

Reinhard Große ist ein Klassenkamerad aus Realschulzeiten. Er und ich konkurrierten im 50 Meter Kraul, wobei ich oft gewann, beim Springen vom Dreimeterbrett aber war er unschlagbar, ich glaube, er sprang sogar einen eineinhalbfachen Salto.

Heute abend hören Sie mich ab 19:05 auf dieser Welle.

 

24.09.08   10:18

Als ich gegen 3:30 erwachte, hörte ich zwar ein Schnarchen, aber ich erkannte es nicht. Es kam von irgendwo, es war nicht weit weg, aber es kam nicht aus meinem Bett. In meinem Bett lag nur ich, ich lag direkt unterm Fenster, ich schaute hinaus und wusste nicht recht, was das, was ich sah, war.

Ich stand auf, tastete mich durch den Flur zum Bad und hoffte, dass mir nicht das passierte, was Muse M. und mir einmal passiert war, als unser erster Sohn noch ganz klein war, wir das erste freie Wochenende hatten und in einem Hotel übernachteten. Da war ich (oder waren wir?) in ein Zimmer gegangen, das gar nicht unser Zimmer war und ein Hund hatte wie verrückt zu bellen begonnen.

Ich fand das Bad. Ich pinkelte und ging zurück.

Es war so ruhig, diese Ruhe kenne ich sonst nur aus Ameland. Nichts, gar nichts weit und breit, überhaupt nichts, obwohl mein Fenster weit offen stand. Ich hatte noch spät gegessen und fand nicht in den Schlaf zurück.

Ich halluzinierte so vor mich hin, mit dem Ergebnis, dass ich durch die Stadt N. lief und mich wunderte, dass ganze Straßenzüge fest in chinesischer Hand waren, bunte Sitzkissen waren vor die Häuser gelegt, brokatene Kissen, groß wie Sofas und reich bestickt, Paravents, überall Chinesen.

An einer Ecke traf ich M., meinen Gastgeber. Der hatte mich gesucht und sagte, ich hätte die Haustür offen gelassen, und da sei der Kater reingekommen.

Ich schaute auf die Uhr. Es ging auf acht. Ich stand auf, duschte, ging hinunter in die Küche, ich frühstückte ein wenig und fuhr heim.

 

25.09.08   10:38

Hätte ich,
wäre nicht schlecht gewesen,
habe ich aber nicht,
werde ich nie haben,
WAS,
weiß ich nicht.

Nein, das ist kein Gedicht,
wüsste nicht, wie Sie drauf kommen, dass es eins wäre;
nur weil ich die Zeilen breche?

Dummes Zeug.
Zeitvertreib ist das,
damit hier war steht: hier muss ja jeden Tag was stehen,
jeden Tag muss hier was stehen, sonst bin ich ja nichts,
sonst kann ich nicht behaupten, was ich behaupte:

Also - merken Sie sich das.

Die Sonne scheint.
Die Post war schon da. Nichts dabei.
Ich muss Socken anziehen.
Noch fünf Tage.

Nebenan
verschläft einer den Tag,
das ist sein gutes Recht,
aber ich kann das auf Dauer nicht mit ansehen,
davon werde ich krank.

Wäre mir lieber,
er verschliefe ihn irgendwo sonst.

Also: raus an die Luft...

15:42

...zur Autobahn



zu Spiderman

zur Sonne



und zum Abriss

 

26.09.08   12:23

Heute hat er mich wieder besucht. Ich kochte ihm Kaffee und sagte gleich, hör mal, fang nicht wieder an rumzusülzen wegen Hartz IV, dir geht es doch besser als mir. Ja, sagte er, so gesehen. Nicht nur so gesehen, sagte ich, du kriegst doch alles bezahlt. Du hast zwar nicht viel, aber du hast diese kleine idyllische Wohnung auf dem Land, ruhig, kleiner Garten dabei, ringsum Wiesen und Felder, die Wohnung hat Strom, Telefon, Internet, die Wohnung ist heizbar, das Sozialamt zahlt Zuschüsse für weiß-ich-was-alles, und du hockst da und tust den ganzen Tag nichts anderes als Apfelwein keltern, Fotos ausdrucken, im Internet surfen.... Ja, ja, sagte er, schon. Nicht schon, sagte ich. Das ist Fakt. Das einzige Problem, das du haben könntest, wäre das Problem, das alle, die zuviel Zeit haben, haben. Er nickte. Stimmt, sagte er. Aber du hast ja ständig zu tun, sagte ich. Ja, sagte er. Immer. Im Garten. Und hier. Und da. Siehste, sagte ich. Also nimm dich zusammen. Unsereins haut ständig irgendetwas hinaus in die Welt und lebt von der Hoffnung, während du mit deinem Hartz IV monatlich bestens versorgt wirst, also sülz nicht, sonst werde ich ungemütlich. Sülz ja gar nicht, sagte er, aber dann fing er doch an und jammerte, was er für ein Loser wäre. Hach, sagte ich. Ich muss gleich weinen, sonst noch? Hättest ja was tun können. Hast du aber nicht. Hast die letzten zwanzig Jahre nichts mehr getan. Nichts. Rein gar nichts. Hast von der Gesellschaft gelebt. Nicht, dass es mir was ausmachte, aber das erübrigt alles andere, oder? Ja, sagte er. Tut es. Nicht mal mehr besaufen kann ich mich. Wieso? fragte ich. Ich krieg nicht mehr als drei Flaschen runter, sagte er. Hört eben alles mal auf, sagte ich. Meinst du wirklich? sagte er. Hmmm, sagte ich. Also dann, sagte er.

Zwei Kaffee sind getrunken. Drei, vier Zigaretten hat er dabei geraucht. Eine Stunde ist vergangen. Ich habe was zu schreiben und er geht. Ich stecke ihm noch eine der Postkarten zu, die Muse M. aus einem Café in Den Haag mitgenommen hat. Niet rookers sterven ook. Nichtraucher sterben auch! steht drauf. Dann will ich mal, sagte er. Ich geh jetzt in den Garten. Tu das, sagte ich. Bis die Tage. Ich komm mal vorbei, deinen Apfelwein probieren. Achtzig Liter! sagte er.

 

27.09.08   10:15

Goldberg ist wieder besser drauf. War ich denn schlecht drauf? fragt er. Ja, sage ich. Ziemlich. Ziemlich sehr. Abweisend sogar. Ja, ach ja, sagt er, aber jetzt ist ja alles besser. Wieso? frage ich. Ach, der ist ausgezogen, sagt er. Der Architekt? Ja, der, sagt Goldberg. Drei Jahre hat der hier die Stimmung vermiest. Kenn' ich, sage ich. Da braucht es nur einen im Haus, ein Idiot im Haus kann die Stimmung für alle vermiesen. Jau, sagt Goldberg. Und das hat er getan, aber jetzt ist er ja raus. Jetzt müssen wir nur noch sehen, dass der richtige Nachmieter kommt. Das wären die Stiemanns. Die passten hier genau rein. Die haben zwei Kinder. Eins so alt wie unseres. Das passte. Die könnten zusammen zur Schule gehen. Wie geht's denn mit der Schule? frage ich. Gut, sagt er und dann gerät er wieder in den Goldberg Wirbel, der alles herbei- und zerredet, und schon noch zwei Sätzen ahnen wir, dass Goldbergs Kind wohl ein hochbegabtes Kind sein muss und wir beten still, dass es das nicht ist, denn dann müsste es ja als Einzelkind all das nachholen und verwirklichen, was Papa vergeigt hat. Und als der Abend vorbei ist, freuen wir uns, dass wir da waren, denn es war nett und Goldberg wie gesagt wieder wie früher, ganz der Alte, er hat uns den Abend vertrieben, wir verabschieden uns voneinander, die Nacht ist frisch, in den Niederungen hängt Nebel, wir fahren langsam, die Sterne tanzen für uns, die Arschbacken werden kühl, aber das macht nichts, wir können den Stall schon riechen, knappe 35 Minuten und wir liegen flach, und was lese ich, als ich heute früh die Zeitung aufschlage: Zwölf Milliarden neue Krippenplätze. Da muss was falsch und da ist auch was falsch, aber wie gesagt, diese Verleser sind großartig, die können einem Tag den Stempel aufdrücken, man hat schon gelacht und das ist immerhin etwas, und während das Lachen noch nachglüht, höre ich Peter Fox und find auch, dass das eine gute Platte ist, obwohl, Platte ist ja schon lange out, heißt ja schon fast zwei Jahrzehnte CD. Und da ist er also vor uns: der sonnige Herbsttag und noch vier Tage und ich weiß mehr. Mehr Goldberg hier....

12:13

Wir rannten also los, quer über diesen mit verschlammten Pfützen bedeckten Platz, ein heruntergekommener Fußballplatz, wir überquerten ihn diagonal, wir waren vier oder fünf, aber fragen Sie mich nicht, wer dabei war, wir rannten da, wo die Büsche sich zu einem Durchgang öffneten, hindurch und kamen in ein großes Freibad, ein Wind wehte, der das Wasser kräuselte und jemand sagte, dass sei gutes Wasser, das beste Wasser, das man fände weit und breit, und dann waren wir auch schon drin in diesem Wasser und kraulten wie blöde, ich spürte, dass sie mich jagten und wusste, dass ich gewinnen wollte, und es stimmte, das Wasser war wirklich gutes Wasser, ich war schneller, ich konnte noch einen zulegen, weil das Wasser wirklich gutes Wasser war, und als ich erwachte, es war kurz vor sechs, schlug mein Herz zum Halse heraus, und ich dachte, dassa schön, dann kann ich ja im Traum trainieren, dassa praktisch. Es dauert ein bisschen, genauso lange wie es im realen Leben braucht, um nach einem 50 Meter Spurt im Freibad wieder zu Atem zu kommen. Und dann stand ich auf, ging pinkeln, fand im Flur ein Schild auf dem stand Sarah pennt hier, dachte, aha, interessant, legte mich wieder hin und dämmerte noch bis acht, aber dann musste ich raus, der Tag strahlt und irgendwas wird heute noch unternommen, versprochen.

16:31



Man geht rechts an der Kirche vorbei, passiert eine Gaststätte und biegt gleich danach rechts in die Hofeinfahrt. Dort beginnt (zeitversetzt) ein soziales Experiment. Man steht zum ersten Mal auf eigenen Beinen, jedenfalls ist man fort von zu Hause, ist dem täglichen Veto der Eltern entronnen, und nun lebt man dort und probiert, was man machen kann.

Viele Vorstellungen hat man.

Man würde die und den (und viele andere) sowieso gleich einen Kopf kürzer machen, man würde es mit der und der treiben und trotzdem der treu sein und umgekehrt, man versucht es in allen Variationen, man haut auf die Kacke und wenn man nicht so viel Glück gehabt hätte, säße man heute noch auf den Trümmern und guckte doof, aber man hat Glück gehabt, und so geht dieses Experiment ein paar Jahre, Pack schlägt und verträgt sich, man weint viel und rennt und flüchtet und wirft sich alles mögliche vor, und dann sagt nach ein paar Jahren plötzlich jemand Papa zu einem und damit ist das Experiment beendet und ein neues, viel Größeres beginnt.

 

28.09.08   9:57

Der Christ eilt unterm Glockendom zur Messe.
Herr M. fürchtet sich vorm Islam, denn gestern hat er gehört, dass es immer gefährlicher wird.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bonn hat im Fernsehen gesagt, er habe Anlass zu der Annahme, dass die beiden festgenommenen Deutsch-Somalier in naher Zukunft einen Anschlag geplant hätten.

Aber gefunden haben sie nix in deren Wohnung.

Trotzdem.
Herr M. hat Angst.
Wäre es nicht besser, in diesen Zeiten Flagge zu zeigen und wieder zur Kirche zu gehen?

 

29.09.08   10:09

Die Eingeweihten unter Ihnen werden wissen, dass er Kritzel Opi genannt wird.
Ein älter werdender Herr mit LapTop, der rülpst, pupt und stinkt. Man kann sein Gebiss rausnehmen und wenn man ihn drückt, spricht er ein schönes Gedicht.

Hin und wieder schreibt er einen Roman. Er tut gern Dinge, die er nicht kann, denn das ist aufregend. Man sollte nur Dinge tun, die man nicht kann. Nachher kann man sie dann. So kommt es (oder so ist es gekommen), dass er sich heute mit Menschen trifft, die ihm die Möglichkeit finanzieren, ein Lied für eine Schule zu schreiben.

Und nun werden Sie fragen: kann er denn das?

Nein, kann er nicht, und er hat auch nicht die geringste Ahnung, wie so ein Lied für die Schule klingen soll, aber er wird es schon herausbekommen. Ganz langsam wird er Lehrern und Schülern den Text für das Lied aus der Nase popeln, wird Wort für Wort in Reime packen und so lange auf seiner Ukulele plunkern, bis sich eine Melodie ergibt.

Und dann wird er das Ganze mit einem ihm befreundeten Musiker (ein oft störrischer Westfale aus B., der heute in E. lebt und hiermit gegrüßt sei) aufnehmen und schleifen und zurechtfrickeln, bis es klingt, dass es klingt, und dann wird er das Lied präsentieren und hoffentlich sind dann alle glücklich.

Und dann wird er eine Rechnung schreiben und sich die Hände reiben, dass er sein Geld mit so angenehmen Dingen verdienen darf, wenn's auch nicht viel ist.

Jetzt gleich fährt er los.
Aber eh er sich auf den Weg macht, verschwendet er noch einmal einen Gedanken an den ARD Hörspielpreis. In zwei Tagen weiß er mehr.

14:36

Die Schule, mit der M. zusammenarbeiten wird, hat nicht nur einen Chor, sondern zwei. Sie hat eine engagierte Rektorin und eine ebensolche Musiklehrerin, die sich ein Loch in den Bauch freuen, dass sie bei dieser Aktion gewonnen haben.

Das heißt für Herrn M.: nahezu optimale Bedingungen.
Die ersten beiden Termine hat er schon festgeklopft.

21:34

Draußen herrscht nicht etwa Ruhe, sondern Radau.
Der landwirtschaftliche Lohnunternehmer ist mit Hochtechnologie auf Feldern unterwegs, um Mais zu schneiden. Das geht nun seit einer Woche so und bestimmt noch ein paar Tage...

Zur Nacht deshalb dieser beruhigende Satz:

Ich kann mir erlauben, die Wahrheit zu schreiben; alle, denen zuliebe ich mein Leben lang gelogen habe, sind tot.

Der Roman zum Satz: Marlen Haushofer Die Wand Roman 1968

Kaufbefehl!!!

 

30.09.08   10:14

Wir waren seit fünf Minuten in der Stadt unterwegs und schon zweimal knapp einem Unfall entgangen. Beide durch Radfahrer verursacht. Einer tauchte an der Kreuzung Bahnhofstraße - Warendorfer Straße vier PKW vor uns auf der Fahrbahn auf. Der erste PKW bremste scharf. Die PKW hinter ihm ebenfalls und wir hatten Mühe, nicht aufzufahren. Der Radfahrer radelte davon.

Keinen Kilometer weiter bogen wir bei Grün von der Gartenstraße nach links auf den Lublinring, als eine junge Frau auf einem Mountainbike gegen die Fahrtrichtung bei Rot erst über die Rechtsabbiegerspur und dann auf den Ring fuhr. Sie stand schon mit dem Vorderreifen auf der Fahrbahn, eh sie bremste und uns böse anschaute.

13:39

Der Katastrophe hatte meinen Vater sechs Jahre seines Lebens gekostet.
Aber er hatte überlebt. Wenn die Familie feierte, machte er manchmal den Adolf.
Dann schrien alle, klopften sich auf die Schenkel und vergaßen den Schrecken.


15:46

Sagnmermaso: das Lied für die Schule ist quasi fertig



 

 

 

 

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